laut.de-Kritik
Ein Zorn biblischen Ausmaßes in jeder einzelnen Note.
Review von Ulf KubankeKrustige Gitarren schaben sich im Opener "Beginning" wie unheilvolle Boten eines grausamen Schicksals vorwärts. Auf halbem Wege spült das eindringliche Piano mit dramatischer Geste den letzten Hoffnungsschimmer beiseite. Dann verschwindet jede Ethik in einer von Menschen gebauten Hölle aus Krieg und Zerstörung. "Hold on to the beginning!"
Das 14. Studioalbum der New Model Army macht qualitativ genau dort weiter, wo der Doppelschlag "Between Dog And Wolf"/"Between Wine And Blood" endete. Clevere Arrangements, zupackende Schnörkellosigkeit und die Glut ihrer Leidenschaft machen "Winter" zum verdienten Oberhaupt dieser Serie. Das Album ist eine scharf blickende Analyse der Mechanismen des Krieges und zeigt selbigem den gestreckten Rock-Mittelfinger.
Auf Justin Sullivans loderndes Herz kann man sich sowieso seit rund 35 Jahren blind verlassen. Der NMA-Sänger ist nicht einfach nur angepisst oder hat spießige Wutbürger-Emotionen im Bauch. Vielmehr trifft uns sein Zorn biblischen Ausmaßes aus jeder einzelnen Note. Dabei mischt er archaische Bilder finsterer Mittelalter-Zeiten mit dem Horror zeitgenössischen Elends, etwa der Flüchtlingskrise ("Die Trying"): Galgenbäume, brennende Burgen und der Tod auf dem Wasser. Als Chronist der Dämmerung allen Lichts und Philantrop erster Kajüte krönt er seine Flut wichtiger Worte mit dem auffallend zutreffenden "Eyes Get Used To The Darkness".
Die effektiven Toms bleiben ein liebevolles Detail ihres Klangbildes ("Born Feral"). "Drifts" trumpft mit einem Seegang-Rhythmus auf, der sich nach Verklingen im Kopf des Hörers weiter dreht. "Echo November" orientiert sich dagegen stark an Waverock und Postpunk.
Im Titelsong erzählt Sullivan die Story eines Fliehenden, der in klirrender Kälte versucht, seinen Häschern und Mordbrennern zu entrinnen. Mit warmer Klangfarbe kontrastiert er die Eiszeit und dreht an der Temposchraube, je mehr die Hatz sich zum Ende neigt. "Bring me the snowfall, bring me the cold wind, bring me the winter!"
Die große Leistung der Platte besteht darin, dass sie trotz der ernsten Themen kein Downer ist. Das liegt vor allem am Einfallsreichtum der Band, deren Sound und Songwriting so frisch klingt wie anno "51st State". Keine Selbstverständlichkeit.
8 Kommentare mit 5 Antworten
Wirklich sehr gut. Justin klingt tatsächlich wieder wütender und Füllermaterial gibt's erstaunlich wenig. Highlights: A Beginning, Winter, Born Feral, Devil, After Something
und Drift!
füllmaterial gab es aus meiner sicht lediglich auf der "wine & blood". die "dog & wolf" und das hier sind wahrlich erhabener stoff, finde ich.
Die Helden aus guten Zeiten können es weiterhin... Sanfte Piano und Geigen werden von wütenden Gitarren verjagt. Justin kann setzt sein einmaliges Charisma in jeden Ton seiner Stimme und lässt einen verstummt gespannt lauschen. Der Aufbau der Songs ist extrem clever und abwechslungsreich...es wabbert und knistert an jeder Ecke. Die Platte gewinnt unglaublich an Fahrt nach mehrfachem Genuss und ist absolut eines der Highlights dieses Jahr. 5/5 Punkte
haha, dass d i r das so richtig gefällt, kann ich mir denken
I c h liebe es
Hatte ich gar nicht auf dem Plan, umso schönere Überraschung. Musik wir ne Klimaanlage, man bekommt sogar bei 26°C Sonnenschein ein wohliges Frösteln
Hammer Album. Man muss schon eher die 3 schlechteren Titel erwähnen um den anderen Hämmern gerecht zu werden.
Danke für den Tip hier.Wirklich sehr lange kein NMA mehr gehört.(meine letzte war Love of the hopeless causes).Echt sehr starkes Album.Werde jetzt mal rückwärts gehen...