"Von Lust kann überhaupt nicht die Rede sein": Die launigen Titanic-Kolumnen der beiden Menschenhasser, die privat eher an tagaktive Nagetiere erinnern, liegen nun in einem schönen Einband vor.

Misanthropische Gärten, Süddeutschland (rnk) - Das neue Büchlein von Ferdinand Führer und Roland Oystern handelt nicht von fiebrigen Wehrmachtphantasien, sondern sieht im roten Einband mit der geschwungenen Goldschrift sogar recht lieblich aus. Stammleser der Titanic kennen die launige Titanic-Kolumne "Kritik am Mitmensch" natürlich schon länger, aber auch der Rest der Menschheit darf nun am Menschenekel der beiden Süddeutschen partizipieren und seinen Bekanntenkreis damit erfreuen. Die Reaktion auf das Buch dürfte mehr über die Verwandtschaft als über die armen Kreaturen im Buch aussagen.

Die müssen den beißenden Spott der beiden Autoren aushalten und werden von der Illustratorin Lisbet als besonders dumpf-dreinblickende Grinsebacken dargestellt. Egal ob müffelnder Mitfahrer im Zug, Paare oder Jungemensch: der Homo sapiens sapiens wird wie die blödeste Evolutionsidee seit der Säbelzahn-Sardelle skizziert. Ein absolutes Ägernis, dass eine eh Kacksituation endgültig in den Kreis der Hölle führt.

Der berühmte Menschenfreund Sartre hätte seinen Spaß daran gehabt, aber auch Menschen ohne doofe Glubschaugen und Existenzgewimmer dürfte das herrlich übertriebe Säurebad große Freude bereiten. Gerade die Gewalt und-Mordphantasien am Schluss, in denen Arschloch-Typen das Nasenbein gebrochen wird, können die Bahnfahrt retten. Ob einem dann das hämische Lachen dann im Hals stecken bleibt, hängt wohl auch mit der Selbstreflektion des Lesers zusammen. Denn irgendwann fällt einem auf, dass Führer und Oystern praktisch jeden Typus, also auch einen selbst, in ihre Prügelorgie miteinziehen.

Die drastische Sprache sorgt dafür, dass einem der Menschenekel zunehmend ungut vorkommt. Führer & Oystern überspitzen ihre Kritik am Mitmensch so dermaßen, dass einem das selbstzufriedene Glucksen über die anderen Blöden da draußen im Halse stecken bleibt. Das Arschloch, so wird einem bewusst, sind ebenso wir Leser. Hier wird jedem Typus und jeder Altersgruppe ausgeteilt, am Schluss sogar den Autoren selber. Die scharfe Selbsterkenntnis: "Ausgezehrt vom Hunger danach, die Charakternachteile seiner zahlreichen Antagonisten in Ewigkeit zu meißeln." Die Kritik am Kritiker, der andere kritisiert, ist die schöne Fanale und Schlusspointe eines bösen Büchleins. So herrlich präzise wurde selten die Scheißigkeit von uns allen heraus gearbeitet.

Im Anschluss an meine Lektüre stellte ich den beiden noch ein paar Fragen zu dem Buch:

Meistens sind Menschen, die ihre Misanthropie beschreiben, privat ganz angenehme Typen. Wie sieht das bei euch aus?

Das Buch ist ein Freundschaftsdienst an der Menschheit. Strenggenommen das Gegenteil von Misanthropie. Privat sind wir "so putzig und bezaubernd wie Streifenhörnchen" (Stefanie Schrank).

Gab es für eure Kolumne auch Lob von Menschen, wo ihr dachtet: Nee, so habe ich das aber auch nicht gemeint?

Manche Leute loben voreilig, ohne sich in den Texten erkannt zu haben. Die müssten darin eigentlich täglich lesen, um ihren Charakter nachhaltig aufzupolieren.

Glaubt ihr wirklich an Selbstreflexion beim Leser oder macht die Kritik womöglich noch alles schlimmer?

Dazu bräuchte es Langzeitstudien. Wir hoffen, die übernimmt irgendjemand. So ein Institut oder was.

Woher kommt eure Lust an der Kritik eigentlich und gibt es da besondere Vorbilder?

Wir haben ganz normal unseren Dienst getan. Von Lust kann überhaupt nicht die Rede sein. Vorbilder gibt's auch keine.

Konntet ihr euch genug austoben, um den Kopf in so einer Art Therapie freizubekommen oder geht es noch weiter?

Ein Mitmenschbuch langt. Wichtig wäre es jetzt, den Begriff Mitmensch als Schimpfwort zu etablieren. Im Duden soll stehen, "auch als Schimpfwort gebräuchlich".

Hardcover mit Leinenbezug
64 Seiten, 14 x 16 cm, illustriert

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