laut.de-Kritik

Neil, dein Wille geschehe!

Review von

Das zweite Glaubensbekenntnis von Neal Morse schließt unmittelbar an seine erste Veröffentlichung "Testimony" nach dem Ausstieg bei Spock's Beard an. Der bekennende Christ spinnt sein biographisch gefärbtes Textkonzept nun weiter, das den Weg von den Niederungen zwielichtiger Spelunken zur Spitze der Neo-Prog-Bewegung nachzeichnet. Den 'musikalischen' Plot begleitet eine Sinnsuche privater Natur, die ihn schließlich – unter anderem nach der angeblich wundersamen Genesung seiner herzkranken Tochter – in die Arme des Allmächtigen treibt.

Von dessen gnädigem Willen abhängig, zieht der 50-Jährige fortan ein musikalisches Konzept nach dem anderen aus dem Hut. Jedoch verfolgt Neal Morse kein missionarisches Ziel, sondern kündet insbesondere mit seinen Tonträgern von seiner Begeisterung für den christlichen Glauben. Auch Zweifel und mögliche Beweggründe, vom Glauben abzufallen, thematisiert der charismatische Multiinstrumentalist.

Das Songwriting und der Sound von Neal Morse wirken nach zahlreichen Veröffentlichungen in den letzten Jahren wie ein vertrauter Begleiter. Der Klangkosmos bietet von Prog bis über AOR und symphonische Parts bis zu spärlicher Begleitung eine große Bandbreite an Stilen und Dynamiken. Doch Morse bleibt Morse, wie er singt und proggt. Somit findet man sich auch hier schnell zurecht.

Allerdings treten die Einflüsse von Transatlantic und Spock's Beard – zwei Kollaboration des letzten Jahres – überdeutlich zutage. Das hängt natürlich damit zusammen, dass Morse Hauptsongwriter beider Bands ist beziehungsweise war.

Vordergründig fallen jedoch insbesondere die Songstrukturen auf, die betont rockiger und rougher ausfallen. Klar bleibt Neal Morse noch weit davon entfernt, räudigen Black Metal zu keifen, aber Mike Portnoys Drumming und seine Ideen dürften hier und da für die Querverweise zu Transatlantic oder Dream Theater verantwortlich sein.

Die virtuosen Satzgesänge in "Time Changer" sind nicht nur Reminiszenz an Spock's Beard. Nein, hier wirken tatsächlich die vier verbliebenen Bandmitglieder mit und verleihen mit ihrem Timbre dem herrlich vertrackten Song das I-Tüpfelchen, das vielen Morse-Songs fehlte. Die Jubelarien für den lieben Gott, unterstützt von den Nashville Symphonikern und von höchsten 60 bpm getragen, geben der Platte die gewohnte Morsesche Schwermut ("Jesus Blood").

Die B-Seite dieses Doppelrohlings enthält drei weitere Kompositionen, die nicht mehr ins Konzept eingebunden sind. Der luftige Rocker "Absolute Beginners" mit seinen "Paperback Writer"-liken Satzgesängen, die eingängige Halbballade "Supernatural" und das überlange "Seeds of Gold", in dem Morse auf die Flitzefinger seines Namensvetters Steve Morse zurückgreift, fassen zusammen, was den 50-Jährigen seit Jahren auszeichnet.

Hoffentlich kann man die zunehmende Zusammenarbeit mit Spock's Beard als Omen sehen. Im Kollektiv und im kreativen Austausch mit anderen Musikern brilliert Morse am besten. Neal, dein Wille geschehe!

Trackliste

CD 1

  1. 1. Mercy Street
  2. 2. Overture No. 4
  3. 3. Time Changer
  4. 4. Jayda
  5. 5. Nighttime Collector
  6. 6. Time Has Come Today
  7. 7. Jesus' Blood
  8. 8. The Truth Will Set You Free
  9. 9. Change Of A Lifetime
  10. 10. Jesus Bring Me Home
  11. 11. Road Dog Blues
  12. 12. It's For You
  13. 13. Crossing Over / Mercy Street Reprise

CD 2

  1. 1. Absolute Beginner
  2. 2. Supernatural
  3. 3. Seeds Of Gold

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