(Bitte kurz noch diese Begriffe ertragen, wir reden gleich wieder über Bushido und Fler, ja?)
Jungs wie Capital Bra stammen meist aus sozial schwachen Bezirken, deren soziale Aufwärtsmobilität von vornherein nicht besonders viel hergibt. Sie sitzen meistens am falschen Ende des Kapitalismus und werden nicht nur finanziell und sozial an ihrem Platz gehalten, sondernes wird ihnen auch beigebracht, dass das Geld oder dessen Fehlen der Grund für die Gewalt sei, die ihnen begegnet. Also, in diesem Sinne soziale Gewalt (Ausgrenzung auf Job- und Wohnungsmarkt), strukturelle Gewalt (Polizei-Profiling) oder einfach nur Ächtung, Vorurteile oder klassische Diskriminierung.
Das Aufstiegs-Modell für Leute wie sie bieten nicht Studium oder die kreative Branche, sondern bestenfalls ein guter Job oder unlautere Methoden. Heißt: Sobald diese Rapper in eine Position kommen, in denen sie zu Akteuren des Kapitals werden, also plötzlich Macht haben, werden sie weiter die Strukturen anwenden, die unsere Gesellschaft ihnen über Jahrzehnte zugemutet hat. Sie werden es sogar doppelt so ungeniert machen, weil ihre "Ungebetener Gast am Reichentisch"-Mentalität mit einem besonderen Gefühl der Alienation einher geht.
In diesem Sinne sind die Gangster-Rapper in meinen Augen also Produkte einer neoliberalen Gesellschaft. Vielleicht sogar wertvolle Sichtbarmacher: Sie wenden Gewalt, Hierarchisierung und Macht-Habitus viel unverschämter an als diejenigen, die es genau so tun, aber sich gewisse Rechtfertigungsstrategien ausgedacht haben. Die meisten Menschen in Deutschland wissen, dass unser Wohlstand, besonders wenn es an die obere Mittelschicht und aufwärts geht, auf mittelschweren sozialen Ungerechtigkeiten basiert.
Deswegen lieben gerade Wohlstandskids oder Studenten (wie ya boy!) diese "kritische Musik", die Greife als Gegenentwurf platziert. Aber die etwas eklige Wahrheit im Neoliberalismus ist, dass man sich Widerstand erst einmal leisten können muss. So, wie dieser Widerstand dann instrumentalisiert wird und wo er ankommt, ist er meistens eher Teil der Rechtfertigungsstrategie der Reichen als eine wirklich authentische Graswurzelbewegung von unten. Wer hört denn Waving The Guns, Kummer oder KIZ? Bestimmt nicht mehrheitlich die Plattenbau- oder Gastarbeitersiedlungen, in denen sich soziale Ungleichheiten schon architektonisch ausdrücken.
Dieser ganze antikapitalistische Rap scheint in meinen Augen oftmals eher daran interessiert zu sein, sowieso schon privilegierten Jungs und Mädels eine Identität anzubieten, eine Ästhetik, die es ihnen erlaubt, sich selbst aus ihrer eigenen Kapitalismuskritik auszunehmen. Das ist tatsächlich der Punkt, den ich auch bei Heuter vermute: Neoliberal ist, wenn auch die Kritik am Kapitalismus vom Kapitalismus absorbiert wird.
Inhaltlich mag eine Party auf einem Uni-Festival mit Waving The Guns goldrichtig sein. Effektiv funktioniert es aber eher wie ein Che Guevara-Shirt im H&M: Der Inhalt hat seine revolutionäre Kraft, aber seine Anwendung verfremdet ihn. Die Vermarktungslogik macht die Revolution zum Konsumgut, zum Produkt für diejenigen, die sie eigentlich gar nicht brauchen und die sie zumeist auch nicht mit wirklicher Praxis unterfüttern. Darin liegt des Kapitalismus' derzeit stärkster Schutzmechanismus.
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