laut.de-Kritik

Edler Soul mit psychedelischem Orchester.

Review von

"I Know You Got Soul" lautet ein Richtung weisender Songtitel von Bobby Byrd, ein mittlerweile geflügeltes Wort. Dieses gewisse Konglomerat 'Soul' verlangt musikalisch viel nicht Erlernbares, und die Monophonics lösen die Erwartungen an dieses Gesamtpaket als Kalifornier mit überraschender Fortüne ein. Da fließen auf "It's Only Us" ein unbestimmbares Zittern in den Lead Vocals, die sakrale Harmonie des Gospel-Gesangs in den Background-Chören, intelligente Texte mit zwischenmenschlichen Themen, ein entspannter Umgang mit dem Bass und etliches mehr zusammen. Verträumte Arrangements tragen manches verästelte Songkonstrukt wie "Tunnel Vision" ereignisreich über die Fünf-Minuten-Marke oder in deren Nähe, bei "Last One Standing" unter Einsatz sportlich spielender Streicher über sieben Minuten Länge.

Instrumentale Momente sind toll: Jedes Intro klingt geschliffen wie ein Diamant. Immer droppen die Monophonics erst ein markantes Riff und bereiten uns auf den Track vor. Doch nichts geht über den Gesang. Kelly Finnigan reißt unendlich gekonnt mit, seine hohe Stimme hört sich wehmütig, schlaftrunken und etwas androgyn an. Er moduliert sie stellenweise mit einem psychedelisch wirkenden Tremolo. Als "Last One Standing" wirkt er gleichwohl fordernd und rebellisch, erinnert in der Phrasierung enorm an Curtis Mayfield, wenn dieser Kritik übte.

In "Run For Your Life" wartet Finnigan mit rauem Understatement auf und verharrt, als fessele ihn jemand und lasse seiner Lunge nur wenig Luft um ein paar Restlaute in Spoken Word auszustoßen. "Run For Your Life" sticht auch auf Ebene der Instrumente als psychedelischster Tune aus dem Album heraus, zitiert ein bisschen mexikanische Mariachi und versetzt textlich in Filme über Escobars Drogenclan-Milieu. Schnell wird der Song zum Ohrwurm.

Eine Hawaiigitarre verleiht den Nummern an manchen Stellen exotische Kurven und Schlenker. Viele Details prasseln im dichten Dschungel der gefühlvollen Sounds durcheinander und klingen wie gärende Sümpfe mit quakenden Fröschen, dank Bass und Mellotron in "Day By Day", oder wie ein Blaxploitation-Movie mit Isaac Hayes-Soundtrack im thrill-vollen und klangsatten "Suffocating". Nicht immer lassen sich die Texte zwischen all den üppigen und doch filigranen Hörner-Arrangements verstehen. Dass Soul etwas mit ungefähren Notensprüngen, mit Leiden, auch mit Optimismus und unnachgiebig hart getrommelten Beats zu tun hat, setzt das engagierte Quintett mit akribischer Genauigkeit um.

Wer auf Jazz und Klassik steht, kann dieser Musik kaum nachsagen, hier würden die dünnen Bretter heutiger Unterhaltungsmusik gebohrt. Was aus Vibraphon, Harfe und vielem mehr an orchestralem Wohlklang entsteht, ist so perfekt wie gefällig. Doch kulturell passt es nicht zu Prosecco-Gläschen und Anzügen in der Lounge eines Opernhauses. Der revolutionäre Geist der späten 60er, frühen 70er brodelt dafür an zu vielen Stellen auf und gibt der Platte einen rockigen Touch.

Trackliste

  1. 1. Chances
  2. 2. Suffocating
  3. 3. Last One Standing
  4. 4. Tunnel Vision
  5. 5. It's Only Us
  6. 6. Run For Your Life
  7. 7. All In The Family
  8. 8. Day By Day

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1 Kommentar

  • Vor 4 Jahren

    Mal was Grundsätzliches: Wenn in einem Text drei Mal der Begriff «psychedelisch» vorkommt (für Tremolo, Tune und Orchester), ist er schlicht und einfach nicht redigiert bzw. gegengelesen und trübt das Lesevergnügen. Schade!