laut.de-Kritik

Dagegen wirken Slayer wie Teletubbies.

Review von

Es gibt einige festgefahrene Genre-Konventionen, bei denen man sich schon manchmal fragt, wieso sie existieren. Wieso haben sie im Schlager bis heute nicht verstanden, was das Wort 'Consent' bedeutet, wer hat der deutschen Popmusik eigentlich verboten, Spaß zu haben, und wieso darf der durchschnittliche Grindcore-Song nicht länger durchhalten als Friedrich Merz im Bett. Diese Fragen gilt es heute nicht zu klären. Jedoch haben wir letzterer zu verdanken, dass uns nach acht Jahren Sendepause auf einem neuen Nails-Album ganze 17 Minuten neues Material erwartet, also quasi zwei volle Minuten für jedes Jahr, in dem sich die Gitarren-Metzger rar machten.

Sicherlich ist das auf dem Papier ein wenig dürftig, aber wer Nails kennt, der weiß auch, das diese Minuten im Grund völlig ausreichen, um einem einzuhämmern, dass ihr Mission Statement, einem so knapp und doch intensiv wie möglich musikalisch die Fresse zu polieren, weiterhin besteht. "Every Bridge Burning" spart sich die großen Gesten, das Bravado, das oft mit einem so lang herbeigesehnten Comeback einhergeht, und tritt einem stattdessen ohne Vorstellung und mit Anlauf die Birne zu Brei.

"Constrained to this shit system / Solely against my will": Nails haben in acht Jahren kein My ihres Hasses auf alles und jeden verloren. Es braucht keine Minute, bis einem der erste Breakdown um die Ohren fliegt und man sich wieder wie zuhause fühlt. Die zweite Platte der Amis unter Nuclear Blast serviert mit seinen öffnenden drei Tracks in vier Minuten altbewährte Kost. Unnachgiebige Riffs, die sich wie Kreissägen durch die Ohrmuschel bohren, die mitunter animalischsten Vocals jenseits des Krümelmonsters und hyperaktives Drumming, das jeglichen Herzschrittmacher überflüssig macht. Diese Musik fühlt sich so an, als würde man so lange und so fest auf eine Eisenstange beißen, bis einem die Zähne ausfallen. Das ist ein Kompliment.

Im weiteren Verlauf der LP schlagen die Kalifornier allerdings durchaus ein paar kleinere Haken. Die Inklusion von Converges Kurt Ballou seitens der Produktion führt zu mehr Einflüssen aus Metalcore und Death Metal. "Lacking The Ability To Process Empathy" etwa klingt, als hätte man "Jane Doe" so lange Testosteron gespritzt, bis es grün anläuft und zum Hulk mutiert. Am Ende stimmt die Band sogar kurz eine Slam-Riff an, ehe Todd Jones vokale Dampfwalze es wieder dem Erdboden gleich macht. "Give Me The Painkiller" schüttelt wiederum ein verdammtes Speed-Metal-Riff aus dem Ärmel und gibt dem Genre ein Level an Dringlichkeit und Aggressivität, das Slayer aussehen lässt wie die Teletubbies.

Nails Songs beschleunigen von 0 auf 100 in unter einer Sekunde, nehmen den Fuß nicht einmal vom Gaspedal und crashen dann in den nächstbesten Baum. Was ihre Musik auch auf diesem Album wieder so unwiderstehlich macht, sind die Momente, in denen sie zur Schaltung greifen. Selbst kürzere Songs wie "Dehumanzied" oder "Made Up In Your Mind" packen ihre 60 Sekunden langen musikalischen Anschlag so voll mit kleinen Kniffen, dass es auch wirklich lohnt hinzuhören und sich nicht einfach nur plump davon erschlagen zu lassen. Hier schneidet auf einmal ein neues Riff für ein paar Sekunden durch das Klangbild, da geraten die Drums kurz ins Stolpern, ein einer Sekunde schreit Jones mit Blastbeats um die Wette, in der nächsten verfällt er in Hardcore-Shouts über Groove-Riffs, und alles geht so schnell, dass man es verpasst, wenn man auch nur blinzelt.

In altbewährter Tradition sparen sich Nails den dicksten Brecher bis zum Ende auf. "No More Rivers To Cross" schaltet vom Vollsprint runter in einen bedrohlichen Stechschritt und zieht, was von der Ohrmuschel noch übrig ist, grobmotorisch über den Schleifstein. Der Song kommt als ein einziger langgezogener Breakdown daher, der immer mehr an Tempo verliert und die letzten Meter aus der Hölle dieses Album auf seinen Knien zurücklegt.

"Every Bridge Burning" bleibt am Ende des Tages wieder ein erwartbares Nails-Album. Es hat ein paar neue Tricks im Ärmel, klingt ein wenig polierter, aber wer eines ihrer vorherigen Alben gehört hat, der weiß, was einen hier erwartet. Normalerweise schwingt bei so einem Statement immer auch ein weinendes Auge mit, aber wer schon mit seinem Debüt die Messlatte für ein gesamtes Genre in den Häcksler schmiss, der findet in den Spänen auch Jahre später noch genug Brennmaterial um es erneut in Brand zu stecken. Und auf "Every Bridge Burning" brennt der Grindcore lichterloh.

Trackliste

  1. 1. Imposing Will
  2. 2. Punishment Map
  3. 3. Every Bridge Burning
  4. 4. Give Me The Painkiller
  5. 5. Lacking The Ability To Process Empathy
  6. 6. Trapped
  7. 7. Made Up In Your Mind
  8. 8. Dehumanized
  9. 9. I Can't Turn It Off
  10. 10. No More Rivers To Cross

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