laut.de-Kritik

Das Punkrock-Äquivalent zu "Atemlos"!

Review von

Es fällt leicht, Montreal doof zu finden: "Platte Texte, langweilige Riffs, zu viele Ahhhs und Ohhhs, furchtbarer zweistimmiger Gesang", rufen die Kritiker. Nullachtfünfzehn-Punkrock eben. Auf Deutsch auch noch, das dürfen wir laut.de-Autoren sowieso nicht gut finden. Bass, Gitarre, Schlagzeug. Was soll man dazu noch sagen, was Deborah Katona in ihrer Review zu einem der Vorgänger nicht schon erwähnt hatte? Viel schwieriger ist es da doch, Montreal gut zu finden! Weil ich bekanntlich ein ziemlich harter Hund bin, will ich das mal probieren.

Zum Beispiel die Texte. Ja, gut: Ein Lied ("Auf Der Faulen Haut") drauf aufzubauen, das Verb "liegen" in alle möglichen Bedeutungshorizonte zu zerlegen und die dann aufzuzählen, mag nicht das Kreativste der Welt sein. Lustig ist aber schon, wie viel den Jungs dazu einfällt. "Studenten liegen gern mal ihren Eltern auf der Tasche, denen liegt im Magen schwer die Taschenliegermasche." Kann man schon mal machen, hätte mein Gitarrenlehrer gesagt.

Mit viel Ironie, guter Laune und penetrantem Augenzwinkern (damit jeder die Ironie auch versteht) nehmen sich Montreal Traummänner, zerbrochene Herzen und Band-Reunions vor. "Danke, dass ihr zurück seid / mit dem acht-wichtigsten Comeback dieses Jahres", zwinker-zwinker. Was gibts noch? Das Punkrock-Äquivalent zu "Atemlos"! Wenn meine Nachbarin lieber "Tag Zur Nacht" statt des unsäglichen Dauergedröhnes der blonden Trulla hören würde, wäre ich sehr dankbar.

Das ist doch schon was! Ist ja gar nicht so schwer, Montreal etwas abgewinnen zu können. Zumal sie dem ach so ernsten Genre Punkrock endlich mal ein wenig Spaß beibringen. Die Welt ist schlecht? Ach, hör' doch auf!

Den Gesang der Montreal-Sänger als gelangweilt zu bezeichnen, erscheint mir etwas zu gehässig. Wobei ich auch zugeben muss, dass mir leidenschaftliche und authentische Sänger unheimlich sind. Dann doch lieber schön bodenständig wie hier. Ich sag' immer: Hauptsache den Ton halten können. Die Melodien erinnern zwar manchmal an Kinderkassetten ("Wie Der Erste Mensch"), aber so kann ich Montreal wenigstens zusammen mit meinen Neffen anhören.

Wer die Prinzen mochte, wird "Sonic Ballroom" sowieso lieben. So oft, wie die Montrealer Ah, Oh, Woah, Woho, Wiui und Hua singen, könnten sie eigentlich auch ihre Instrumente weglassen und als A-Capella-Band weitermachen. Dann würde auch der zweistimmige Gesang noch besser rauskommen, der in jedem Lied irgendwo eingebaut wird. Wenn etwas funktioniert, soll man schließlich nicht damit sparen. Und wer so schön hoch singen kann, sollte das auch nicht verheimlichen.

Zum Schluss noch zwei Sätze zu den Riffs: Es ist halt Funpunk, catchy bis zum Anschlag. Das haben die Ärzte auch schon wesentlich schlechter hingekriegt.

Puh. Eine Montreal-Kritik ohne ein (unnötig) böses Wort zu verlieren. Hat gar nicht weh getan. Ehrlich. Probierts mal, diese Ohrwürmer setzen sich richtig fest. Und überhaupt: Montreal muss man eigentlich live erleben. Zwinker-zwinker.

Trackliste

  1. 1. Zucker Für Die Affen
  2. 2. Vorbestimmung
  3. 3. Tag Zur Nacht
  4. 4. Was Wir Haben
  5. 5. Wie Der Erste Mensch
  6. 6. Auf Der Faulen Haut
  7. 7. Plädoyer Für's Bleiben
  8. 8. Alles Wird Schlimmer
  9. 9. Schwiegersohn Der Herzen
  10. 10. Was Du Suchst
  11. 11. Mein Reisepass Und Du

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