laut.de-Kritik

Ein würdiger Abschied.

Review von

Soll es das gewesen sein? Die großen Skatepunker um das geschwätzige Enfant Terrible Fat Mike Burkett gehen nach über 40 Jahren und einer schier unüberblickbaren Anzahl Outputs in Rente. Klar, es wird Seitenprojekte geben, Podcasts und ein Museum in Las Vegas, ein paar Farewell-Shows werden die Tage auch noch hierzulande stattfinden, aber dann ist Sense. Nach den letzten beiden Alben "Single Album" und "Double Album" erscheint ganz nun ganz zum Schluss die aus ein paar Überbleibseln zusammen gestellte EP "Half Album".

Dem legendären, schräg-albernen Humor, der den Kaliforniern seit Anbeginn ihrer Karriere anhaftet, zollt "Fake-A-Wish Foundation" Tribut. Die aberwitzige Story, wonach ein Fan eine Krebserkrankung erfunden und der Band einen ihm gewidmeten Song ("My Bro Cancer-Vive Cancer" vom vorletzten Album) abgerungen hat, nur um sich später als Betrüger zu entpuppen, könnte kaum typischer sein. Cheesige 70s-Psychedelica, Chöre mit Vocodersounds und Mikes angekratzte Schmachtstimme bilden kein episches, aber dennoch unterhaltsames Intro.

Nur wenige Sekunden dauert es, bis "I’m A Rat" in Herz und Hirn einschlägt wie eine Granate. Diese unbarmherzige Geschwindigkeit, Melodien, Harmonien und die bei näherer Betrachtung durchaus komplexen Strukturen der einzelnen Songteile machen unmissverständlich klar, was wir in Zukunft bitter vermissen werden. Alles, was diese Band seit ihrem Meilenstein "Punk In Drublic" (1994) so einzigartig gemacht hat, sprudelt durch die Lautsprecher wie das Wasser einer heiligen Quelle. In einer Mischung aus schwerer Melancholie und spitzbübischem Charme behandelt Fat Mike das alte Thema seines Lebenswandels und punktet damit auch inhaltlich. Spannenderweise wurde der Song bereits zwei mal, nämlich erst auf einer Single der japanischen Punker Hi-Standard und kurz drauf auf Mikes Klassikalbum veröffentlicht, überzeugt aber nur in dieser Inkarnation.

Das überaus traurige "The Queen Is Dead" erschien schon 2019 als ruhigere Version auf dem mediokren Cokie The Clown-Album und behandelt das Ableben einer nicht näher benannten Punk-Ikone aus dem Umfeld der Band. Nach einem schrägen, folkigen Intro, das die bisher abgefuckteste Stimmfarbe des Bandchefs zeigt, platzen die tiefgrauen Wolken auf und es ergießt sich feinster, melodischer Hardcore-Punk auf die sicherlich ergriffene Hörerschaft. Nicht ganz so vielfältig wie der Vorgänger, eher etwas trockener und ernster, aber dennoch in der kurzen Zeit extrem abwechslungsreich. Gespickt mit viel Selbstironie, ungewöhnlich modernen Grooves und gelegentlichen Bad Religion Vibes gefällt auch "The Humlest Man In The World". Zwar eher im Midtempo-Bereich und straight rockend, dafür aber mit großartigem, mehrstimmigem Gesang. Es gelingt vor allem der Stunt, erwachsen und jugendlich zugleich zu klingen.

Als krönendes Finale schleppt sich "The Last Drag" auf die vollgesiffte Bühne und entpuppt sich in seinen guten sechs Minuten Spielzeit als kleine, trotzige Mini-Oper. Immer derber und spannender wird es, während Mike über seine finale Entgiftung singt. "This Is my detox and I cry if I want to. This is my detox and I get high if I want to" knarzt er und befeuert den Mythos von sich als halbcleanem Substanzen-Wrack. Es gibt Screams im Hintergrund, typische Ooooohs und Aaaaahs, einen Streicherpart und eine heimliche Wiederkehr des ollen Riffs von "Freedom Like A Shopping Cart" vom 1996er Album "

Trackliste

  1. 1. Fake-A-Wish Foundation
  2. 2. I'm A Rat
  3. 3. The Queen Is Dead
  4. 4. The Humblest Man In The World
  5. 5. The Last Drag

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2 Kommentare mit 16 Antworten

  • Vor 7 Monaten

    Hatte hat nicht mitbekommen, dass die aufhören. Mit die Helden meiner Jugend! Klar, die neueren Outputs sind bei mir nicht so häufig gelaufen, aber ich hab die Jungs immer geliebt. Hab in "Half Album" noch nicht reingehört und werde dann bestimmt ein bisschen traurig, so wie sich die (gute!) Rezension anhört...
    Wäre es da nicht auch mal Zeit für einen Meilenstein???

    • Vor 7 Monaten

      Ja, für "White Trash, Two Heebs & A Bean", bitte!
      Ansonsten Zustimmung zu allem; macht mich schon irgendwie traurig, dass die aufhören, wahrscheinlich meine meistgehörte Punkband überhaupt.

