laut.de-Kritik
Die Post-Punk-Goths verfeinern ihren Brutalismus-Sound.
Review von Kerstin KratochwillDie weißrussische Post-Punk-Synthie-Pop-Gruppe Molchat Doma, deren Name in etwa "Stille zu Hause" bedeutet, lebt nach ihrem erzwungenen und entwurzelnden Umzug aus Minsk mittlerweile in Los Angeles und hat ihren kargen kalten Sound der Anfangszeit in pulsierende lautere Electro-Klänge gewandelt. Frühere Alben des Trios wie "Monument" versprühten einen kühlen Ostblock-Charme, klangen nach verlorenen Bootlegs und verschafften ihnen einen Geheimtipp-Status in der Gothic-, Darkwave- und Electronica-Szene mit einer sie regelrecht kultischen verehrenden Fan-Gemeinde.
Mit "Belaya Polosa" bleiben sie zwar ihrer Brutalismus-Ästhetik treu, doch der dreckige Anstricht weicht nun einer designten Oberfläche. Die Architekturbauten ihrer Cover wechseln damit von alten vergilbten Fotografien ins großformatige Coffee-Table-Book.
Der düstere minimale Coldwave der Anfangstage ist nun zwar nicht weniger karg, doch im Sound haben sich nun 90er-Jahre-Vibes, EBM-Rhythmen und tanzbare Drum-Machines breitgemacht, die ihr viertes Album wesentlich anders klingen lassen. "Es ist eine andere Band", sagen sie selbst – auch wenn der Stil und die Sehnsüchte dieselben sind.
Ihre Musik kanalisiert die Ängste dieser Reise ins Exil und einer Zukunft voller Ungewissheit mit immer noch kompromisslos dunklen Klängen, jedoch sind sie von ihrer Joy-Division-Phase in das New-Order-Stadium gelangt. Manche Tracks klingen dabei ein wenig wie der US-Post-Industrial-Dancefloor von Boy Harsher, andere sind eher Eighties inspiriert und lassen an Tears For Fears, Depeche Mode oder The Cure denken.
Nachdem sie ihren Sound derart verfeinert und sich sowohl physisch als auch musikalisch an ihre neue Umgebung angepasst haben, strotzt "Belaya Polosa" vor der flirrenden Spannung und Dramatik, die die Welt als Ganzes aus der Sicht derer widerspiegelt, die fliehen und Zuflucht finden mussten. Traurigkeit und Trotz spiegeln sich so in diesem ihrem bisher vielschichtigsten und vielfältigsten Album.
3 Kommentare
Dieser Kommentar wurde vor 3 Monaten durch den Autor entfernt.
Sehr, sehr, sehr gute Band. Verdient ne ausführlichere Rezi!
Richtig geil!!! Toller Tipp. Kannte ich noch nicht. Schöner Bass. Auch in der Sprache sehr angenehm und ungewöhnlich.