laut.de-Kritik
Der Soundtrack zum Roadtrip.
Review von Jan EhrhardtEs ist Samstagnachmittag irgendwo in Stuttgart. Du sitzt in einem himmelblauen 1959 Cadillac Cabrio und das neue Nasou-Mixtape steckt im nachträglich eingebauten CD-Spieler. Dein Ziel ist unklar und deine Stimmung schwankt noch zwischen Seele baumeln lassen, rhythmischem Kopfnicken zur Melodie der Natur und euphorisiertem Dauergrinsen ob der auf den Autolack knallenden Sonne. Du drehst den Schlüssel. Der Cadillac bäumt sich auf. Der Motor startet etwas stockend. Oldtimer - klar. Aber auch die EP benötigt etwas Vorlaufzeit.
Denn "Leb mein Leben so wie ich mag" wirkt wie schon einmal gehört, wie ein aufgewärmtes Stück Pizza nach einer durchzechten Clubnacht. Irgendwie kennt man es und irgendwie mag man es auch - aber irgendwie hatte man schon nach der letzten Trap-Hitsingle genug davon. Auch die schnelle Hi-Hat-Attitüde passt nicht so recht zur sanften Stimme des Stuttgarter Newcomers. Immerhin stimmt die Message mit deinen Sommergefühlen überein: Scheiß auf gestern, scheiß auf morgen. Nur heute zählt. Aber dafür richtig!
Mit "Wayooy" schaltet das Mixtape dann endlich in den metaphorischen zweiten Gang. Der Beat - produziert von Agent Dan - klingt frisch und der Text geht ins Ohr. Der Motor heult auf und deine Finger fangen vorsichtig an, auf dem Lenkrad zu trommeln: "Nasou ist wieder da, ich mach es vor, ihr macht es nach." Alles klar!
Langsam aber sicher erreichst du mit deinem Cadillac die Stuttgarter Höhenlagen. Aus den Boxen ertönt "Irgendwo was starten", der stärkste Track der EP. Wabernde Bässe, kurz angespielte Gitarrenriffs, ein klassischer Reggae-Song über die Haltlosigkeit der jungen Generation, über fehlende Identifikationsmöglichkeiten und über das zu strikte Schwarz-Weiß-Denken unserer Gesellschaft. Nasou zeigt sich an dieser Stelle weitsichtiger, als man einem Newcomer gewöhnlich zutrauen würde: Nur die Rückbesinnung auf innere Werte kann die Rettung bringen. In der Bescheidenheit liegt der Schlüssel zum Erfolg, Konkurrenzkampf und Egoismus schaden allen.
In "Früher war alles besser" findet "Roadmovie" dann auch seinen lyrischen Höhepunkt. Der Stuttgarter Fernsehturm der EP sozusagen, auf dessen Parkplatz du gerade eine Pause einlegst. Hier beweist Nassouh Nasou El Hichri eine gestandene Raptechnik und Flowgefühl, thematisch verpackt in einer Ode an die von Fernweh zerstörte Liebe. So langsam bricht also die Dunkelheit über den Talkessel herein. Schnell zurück in das Cabrio, schnell wieder auf Play gedrückt.
"Du kannst" brettert aus den Boxen, der passende Soundtrack für deinen auf den Roadtrip folgenden nächtlichen Ausflug auf die Theodor-Heuss-Straße. Lässig schwebst du in deinem Cadillac über Stuttgarts Partymeile, der linke Arm leger auf der Fahrertür abgelegt. Der Mercedes zu deiner Linken und der Porsche zu deiner Rechten heulen mit ihren Motoren. Du drehst einfach lauter. Und der Beat so: Boom Boom Tschak. Und der Text so: naja.
"Ich bin raus" schließt die EP ab. Nasou verabschiedet sich. Auch deine vier Räder sind mittlerweile in der Garage geparkt. Gerade da, wo es interessant wurde. "Aus gegebenem Anlass wollte ich Ciao sagen. Ich bin dann mal raus, Mann." Weshalb eigentlich? Wegen der obligatorischen Raucherlunge? Wegen der hohen Feinstaubbelastung?
Denn trotz einiger Schwächen bietet "Roadmovie" auch viele gute Ansätze. Musikalisches Talent hat der junge Stuttgarter jedenfalls. Bis auf "Wayooy" produzierte Nasou alle Songs selbst, einige bereits vor über einem Jahr. Die Texte sind eingängig und die Stimme geht ins Ohr. Die Voraussetzungen für den Erfolg sind da. Wenn es eben nur so einfach wäre. Denn alle Geschmäcker trifft Nasou mit seiner Musik wahrscheinlich nicht.
1 Kommentar
Er ist richtig begabt und die Musik macht gute Laune mit geilen Texten