    • Vor 7 Monaten

      +1 für "White Trash..."!

    • Vor 7 Monaten

      "Punk in Drublic" wär auch super.
      8.6. wird fantastisch mit den Descendents als Vorband.

    • Vor 7 Monaten

      Nofx sind in meiner musikalische Sozialisation auch unschätzbar wichtig, in meinem Diskographie Ranking wäre aber tatsächlich die War on Errorism auf der 1. Der gewohnt abstruse und satirische Humor hat super mit den ernsteren und politischeren Inhalten harmoniert und im Gegensatz zu vielen anderen Alben (v.a. wolves in wolves clothing und mmn. auch auf der zweiten hälfte von Punk in Drublic) gab es keine halbfertig wirkenden Wegwerfsongs.
      Aber generell hatten NOFX einen verdammt starken Lauf zwischen 1992 und 2003.

    • Vor 7 Monaten

      Jap, das ist auch exakt die Ära, die m8ir am besten taugt. Mir gefällt eigentlich auch kein Album komplett von denen, aber bei dem Output sind schon mächtig viele Bretter rumgekommen.
      Hab damals Weihnachten 2002 von meiner Cousine die "45 or 46 Songs that weren't good enough (...)" -B-Seiten-Compilation geschenkt bekommen, damit ging es bei mir los, und sogar auf der sind einige Killertracks drauf (Pimps and hookers, Drugs are good, San Francisco Fat, Go to work wasted, My name is Bud, ...), die ich immer mal wieder gerne höre. Muss ihr mal schreiben, was die Platte eigentlich für nen impact auf mich gehabt hat, in vielerlei Hinsicht, merke das jetzt gerade erst so richtig :'^)

    • Vor 7 Monaten

      Ach, die hatte ich ja total verdrängt, danke für den Hinweis. Und dabei ist Drugs are good für mich eins der absoluten Highlights der Band!
      Mein erster Kontakt war wirklich die "White Trash..."
      The Decline ist auch ein Hammer, ganz Nofx und doch wieder ganz anders. Auch ein Meilenstein, kommt aber als solcher wohl hier nicht in Frage...

    • Vor 6 Monaten

      "8.6. wird fantastisch mit den Descendents als Vorband."

      Wie war's eigentlich?

  • Vor 7 Monaten

    Ich muss leider gestehen, dass ich von NoFX mittlerweile echt genug habe. Die neuen Songs fügen nichts mehr hinzu, das rauscht nur noch so durch. Die latent weinerliche Selbstkasteiung mit irgendwelchen Süchten, Detox und was weiß ich nervt mich auch einfach. Dann lieber weiter Punk in Drublic.

    • Vor 7 Monaten

      Kann ich irgendwie nachvollziehen, vor allem was die Lyrics angeht. Aber das ist halt Geschmackssache, so Sachen wie "Fake-A-Wish Foundation" find ich immer wieder witzig...
      Musikalisch wird das Rad natürlich nicht mehr neu erfunden. Aber ich finde nicht, dass das "durchrauscht", für die Menge an Material und die lange Zeit steckt da für mich immer wieder was Neues drin, während gleichzeitig aber die "Signature Moves" natürlich penetrant durchgezogen werden...
      Die meisten Bands aus der Ecke find ich auf Dauer viel eintöniger.

      By the way... Warum sind eigentlich Streitlight Manifesto hier überhaupt nicht vorhanden?

    • Vor 7 Monaten

      *Streetlight Manifesto*
      - warum kann man hier eigentlich seine Posts nicht bearbeiten??

    • Vor 7 Monaten

      streite dich mal light mit der redaktion
      dann gibt's vielleicht bald ne edit-Funktion

    • Vor 7 Monaten

      "By the way... Warum sind eigentlich Streitlight Manifesto hier überhaupt nicht vorhanden?"

      Weil es diese dubiose Musik-Kapelle "Streitlight Manifesto" schlichtweg nicht gibt, daher macht laut.de von seinem guten Recht Gebrauch, nicht jeden Unsinn promoten zu müssen und keinen Luftschlössern hinterher zu jagen

    • Vor 7 Monaten

      oder wild ejakulierend durch die stadt zu rennen

    • Vor 7 Monaten

      sondern ist ein beispiel für ne konjunktion
      ich betreibe mit deiner mutter kopulation

    • Vor 7 Monaten

      Meatbeat Manifesto?

    • Vor 7 Monaten

      Die Jungs heißen Streetlight Manifesto und machen im Grunde Ska-Punk, aber mit viel Rhythmus-Spielerei, Anleihen aus anderen Genres und z.T. verdammt schnell. Am ehesten zu vergleichen mit den früheren Mad Caddies, aber m.E. besser!
      Ich kann absolut nicht nachvollziehen, warum die so unbekannt sind.

    • Vor 7 Monaten

      "By the way... Warum sind eigentlich Streitlight Manifesto hier überhaupt nicht vorhanden"

      Ohne laut-Präsenz, kein Erfolg, dazu gibt es diese Band nicht