14. Februar 2009

"Wir erkunden musikalische Galaxien"

Interview geführt von

Schon die Feature-Liste raubt einem den Atem: Von Tom Waits und RZA über Santogold, M.I.A., Nina Persson, Kanye West und David Byrne bis hin zu John Frusciante und Lykke Li reicht das Line-Up, das zwei in Europa bisher kaum bekannte DJs für ihr erstes Album "The Spirit Of Apollo" unter dem Namen N.A.S.A. zusammengebracht haben.Sam Spiegel alias Squeak E. Clean hat sich bisher vor allem als Produzent (Yeah Yeah Yeahs) und als Komponist von Werbemusik hervorgetan. Darüber hinaus ist er der Bruder des Filmemachers Spike Jonze. Der ehemalige Skateboarder DJ Zegon (Ze Gonzales) aus Brasilien versteht sich wiederum auf die Fusion traditioneller brasilianischer Beats mit HipHop. Zegon hat unter anderem mit Mario C. (Beastie Boys) zusammengearbeitet.

Laut.de trifft die Masterminds des Projekts im Backstage des Scala, einem Club an der Berliner Friedrichstraße. Ganz Oldschool-Gangsta trägt DJ Zegon nur den obersten Knopf seines Hemdes geschlossen, dazu passend eine Stüssy-Wollkappe. Auch Squeak E. gibt mit schräg sitzender L.A.-Raiders-Cap ganz den Rapper. Trotzdem keinerlei Allüren: Die beiden sind völlig entspannt, wenn auch angeschlagen.

Zegon kämpft mit einer schweren Grippe, auf das Wetter in Europa war er nicht vorbereitet. Am Vorabend haben N.A.S.A. sich in London vorgestellt. Als die beiden jedoch später um fast drei Uhr morgens in orangenen Raumfahrtanzügen das DJ-Pult des Scala entern, ist von Erschöpfung nichts zu spüren. Von den namhaften Features ist leider keiner dabei.

Wie habt Ihr es nur geschafft, so unterschiedliche Künstler wie Tom Waits, RZA, Santogold oder David Byrne für das Projekt zu begeistern?

Squeak E. Clean: Wir haben einen sehr breiten Geschmack und haben einfach Leute gefragt, die wir beide als Künstler lieben.

DJ Zegon: Das Wort "unmöglich" gibt's für uns nicht. Sechs Jahre haben wir uns damit beschäftigt: Es gab einige Absagen, viele Zusagen. Viel Warterei, während der nichts passierte.

Vor sechs Jahren schon hattet Ihr die Idee?

Squeak E. Clean: Vor fünfeinhalb Jahren haben wir den ersten Track gemacht.

Künstler wie Kanye West haben sicher einen extrem vollen Terminkalender?

DJ Zegon: Kanye war schwer zu bekommen, aber Sam hatte schon zuvor mit ihm gearbeitet.

Was hast Du mit ihm gemacht?

Squeak E. Clean: Ich hab bei seiner letzten Welttour mit ihm zusammengearbeitet. Die Tour, wo er wie Luke Skywalker angezogen war.

Und wie seid Ihr an Tom Waits rangekommen?

Squeak E. Clean: Wir haben ihn über sein Management kontaktiert und ihm den Track geschickt, auf dem wir schon Kool Keith hatten. Tom ist eine abenteuerlustige Seele. Er macht Musik auf seine ganz eigene Art, hat immer die Kontrolle über alles. Beispielsweise spielt er immer Klavier wenn er singt, auch als er für uns gesungen hat, dann fühlt er sich wohler. Es ist einfach sehr mutig von jemandem wie ihm, der aus einer ganzen anderen Welt kommt, bei sowas mitzumachen. Aber es passt zum Geist der Platte, bei der es ja darum ging, aus sich selbst herauszutreten, Neues zu erforschen.

Kannte Tom Waits die anderen Künstler überhaupt?

Squeak E. Clean: Ich denke, dass er einige kannte. Wir haben es bei ihm wie bei allen anderen gemacht: Jeder hat einen Brief bekommen, inklusive des N.A.S.A.-Manifests, das man auch im Intro zur Platte hört. Wo die Idee des Ganzen erklärt wird. Dann haben wir allen gesagt, wer noch dabei ist und warum wir denken, dass die Person, der wir schreiben, reinpasst.

Ihr hattet einen fast fertigen Song und habt dann jemand wie RZA gefragt?

Squeak E. Clean: Genau. RZA meinte nur: "Das ist genau mein Shit."

Kurz vor ODBs Tod aufgenommen

Hatte RZA auch die Idee, Ol' Dirty Bastard zu featuren?

DJ Zegon: ODB hatten wir schon vorher aufgenommen.

Squeak E. Clean: Wir haben das ein paar Wochen vor ODBs Tod aufgenommen. Es war einer der ersten Tracks der Platte, der auch das Konzept mitgeprägt hat: Leute aus verschiedenen Welten zusammenbringen.

Ihr habt das tatsächlich noch mit Ol' Dirty Bastard aufgenommen?

Squeak E. Clean: Wir wollten uns mit ihm in New York zu einer Studio-Session treffen. Er ist dann aber zu dem Treffen nicht erschienen. Auch zum zweiten Treffen kam er nicht. Doch während wir noch im Studio waren, hat er uns eine Strophe geschickt. Ich hatte eh erwartet, dass er nicht erscheint. Er war halt Ol' Dirty Bastard. Leider konnten wir so nicht mit ihm rumhängen.

