laut.de-Kritik

Deutschland hat eine eigene Lykke Li.

Review von

Eine Musikertochter ist Naima Husseini. Klar, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt und sie sich ebenfalls kunstschaffend austobt. Supportshows für die Ting Tings und Kate Nash darf sie sich bereits auf die Fahne schreiben. Wie auch Mimi Müller-Westernhagen, verliert sie sich in kleinen Chansons über die liebe Liebe, nur besingt sie ihre Herzensangelegenheiten in ihrer Muttersprache deutsch.

Negativbeispiele für Deutschpop florieren in der Chartwelt zur Genüge. Beim Lesen von Songtiteln wie "Ohne Dich" oder "Du Willst Mehr" schwant also Böses. Dann aber schüttelt Naima einen der bestmöglichen Opener aus dem Ärmel und sämtliche Bedenken sind erst einmal weggefegt. Kraftvoll gesetzte Drumakzente und aufblitzende Gitarrentöne betten ihre rauchige Stimme in ein wohlklingendes Gewand. "Nur ein Wort von dir / die Maschine tanzt / alles wird zu Rhytmus / weil du ihn hören kannst." Kitschiger Schlager klingt anders.

Die Single "Au Revoir Tristesse" spielt mit elektronisch-verträumten Klängen und avanciert nicht zuletzt wegen des französischen Titels zum süßlichen, modernen Chanson, der gleichzeitig stark an die skandinavische Lykke Li erinnert. Die Support-Tour für Klee im Herbst 2011 ergibt da durchaus Sinn. Naima gefällt Paris auf Strom, ihre zurückgehaltenen Spielereien untermalen auch "Mir Fehlt Nichts", "Vermisst" und "Unterwegs".

Je weiter die Spielzeit fortschreitet, desto mutiger wird Husseini. Zwar wartet auch schon "Ohne Dich" mit wirrem Stimmengewirr im Intro auf, wandelt sich dann aber zu einem eingängigen Emanzen-Popsong. Gerade aber auf den letzten Tracks wagt sie sich immer weiter vor in verschachtelte Gebiete. "Komm Mit" lässt die Synthies jaulen und maulen, schnurren und kreischen, am Ende fordert sie die Begleitung beinahe so bestimmt ein wie die Hexe im Märchen.

So finden sich tatsächlich einige schöne Songperlen auf diesem überraschenden Pop-Album. Naima Husseini klingt mehr nach der Künstlertochter, die sie ist, als nach Retortenpop, ist mehr Dichter und Denker als eine dauergrinsende Sklavin des ZDF-Fernsehgartens. Den Stempel 'Deutschpop' möchte man ihr kaum aufdrücken, viel zu nah liegen Assoziationen zu Neo-Schlagersternchen. Eher sollte man sagen: Deutschland hat eine eigene Lykke Li gefunden.

Trackliste

  1. 1. Oben Ist Unten
  2. 2. Au Revoir Tristesse
  3. 3. Mir Fehlt Nichts
  4. 4. Ohne Dich
  5. 5. Wiedersehen
  6. 6. Du Willst Mehr
  7. 7. Vermisst
  8. 8. Ein Schritt Vor
  9. 9. Komm Mit
  10. 10. Unterwegs

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LAUT.DE-PORTRÄT Naima Husseini

Die Hamburgerin will mehr als konventionellen Deutschpop. Mit anspruchsvollen Arrangements bugsiert sie ihre Songs aus der tristen Ecke des Radio-Einerlei.

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