Platz 3: Doechii - "Alligator Bites Never Heal"
Ich hatte 'ne Weile Angst um den Saftladen und Heimat von ein paar der coolsten Rapper aller Zeiten namens Top Dawg Entertainment, weil da, SZA mal außen vor, gefühlt jahrelang nur so Ferner-Liefens wie Isaiah Rashad oder SiR netten R'n'B für den Hintergrund produziert haben, der mit der titanischen Musik meiner Jugendidole echt nicht so viel zu tun hatte. Dann droppen in einem Jahr Q, Ab-Soul und Doechii ihre Alben, und zumindest an der Westküste scheint für einen Moment die Welt wie in Ordnung.
Auch wenn ich die hochqualitativen Altherrenvibes von "Blue Lips" sehr schätze, ist "Alligator Bites Never Heal" ohne Zweifel das wildere Album. Doechii kann alles, ist bekannt, sagen alle, sollte man aber trotzdem ständig wiederholen, denn es stimmt einfach. Sie kann brüllen, sie kann schmachten, zischen oder, um mal ein ganz falsches Wort für eine Person aus Florida zu benutzen, granteln, und findet dabei immer einen effektiven Weg, den Beat zu attackieren oder zu umgarnen, je nachdem, und zwar so ziemlich jede Art von Beat.
Es ist verrückt. Außerdem ist es wunderschön, dass mit Doechii mal wieder eine etwas Hype abbekommt, die etwas zu sagen hat. Sehnsucht, Selbstzweifel, Selbstbewusstsein, der Konflikt des Ichs, das permanent auf Welttournee ist mit dem Ich, das die Rechnungen zahlen und den Kühlschrank reparieren muss, das alles findet sich hier wieder, und deswegen wirkt sie in ihrer Coolness und Virtuosität auch nie unnahbar, was künstlerisch gar nicht weiter schlimm wäre, aber so ist es eben noch eine Ecke sympathischer.
Ich stimme der Rezension des ehrenwerten Gölz insofern zu, als dass das Album diesen aufregenden Klang von noch nicht völlig ausgeschöpftem Potential hat, aber ich teile nicht unbedingt das Gefühl, dass das alles noch kerniger und definierter und fokussierter werden sollte, weil mein Bedarf an feinskulpturierter geniekultiger Männermucke nach dem Jahr des Kendrick erst einmal bis auf weiteres erfüllt ist, es war sehr schön, aber es reicht dann auch mal, besten Dank. Ich freue mich eher darauf, wie das alles bei Doechii noch ausarten wird.
P.S.: Als sie auf "Boom Bap" dieses Furzgeräusch mit der Zunge gemacht hat, war ich verliebt.
[von Kay Schier.]
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