laut.de-Kritik

Ein Sturm aus melodischem Hardcore und staubigem Wüstenrock.

Review von

Den spärlichen geographischen Kenntnissen des Rezensenten zufolge sind staubige Wüsten in den malerischen Landschaften Islands eher selten zu finden. Dank den fünf Jungs von Minus weht nun allerdings überraschend ein ganz anderer, trocken-sandiger Wind aus der Heimat von Björk und Sigur Rós rüber auf das europäische Festland. Räumt lieber schon mal die Liegestühle rein und verbarrikadiert die Fenster, denn mit den oben genannten Landsleuten hat dieser spröde Brocken aus melodischem Hardcore und wildem Stonerrock bei Leibe nichts zu tun!

Bereits der Opener "Boys Of Winter" bahnt sich güterzuggleich seinen Weg in die Magengrube. Konfuse Breaks, rollende Tanzflächengrooves, erbarmungslose Gitarrenattacken durchsiebt vom klangvollen Gesang des schlicht Krummi genannten Frontbrechers. Berührungsängste? Fehlanzeige! Minus schöpfen stilistisch aus dem Vollen und verschütten dabei keinen Tropfen des kostbaren musikalischen Gebräus.

Aber gaben sich Minus nicht schon mal einen Tick herber? Lag es nicht an dieser Chaoskombo, nach ihrem hochgelobten Erstschlag "Jesus Christ Bobby" die Zukunft des Brachial-Hardcore zu besorgen? Pustekuchen! Auf "Halldór Laxness" beschreiten Minus gänzlich neue Wege, auch wenn sie die Route in den sicheren Heimathafen natürlich nicht ganz vergessen haben.

Selbst der rohe Punk-Spirit ist unterwegs nicht verloren gegangen. Doch nach geradlinig konstruierten 4/4-Taktern kann der Hörer lange skippen. Statt dessen haben Krummi, Frosti, Bjarni, Johnny und Bjossi (selbst die Namen unterhalten) bei den geistigen (Stief-)Brüdern von Refused durch die matte Scheibe in den Proberaum gestiert. Vertrackte Strukturen, überfallartige Wutausbrüche und possierliche Soundspielereien bilden auch hier die Grundzutaten für einen hochexplosiven Cocktail. Ein Blick auf das Gründungsjahr lässt dann auch gleich die linke Augenbraue hochschnellen. 1998? Nun denn ... Jemand musste ja die Fackel der Straight Edge-Heroen wieder aufheben, bevor sie ganz erlischt.

Jetzt bahnen sich die Lausbuben damit lautstark ihren Weg durch die Wüste. Dass dort am nächsten Kaktus die Queens Of The Stone Age lauern, wird spätestens nach den schwebenden Backgroundchören bei "Flophouse Nighmares" deutlich. Dabei ruht sich die Band nie im kühlen Schatten der stilistischen Überväter aus, sondern lässt sich selbstsicher die 50-Grad-Wüstensonne lässig auf den Kopf knallen – Folgeschäden inklusive. An der nötigen Eigenständigkeit mangelt es der druckvollen Produktion nicht. Hier bilden Chaos und Melodie einen wilden Strudel, der den Hörer, einmal in die feinen Tiefen von "Halldór Laxness" gerissen, nicht mehr loslässt. Auf dem Grund angekommen, finden sich dann auch schnell feine soundtechnische Nuancen, perfekt eingewobene Elektronikspielereien ("Last Leaf Upon The Tree") und noch so manches verborgene Detail.

Hier braut sich nicht erst was zusammen, der Sturm zieht schon seine Schneise durch die alternative Musiklandschaft. Ein Wetterumschwung ist noch lange nicht in Sicht!

Trackliste

  1. 1. Boys Of Winter
  2. 2. Who's Hobo
  3. 3. Romantic Exorcism
  4. 4. Angel In Disguise
  5. 5. Flophouse Nightmares
  6. 6. Here Comes The Night
  7. 7. The Long Face
  8. 8. My Name Is Cocaine
  9. 9. The Ravers
  10. 10. I Go Vertigo
  11. 11. Insomniac
  12. 12. Last Leaf Upon The Tree

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