laut.de-Kritik

Die Musicalwerdung des früheren Techno-DJs.

Review von

Die Nineties feiern derzeit ein Revival und ein wichtiger musikalischer Protagonist dieses Jahrzehnts war Moby. Der frühere Techno-DJ und Musikproduzent ist mittlerweile auf dem Klassiklabel Deutsche Grammophon gelandet und veröffentlichte dort 2021 sein orchestral angehauchtes Werk "Reprise", auf dem er alte Hits neu interpretierte - unter Zuhilfenahme einer großen Portion Pathos, wie es in unserer Kritik hieß. Etwas besser gelang das folgende Remix-Album.

Auch "Resound NYC" bedient das aktuell recht beliebte Re-Imaging-Motto, siehe "Songs Of Surrender" (U2) oder "My Songs" (Sting). Moby möchte hier gleich zwei Trends abhandeln, nämlich besagte Art des edlen Recyclings und eben die Neunziger: Sein 20. Studioalbum interpretiert zusammen mit geladenen Gästen 15 der berühmtesten New Yorker Songs zwischen 1994 und 2010 neu.

Mit dabei sind Größen wie Gregory Porter, Ricky Wilson (Kaiser Chiefs), Margo Timmins und Amythyst Kiah, aber auch unbekanntere Namen wie die des Musikers P.T. Banks, den Moby in einer Hochzeitsband in Texas entdeckte. New York die dritte Ebene dieses Albums, denn dort wurde der Musiker nicht nur geboren, auch seine Karriere nahm hier ihren Anfang – im Punkrock und als DJ in Underground-Clubs. Über die Zeit damals sagt er: "Wenn man sich die Neunziger in Erinnerung ruft ... Bill Clinton war Präsident, die Rave-Szene war dieses utopische Idyll, die Sowjetunion war Geschichte und der Klimawandel nur der Gedanke für ein Buch, das Al Gore schreiben wollte. Das Potenzial unserer Welt und unserer Kultur zu feiern, das war Musikmachen damals. Heute ist es fast eine Zuflucht in einer erschreckenden, manchmal apokalyptisch anmutenden Welt."

Zwischen Flucht und Zuflucht liegt ein schmaler Grat und musikalisch ist es der zwischen Retrokitsch und Re-Interpretation: Was Moby auf "Resound NYC" macht, ist beides. Richard Melville Hall, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, studierte klassische Musik und weiß als DJ die richtigen Knöpfe zu drücken, die nicht nur Tanzlust, sondern auch Emotionen wecken. Und so sind die neu gedachten Songs in jeweils unterschiedliche Arrangements gekleidet, die von Pathos über Pianotouch bis hin zu Pop-Klassik, angereichert mit vielen souligen und starken Stimmen reichen. Am Anfang ist man noch überrascht, wie gut das funktioniert, doch über die gesamte Länge stellt sich schnell ein Sättigungsgefühl ein, denn vieles ist allzu gefällig und geschmäcklerisch geraten.

Der Anspruch, den Moby hier selbst anlegt – "es gab nicht das eine orchestrale Treatment für alle Songs, sondern eher ein eigenes Orchester für jeden Song" – erfüllt er nur ansatzweise, denn es gibt leider nur einen Orchester-Auftakt für jeden Track. Doch dies ist vielleicht dem Grundmuster, bekanne Songs in ein klassisches Gewand zu packen, geschuldet, das ein ähnliches Problem wie Musical-Versionen hat: Die ursprüngliche Energie, die sich aus der Realität (hier: der Neunziger) speist, wird in perfekt produzierte Hollywood-Versionen umgeleitet, die die nostalgische (Zu)flucht erst ermöglichen. Der ewige Kreislauf des Pop. Und nach Retro, Recycling und Re-Interpretation kann man sich eigentlich schon sicher sein, dass ein weiteres "Re-" in Form eines Remix-Albums folgen wird.

Trackliste

  1. 1. In My Heart mit Gregory Porter
  2. 2. Extreme Ways mit The Temper Trap
  3. 3. South Side mit Ricky Wilson
  4. 4. Flower (Find My Baby) mit Amythyst Kiah
  5. 5. In This World mit Marisha Wallace
  6. 6. Helpless mit Margo Timmins, Damien Jurado
  7. 7. Signs Of Love
  8. 8. Perfect Life mit Ricky Wilson
  9. 9. When It’s Cold I’d Like To Die mit P.T. Banks
  10. 10. Slipping Away
  11. 11. Second Cool Hive mit OUM, Sarah Willis
  12. 12. Hyenas
  13. 13. Last Night
  14. 14. Run On mit Danielle Ponder, Elijah Ponder
  15. 15. Walk With Me mit Lady Blackbird

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