laut.de-Kritik
Die 60er Jahre musikalisch neu zusammen gefügt.
Review von Giuliano BenassiWill man wissen, mit wem man es hier zu tun hat, hilft das Info-Blatt des Labels nicht unbedingt weiter: "Zweites Album einer fünfköpfigen Band aus Kentucky ... Durchschnittsalter 21 Jahre ... in Holland berühmter als zuhause ...". Das etwas apokalyptisch wirkende Cover ist dabei genauso schwer zu entschlüsseln wie der Anfang des ersten Liedes. Der Titelsong ist mit seinem immer bedrohlicher wirkenden Gitarrenwummern Yngwie Malmsteens "Marching Out" nicht unähnlich. Erst wenn eine akustische Gitarre und die hohe, hallangereicherte Stimme eines Sängers ertönen, weiß man, dass es wohl eher folkig zugehen wird.
Aha. Also wieder eine jener 'New Folk'-Bands wie Turin Brakes, die in letzter Zeit verstärkt auf den Markt treten und auf (den ruhigen) Neil Young, Nick Drake und wahlweise Tim oder Jeff Buckley als Vorbilder verweisen. Deren Einfluss ist auch bei My Morning Jacket nicht zu überhören, allerdings in einer Zusammensetzung, die Interesse weckt.
Sänger Jim James besitzt eine hohe, recht mächtige Stimme, die durch Halleffekte und Verzerrungen angereichert wird, und eine Band, die sie gut, stellenweise sogar dissonant trägt. Das Schlagzeug ist wuchtig, die Folk- und E-Gitarren zwar eher begleitend, aber trotzdem im Vordergrund, eine Orgel tritt ab und an auch in Erscheinung.
Das Ergebnis ist ein Klanggefüge, das Phil Spector in seiner "Wall Of Sound"-Phase sicherlich gefallen hätte: akustisch, aber hart, direkt, Aufmerksamkeit erregend. Textuell bewegen sich die Lieder zwischen etwas naiven Kampferklärungen ("Sie sagen zu dir, 'dein ganzes Leben ist unanständig, vergiss die Schlagzeilen, vergiss deine Träume!' Doch dann hebe ich mein Messer und ihr Leben endet, während meines wieder beginnt!"), Liebesliedern und existentiellen Zweifeln, mal tatsächlich in Neil Young-Manier, mal von den Beach Boys inspiriert, mal an The Who oder Led Zeppelin angelehnt. Ironie findet auch ihren Platz, so bei dem eher ernsthaften "Death Is The Easy Way" (Der Tod ist der einfachere Weg), dessen Titel auf der CD-Rückseite aber "Death Is My Sleezy Pay" (Der Tod ist mein Scheißlohn) lautet.
Einer der schönsten Momente ist "The Way That He Sings," eine Hommage an den Beruf des Songwriters und (meiner Vemutung nach) an Jeff Buckley. "It's the way that he sings, not the words that he says, nor the band" (es ist die Art und Weise, wie er singt, weder die Worte, noch die Band), die die Magie eines Musikers ausmachen, lautet das Fazit am Ende des Liedes, das auf "My Morning Jacket" auch zutrifft und der Band, trotz ihres jungen Alters, erstaunliche Reife bescheinigt. Es bleibt ihr zu wünschen, dass sie mit "At Dawn" auch in ihrer Heimat und über die Grenzen Hollands hinaus Fuß fassen können.
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