Die ehemalige laut.de-Autorin verfasst in ihrem Popkultur-Roman ein Generationenporträt über Frauenfreundschaft und den täglichen Struggle in der ostdeutschen Provinz.

Chemnitz (rnk) - Woanders ist auch scheiße. Leute aus dem Ruhrpott kennen diesen Trick, oder wie schon Fraktus sangen: "In Willhelmshaven, Magdeburg, Norderstedt, Hillesheim / Da überall ... sind die zuhaus' / Warum tun die das? / Warum sind die da? / All' die armen Menschen / Warum holt sie keiner daraus?".

Weil woanders auch scheiße ist und die ehemalige laut.de- und jetzige Titanic-Autorin Paula Irmschler in ihrem Debüt "Superbusen" (Claassen Verlag, gebunden, 320 Seiten, 20 Euro) nicht die nächste Metropolen-Abkultung voran treibt, sondern Chemnitz als Ort für ihren Roman über Freundschaft auswählte. Eine schöne Beschreibung aus dem Buch bleibt besonders hängen: "Bei der Wohnungssuche fühlt man sich in dieser Stadt wie ein Superstar oder ein Influencer, um den sich Werbeträger prügeln." Die sächsische Großstadt hat laut Irmschler "die älteste Bevölkerung Deutschlands und Europa ... und was die miese Zuganbindung angeht, überbietet es Trier vielleicht noch eines Tages." Immerhin versuchen Kraftklub, die 2012 mit "Karl-Marx-Stadt" eine Ode an die Stadt verfassten, schon seit Jahren, mit dem Kosmonaut-Festival etwas aufzustellen.

Im Vordergrund von Paulas Roman steht aber keine süße Indie-Jungsband, sondern die Hauptfigur Gisela, ihre Frauenclique und die Punkband "Superbusen". Die Alltagsbeschreibungen in der ostdeutschen Großstadt verlaufen erst einmal unspektakulär, doch wie in Serien wie "Atlanta" oder "Girls" ergeben sich aus zwischenmenschlichen Geschichten und präzisen Beobachtungen der Umwelt die großen Storys.

Gisela ist keine Superheldin, der alles leicht fällt. Ihr Leben verläuft zwischen Freundschaft, Struggle mit Studium und Protesten gegen die rechte Scheiße in ihrer Stadt. Die Berliner Antifa würde ja gerne helfen, aber streitet sich lieber gleich untereinander. Die Leipziger senden immerhin ihre Szene-Stars zum Widerstand gegen Nazi-Demos, aber ansonsten verlassen sich die Figuren in "Superbusen" lieber auf ihr eigenes proaktives Handeln. Ein bisschen wie Oasis, die auf ihrem Weg aus der Gosse den Olymp bestiegen. Nur in Chemnitz, so Gisela, darf man sich zu "Don't Look Back in Anger" noch vollkommen unironisch in den Armen liegen.

Der Unterschied zu den beiden Lads: Die ganze Welt feierte ihre Musik und ihre Hymnen. Superbusen dagegen müssen sich nicht nur mit den üblichen Band-Problemen, sondern auch mit der Ignoranz des männlich geprägten Kulturbetriebs auseinander setzen.

Irmschlers Sprache ist direkt und verzichtet auf verschnörkelte Metaphern. Es sind meist Alltags-Szenen, die nichts mit überdrehtem Bigger Than Life-Shit oder größtmöglicher Coolness zu tun haben. Chemnitz wirkt roh, aber dann doch auch in seinem Gemeinschaftsgefühl herzlich und bekommt in "Superbusen" eine raue Liebeserklärung. Freundschaft und Solidarität unter Frauen steht im Mittelpunkt, denn neben lustigen Sauf-Momenten, die auch in einem Kumpel-Roman auftauchen könnten, gibt es eben auch sehr ernste Themen wie Abtreibung, Bodyshaming oder Übergriffigkeit.

Immerhin bekommen Coldplay und das wirklich schöne "Fix You" endlich ihre Reputation. Wer den Facebook-Grind von Paula Irmschler kennt, auf dem sie die britischen Soft-Rocker tatsächlich mit beeindruckender Vehemenz verteidigt, kommt doch fast auf den Gedanken, dass viel von ihr auch in die Person von Gisela mit eingeflossen ist. Die erlebt nach vielen Hindernissen und nervigen Situationen doch noch eine Art Happy End zum Schluss.

Bis dahin hätte das Buch mitunter ein paar Spannungsmomente mehr einfangen können, aber gerade die inszenierte Beiläufigkeit mancher Ereignisse spiegelt eben perfekt das Leben in der deutschen Provinz wieder. Manche sagen dazu schlichtweg Realität, und die dürften viele Menschen in Paula Irmschlers Debüt wieder erkennen.

Paula Irmschler: Superbusen*

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