laut.de-Kritik
Schlager mit besonders wenig rockigen Altersheim-Traumbeats.
Review von Franz MauererZwei Dinge charakterisieren Matthias Reims neues Album "Zeppelin" zutreffend: Das Feature mit Finch, der anscheinend eine Existenz als Silberfisch der deutschen Hitparade anstrebt. Unter jedem Feature-Stein zu finden, dabei aber zu wenig Rückgrat, um wirklich zu stören. Freuen tut sich bei seinem Anblick auch niemand. Zweitens "Ich Geb Alles"- zwar bekam schon Daniela Alfinito den Apostroph als Auslassungszeichen nicht hin, trotzdem ist ein Rechtschreibfehler in einem Songtitel eines Albums ein besonderer Zivilisationsbruch, der vielleicht volksnah erscheinen mag, aber einfach nur hingeschissen wirkt.
So hört sich die Musik auf "Zeppelin" dann auch an. "Echte Helden" ist eine besonders lahme, anbiedernde, aber nie sympathische, musikgewordene Tasse mit Motivationsaufdruck. Der komplette Song offenbart sich nach wenigen Sekunden, das auf unbedingtes Gefallen gebogene Keyboard-Songwriting lässt keine Ungewissheit zu. Gleich noch ein Stück unsympathischer biegt "Der Doch Nicht" mit einer der herrlichsten Anfangslines aller Zeiten um die Ecke: "Irgendwie crazy / dass ich mich freu / dich wiederzusehen." Irgendwie loco ist auch, dass Leute mit Ohren und Zellen zwischen eben jenen Geld ausgeben, um den Song zu hören. "Was Fällt Dir Ein?" und "Ich frag' mich ganz ehrlich/ ob du noch sauber tickst" fragt Reim die Angebetete mit ihrem störenden freien Willen. Dabei wirkt Reim zu keinem Zeitpunkt auch nur im Geringsten emotional involviert, weshalb der Besitzanspruch umso gruseliger rüberkommt.
Aber über so was kommt der "Easy Rider" schnell hinweg, die Olle hat sich wieder gefangen und brettert über einem besonders wenig rockigen Altersheim-Traumbeat mit Reim durch die Nacht. "Lass sie doch denken / wir wären verrückt", mag da aber kaum verwundern, denn die Gute muss ja fast meschugge sein, um bei diesem Sound nicht einzuschlafen und von Reims glitschiger Lederjacke abzurutschen. Reim erzählt den Medien zum Prozess um "Zeppelin", dass er sein Haus ausmistete und dies der Startschuss fürs Album gewesen sei. Im Studio ausmisten sei aber eh Teil seiner Routine vor einem neuen Album, schließlich brauche er Platz für neue Instrumente. Seine Songwriterschar scheint diese Instrumente jedoch nicht vorgesehen zu haben, oder Eigenproduzent Reim kam mit den Kabeln zum Mischboard durcheinander, denn hier ist absolut nichts Neues zu hören.
Eine von Reims Stärken war der Einbau seiner Gitarre, die auf "Dieses Herz" schmerzhaft für eine Billoproduktion von Justin Balk abgewürgt wird, der sich für seine gescheiterte Karriere mit Cucumber Men scheinbar mit solchen Totalausfällen an den Ohren der Nation rächen will. Diese wiederum sind dem Hauptproduzenten Alex Olivari bekanntlich extrem wichtig, sein weinerliches Liedgut eignet sich als abschreckendes Beispiel, wer Kindern das Gitarrenlernen vergrätzen mag. Warum der kommerziell nach wie vor erfolgreiche Reim mit solchen C-Gesellen kooperiert, bleibt sein Geheimnis - vielleicht waren sie ja wenigstens billig.
Das soll Reim nicht von Verantwortung für diesen Quatsch freisprechen; er sichert sich meist Co-Songwriter-Credits über seine Produzentenrolle hinaus. "Ich Geb Alles" ist eines der zahlreichen Beispiele, wie ein einigermaßen solider Ansatz durch Zuckerguss und Repetition so gründlich ersoffen wird, dass sich alles nach Wasserleiche anhört. Der Titeltrack, "Dein Kuss", "Radio" und "Das Gute Von Morgen" bilden mit "Zurück" eine ganze Strecke aus unendlich fadem Mid-Tempo-Schunkel-Schlager, dessen Ecken und Kanten, so es sie je gab, gründlich abgebimst wurden. Songs wie ein leichter Wind, völlig geruchslos, genau auf Raumtemperatur. War da was? Oder bin ich auf der Couch eingenickt?
Das würde einem bei "Pech & Schwefel" mit Finch und "Geburtstag", dem einzigen Song auf "Zeppelin", den Reim alleine schrieb, nicht passieren. Der erste ein Song, der sich halt wie so ein Finch-Feature anhört, was ja eh fast schon ein eigenes Subgenre des Schlagers geworden ist. Das Geburtstagslied ist kein Schlager, sondern Singsang und zumindest ein Anfangsverdacht für die Notwendigkeit eines Check-Ups des Stockachers beim Onkel Doktor.
Wie es besser ginge, zeigen "Nie Genug" und "Unten Durch", die zumindest ansatzweise Dynamik entfalten. "Nachts" ist unter der Ägide von Benjamin Brümmel vernünftiger, catchy Schlager und zeigt, welches Level erreicht werden könnte. Das schafft "Wenn Ich Die Augen Schließe" auch, Connie Andreszka (nein, die Verlinkung ist nicht falsch) zeichnet hierfür verantwortlich. Ansonsten ist es schlicht traurig, dass Reim nach 20 Studioalben so dermaßen darauf angewiesen ist, wer ihm den Song schreibt und dass seine Auswahl der Partner meistens daneben geht.
7 Kommentare mit 4 Antworten
Meint der das ernst, so ne Scheisse hab ich ja noch nie gehört.
Sei nicht so Hellish: Der Wendler würde gern einmal in seinem Leben ein solches Album-Highlight produzieren.
Endlich mal wieder richtig gute, handgemachte Rockmusik.
authentisch, jung & dynamisch.
rechtsanwälte.
Hat zwar nichts miteinander zu tun, aber ich finde es schade, dass wir zwar immer und immer wieder neue MR-Alben bekommen, aber keine dritte Staffel von Mindhunter.
Aber Beinchen wie ein Model.
Meddl Loide! Wo andere aufhören, da fängt Reim erst an …
Warum belästigt man uns überhaupt mit Kritiken über die Machwerke derartiger "Künstler"? Wer es halt hören will, soll das tun - mir reicht es zu wissen, dass der Mist ein Publikum hat, will aber in keinster Weise daran teil haben...
ich zb finde es lustig zu lesen