laut.de-Kritik
Ungestümer Rock mit Funk-, Soul- und Countryanleihen.
Review von Martin LeuteDieses aus Kentucky stammende Quintett verlangt seinen Fans einiges ab. Avancierten My Morning Jacket mit ihren ersten ungestümem Alben zu einer der großen Bands des Alternative Rock, stellte sie ihre Fangemeinde mit Reggae- und Soulelementen auf dem Album "Z" (2005) erstmals auf die Probe.
Mit "Evil Urges", das nach eigenen Aussagen das Thema der moralischen Verwirrungen ins Zentrum rückt, erweisen sich die Jungs nun wieder als äußerst wandlungsfähig und versuchen sich am Pop-Eklektizismus. Der Titeltrack "Evil Urges" eröffnet das Album und überrascht mit dem Falsettgesang des Sängers Jim James, der an Prince erinnert; eingerahmt von schrägen Gitarrenlinien, Drums und Synthieflächen.
Klingt wie R'n'B mit Funkanleihen im lockeren Psychedelia-Gewand, der sich im großartig schrägen "Highly Suspicious" noch mal mit derbem, eingängigen Gitarrenriff und Schlagzeugbeat und monotonem Backgroundchor enorm spannungsreich zuspitzt. Im weiteren Verlauf intoniert James die Lieder dann mit seiner natürlichen Gesangsstimme. Wäre auf Dauer auch zu viel gewesen.
Während "I'm Amazed" und "Two Halves" mit melodischem Countryrock eine ganz andere Richtung einschlagen, widmet sich die Band in "Thank You Too" mit süßlichem Marvin Gaye-Refrain dem soften Soul. Der fast zärtliche Countrysoul mit Frauenchor wird in "Sec Walkin'" und "Look At You" von Lap Steel-Arrangements zusammengehalten, die gezupfte Gitarre strukturiert das folkige, melancholische "Librarian", das eine imaginierte Beziehung zu einer Bibliothekarin abgehandelt.
So vielfältig ihr Sound sich gestaltet, die Geradlinigkeit der Melodien und die weitgehend klaren, wenn auch raffinierten und flächigen Arrangements warten außer in den ersten Tracks mit erstaunlich flüssigen Harmonien auf. Wer denn auf kernige und zügellose Gitarren wartet, muss sich bis zur Stadionrocknummer "Aluminum Park" mit treibendem Gitarrensolo und "Reminants" gedulden, das mit jener unruhigen Instrumentierung gefällt, mit der sich die Band einst ihre Fans gemacht hat.
Der zweite Song "Touch Me I'm Going To Scream Part 1" war schon ein sanft psychedelischer Höhepunkt mit schwebender Melodielinie, das sich daran anschließende achtminütige "Touch Me... Part 2" bildet dann mit sanftem Keyboardarrangement und markantem Bass den wunderbaren Abschluss. My Morning Jacket erweisen sich erneut als souveräne Popkonstrukteure, deren Zügellosigkeit sich diesmal mehr auf die unterschiedlichen Stile der Songs bezieht als auf ungestüme Arrangements innerhalb der Lieder.
Bei "Evil Urges" handelt es sich um das abwechslungsreichste und reifste Album dieser Band, deren Individualität und Konzept darin liegt, sich musikalisch nicht einschränken zu wollen.
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