laut.de-Kritik

Voluminöse Kompaktheit trifft auf Dynamik.

Review von

Für das neue Milk+-Album eine passende Genre-Schablone zu finden, ist in etwa so aussichtslos wie die Suche nach einem Badesee in der Wüste Atacama. Zwar rocken die drei Österreicher unter der Regie von Ikey Owens (The Mars Volta, Jack White) zu Beginn ("A Man On Wire") noch recht eingängig um den Wiener Prater rum, doch bereits mit dem anschließenden "Meltdown" zeigen die Verantwortlichen allen Freunden homogener Strukturen den geschwollenen Mittelfinger.

Prog-Rock, Art-Rock, Jazz, Ambient, Blues: Hier ist wirklich alles dabei, was es braucht, um mit stolzgeschwellter Crossover-Brust durch die Lande ziehen zu dürfen. Um der ganzen Melange aus detailverliebten Arrangements, abrupten Rhythmuswechseln und sperrigen Einwürfen noch die Krone aufzusetzen, präsentiert sich das Organ von Sänger David Furrer, wie das eines gequälten Nasenbarden, das man unter Abertausenden sofort wiedererkennt.

Klingt anstrengend? Ist es auch. Anstrengend bedeutet aber nicht gleich schlecht, ganz im Gegenteil, denn im Laufe des Albums beweisen die drei Prog-Fetischisten zur Genüge, dass sie sich in einer Welt voller musikalischer Gegensätze bestens zurechtfinden.

Nicht viele artverwandte Bands beherrschen die Kunst, zwischen voluminöser Kompaktheit ("Venus Breakdown") und melodiösem Dynamik-Bombast ("Elaptophon") immer wieder in verschrobene und unberechenbare Klangtiefen abzutauchen, ohne sich dabei nach Luft japsend ins Nirwana zu verabschieden.

Bereits auf dem Vorgänger "Who Was Mr. Feldman?" präsentierten die Österreicher der Prog-Klang-Community grenzenlose Sound-Vielfalt jenseits gängiger Normen. Auf ihrem neuen Album gehen David Furrer, Navid Djawadi und Alex Kerbl noch einen Schritt weiter: "Wir halten stets Ausschau nach neuen Horizonten in der Rockmusik. Manchmal schwebt unsere Musik, aber öfter stürzt sie einem im Steilflug in die Gehörgänge", sagt Furrer. Das ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Wer allerdings auf unkonventionelle musikalische Vorgehensweisen steht und das Gefühl liebt, auch nach dem zehnten Durchlauf eines Albums noch überrascht zu werden, der wird hier bestens bedient.

Trackliste

  1. 1. A Man On Wire
  2. 2. Meltdown
  3. 3. Venus Breakdown
  4. 4. The Cigarette's Arsonphobia
  5. 5. Melaforint
  6. 6. Elaptophon
  7. 7. Kollaptra
  8. 8. Epicurious Daydream Part One
  9. 9. Epicurious Daydream Part Two

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1 Kommentar

  • Vor 10 Jahren

    Ich hatte das Album hier im Forum ja schon wärmstens empfohlen. Freut mich, dass es nun besprochen wurde und hoffentlich mehr Zuhörer findet.
    Meiner Meinung nach eine klare 5/5 und eines der besten Alben des Jahres 2013. Verstehe die Wertung nicht wirklich, da der Rezensent eigentlich nichts so wirklich zu kritisieren hat aber der Text ist sowieso wichtiger als die Punktzahl.
    Was die drei da an packenden und virtuosen aber irgendwie trotzdem eingängigen Melodien, Bassläufen, Riffs und fettem Schlagzeug präsentieren, ist unfassbar!
    Wenn ich sie mit einer Band vergleichen müsste, würde ich Mars Volta nennen.
    Nur gefallen mir Milk+ insgesamt viel besser, da unbändige Energie und komplexe Songstrukturen mit großen Melodien und nicht mit Gefrickel und endlosen Soundexperimenten kombiniert werden.
    Soulburn, jenzo und alle die Gitarrenmusik mögen: Hört da doch mal genauer hin!
    Weiter so laut.de!