DJ Zegon: Trotzdem ist sein Part auf der Platte mehr als nur irgendein "Lost Tape" von Tupac. ODB hat das extra für uns gemacht!

Squeak E. Clean: Als wir neulich RZA trafen, meinte ich zu ihm: "Ich glaube, wir haben die letzte Aufnahme von ODB." Da meinte er: "Nein, die habe ich ..."

Das Treffen mit George Clinton soll etwas ganz Besonderes gewesen sein.

Squeak E. Clean: George ist eine wunderbare Person. Obwohl er eine Legende ist, ist er immer offen für Ratschläge. Wir haben einen Song zusammen mit ihm geschrieben. Das war ein Geben und ein Nehmen. Und ich kann nur sagen, dass die Session sehr bewusstseinserweiternd war. (grinst) George saß sechs Stunden in der Aufnahmekabine ohne sich zu bewegen, bis der Song fertig war.

Die Idee der Platte wird auch durch euch selbst symbolisiert, schließlich kommt ihr aus verschiedenen Welten, der eine aus den USA, der andere aus Südamerika.

Squeak E. Clean: Zuerst war der Name N.A.S.A. da, was für "North America/South America" steht, und dann die Idee, Welten zusammenzuführen und auch musikalisch völlig offen zu sein. HipHop ist schließlich auch ein Amalgam aus allen möglichen Arten von Musik. Zudem stehen wir beide total auf Weltraum-Programme und haben das Gefühl, dass das Ganze noch eine tiefere Bedeutung hat.

DJ Zegon: Für uns war die Platte eine Herausforderung wie eine Weltraummission. Wir mögen einfach Science-Fiction.

Squeak E. Clean: So wie es beim Space Program darum geht, gemeinsam als menschliche Rasse aufzubrechen, so ging es auch uns um die verbindenden Aspekte. Nicht um Rasse oder Politik.

Ihr habt Euch gefühlt wie auf einem Trip zu einem fernen Planeten?

Squeak E. Clean: So ungefähr. Wir erkunden musikalische Galaxien.

Trotz des Party-Feelings hat die Platte auch etwas Politisches. Im Song "Money" geht es darum, dass Geld die Wurzel allen Übels ist.

Squeak E. Clean: Auch wenn es nicht direkt um Politik geht, kann man es so verstehen. Auf jeden Fall ist es spirituell. Und ein Song wie "Money" ist vor dem Hintergrund der Finanzkrise, die passierte, kurz nachdem der Song fertig war, schon ein politisches Statement.

Das animierte Video zum Track ist beeindruckend.

Squeak E. Clean: Wir haben zu jedem Song von einem anderen Künstler ein Video machen lassen.

Was sind das für Künstler?

Squeak E. Clean: Viele Street Artists.

Graffitikünstler?

Squeak E. Clean: Auch.

Vermisst ihr den Old School-Gedanken von HipHop, Graffiti und Breakdance als wichtige Komponenten?

DJ Zegon: Ich vermisse das Verbinden verschiedener Künste.

Bewusstseinserweiterung mit George Clinton

Seid Ihr besonders stolz, HipHop-Ikonen wie KRS-One und Chuck D dabei zu haben?

DJ Zegon: Mich hat das echt berührt. Chuck D und Public Enemy waren einer der Gründe, warum ich mit Musik angefangen habe. Das Album "It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back" war für mich sehr wichtig.

Würden denn Chuck D und KRS-One euer Album politisch nennen?

Squeak E. Clean: Chuck D auf jeden Fall. Er findet aber auch hinter jeder Sache eine politische Bedeutung.

Ist auch ein brasilianischer Künstler dabei?

DJ Zegon: Die Leute fragen immer nach den brasilianischen Künstlern, dabei bin ich selbst Brasilianer. Und ein Großteil der Einflüsse kommt von brasilianischen Platten der 60er und 70er Jahre.

Squeak E. Clean: Mit Seu Jorge und DJ Babão sind ja brasilianische Künstler dabei.

Ein wichtiger Einfluss war brasilianischer Funk und Soul?

DJ Zegon: Auch die Soundtracks von brasilianischen Seifenopern der 70er.

Einige Samples erinnern mich an die Kung-Fu-Einspieler des Wu-Tang Clans.

Squeak E. Clean: Wir haben eher Samples von offiziellen Nasa-Filmen benutzt.

Wie habt ihr so hochkarätige Features finanzieren können? Haben alle unentgeltlich gearbeitet?

Squeak E. Clean: Nur einige. Die Platte wurde vor allem durch meine Werbejingle-Firma finanziert. Zwischendurch mussten wir warten, bis wieder Geld durch neue Aufträge reinkam. Erst als die Platte fertig war, sind wir zum Label gegangen.

Ihr seid bei Anti, einem kleinen Indie. Seht Ihr "The Spirit Of Apollo" als nicht-kommerzielles Projekt?

Squeak E. Clean: Ich möchte auf jeden Fall, dass so viele Leute wie möglich die Platte hören! Ich habe schließlich ein Fünftel meines Lebens mit dem Projekt verbracht.

Was kommt nach "Apollo"?

Squeak E. Clean: Ein Remixalbum. Und Zegon ist jetzt auch in der Porno-Industrie tätig ... (beide lachen)

Plant Ihr Live-Gigs mit den Gastkünstlern?

DJ Zegon: Wir haben schon Shows gemacht mit Spank Rock und Ras Congo. Und wir planen etwas Spezielles für ein Festival in den USA.

Wird es eine Tour durch Europa geben?

Squeak E. Clean: Wir werden wohl im Juni und August wieder hier sein.

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