Ex-VIVA-Moderatorin Heike Makatsch brilliert mit ihrer Darstellung der Schauspielerin, Autorin und Sängerin Hildegard Knef.
Hamburg (art) - Im Vorfeld eine scheinbar unvereinbare Kombination: Ein Ex-Viva-Girlie verkörpert das Leben der legendären Hildegard Knef. Das kann doch einfach nicht gut gehen. Nach 132 Minuten des Streifens ist jegliches Vorurteil getilgt. Heike Makatsch präsentiert eine famose One-Woman-Show als Knef, brilliert als ausdrucksstarke, facettenreiche Schauspielerin - und nicht zuletzt auch Interpretin.
Unter der Regie von Kai Wessel ("Die Flucht") beleuchtet "Hilde" das Leben der Künstlerin vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die Mitte der sechziger Jahre - politisch angenehm unkorrekt mit jeder Menge Schwaden sich elegant kräuselnden Zigarettenrauchs garniert.
Temporeicher Filmbeginn
Als umspannender Rahmen dient dabei die Vorbereitung auf das heute legendäre erste Konzert als Sängerin in der Berliner Philharmonie 1966. In Rückblenden werden Leben und künstlerischer Werdegang der Knef fokussiert. Der Streifen legt gleich zu Beginn mächtig Tempo vor: Die Knef landet im mauergetrennten Berlin, wird von Fotografen und Presse bedrängt und feuert beim Weg ins Hotel gleich eine ganze Salve von doppelbödigen und äußerst selbstbewussten Kommentaren zu gestellten Fragen ab.
Sofort nimmt die Makatsch als Hilde gefangen, was neben ihrer darstellerischen Leistung und dem Tonfall besonders an der oft genug verblüffend ähnlichen Optik liegt.
Gute Nebendarsteller
Der Werdegang von Hildegard Knef bietet eigentlich Stoff für mehrere Leben (oder Filme), daher dient die Begrenzung auf den vorliegenden Zeitrahmen der Überschaubarkeit für den Zuschauer. Die Inszenierung lässt andererseits manchen Charakter im Verlauf von über zwei Lebens-Jahrzehnten recht wenig Raum für eine weitergehende Entwicklung in die Tiefe.
Doch trotz der dramaturgisch notwendigen Komprimierung hinterlässt das Schauspieler-Ensemble um Heike Makatsch einen positiven Eindruck. Hanns Zischler überzeugt im Part des Filmproduzenten Erich Pommer als jahrzehntelanger, väterlicher Freund. Anian Zollner verkörpert charismatisch die zwiespältige Figur des Nazis Ewald von Demandowsky, Hildes Jugend-Liebhaber.
Im Duett mit Roger Cicero
Als besonderes Bonbon taucht außerdem Deutschlands Swing-König Roger Cicero im Film auf. Er spielt in einer kleinen Nebenrolle den Musiker Ricci Blum, der Hilde in der Nachkriegszeit bei ihren künstlerischen Ambitionen unterstützt. In einem leeren Lokal im ausgebombten Berlin singen die beiden am Piano den Schlager "Irgendwo Auf Der Welt Gibt's Ein Kleines Bisschen Glück" - einer der gefühlvollsten und schönsten Momente des Films.
Das Leben der Knef ist voll von widersprüchlichen und ungewöhnlichen Begebenheiten. Dazu zählt auch die Tatsache, dass ihr erster Ehemann Kurt Hirsch ein tschechisch-stämmiger Jude ist, den sie in in der Stunde Null kennenlernt. Trystan Pütter verleiht dieser Figur eine sehr einfühlsame Note, besonders in der Szene, als Hildegard und Kurt sich lieben lernen.
Vernunft und Menschlichkeit
Er hat viele Angehörige in Auschwitz verloren, sie ist Deutsche; kann das überhaupt zusammengehen? Seine Botschaft ist Vernunft und Menschlichkeit, denn: "Du und ich - wir sind Überlebende. Beide auf unsere Weise." Als Glücksgriff erweist sich der smarte Brite Dan Stevens in der Rolle des zweiten Ehemanns David Cameron.
Skandal in der Adenauer-Ära
Tempo und Erzählfluss des Films sind gut strukturiert, auch bleibt er frei von Längen. Die rund ein Vierteljahrhundert umspannende Geschichte von Aufstieg, Fall und Wiedergeburt eines deutschen Stars bietet viel Platz für für manch pointierten Dialog und natürlich der Präsentation von Hildegard Knefs berühmt-gefürchteter Kodderschnauze, die nie einen Hehl aus ihrer augenblicklichen Verfassung macht.
Einen breiten Raum nimmt der Skandal um den Nacktauftritt im Film "Die Sünderin" von 1951 ein. Aus heutiger Sicht scheinen der damalige moralische Aufruhr und die breite Empörung nahezu unfassbar und nötigen zum amüsierten Schmunzeln.
Doch bedeutet diese Affäre eben ein ganz spezielles Spiegelbild jener Nachkriegs-Tage, das Hildegard Knef auf einer dazu einberufenen Pressekonferenz mit nur einem kurzen Statement zum Bersten bringt. Die danach folgende, scheinbare Flucht nach Hollywood macht sie zur Unperson im Heimatland, bis zu ihrem triumphalen Comeback als Sängerin.
Makatsch kein Abziehbild der Knef
Heike Makatsch spielt sich mit dieser Leistung in die erste Riege der deutschen Schauspielerinnen. Zwei Jahre lang bereitete sich die Künstlerin auf diese Rolle vor, zwölf Monate nahm sie Gesangsunterricht. Und das trägt in besonderer Weise zur Überzeugungskraft ihrer Hildegard bei, denn die eigens neu eingespielten und eingesungenen Songs verdichten die Darstellung ungemein.
Faszinierend auch, dass man der 1971 geborenen Makatsch optisch jede Altersphase abnimmt - ob als Heranwachsende in den letzten Kriegstagen oder gereifte Frau Mitte der sechziger Jahre. In den Dialogen imitiert sie nicht nur den knarzigen, rauhen Tonfall der Knef - nein, schließt man die Augen, meint man oft genug, das Original vor sich zu haben.
Heike Makatsch interpretiert ihre Hilde mit spürbarer Leidenschaft, ergänzt von persönlicher Ausstrahlung, und gibt niemals ein bloßes Abziehbild.
Die Kritik als Schwiegermutter
Natürlich lässt sich in hartherzigen Cineasten-Augen manch Makel in "Hilde" entdecken, zumal er sich nicht als tiefgründige, hinterfragende Charakterstudie versteht. Doch der Film macht an sich eine ganze Menge mehr richtig, als man im Vorfeld ob des Themas und vor allem seiner Hauptdarstellerin im Bereich etwaiger Vorurteile vermutet hätte.
Dazu passt ein klassisches Knef-Statement: "Wenn du mit der Kunst verheiratet bist, hast du die Kritik als Schwiegermutter." Zweiter Weltkrieg, das verwüstete Berlin, Wirtschaftswunder der fünfziger Jahre und die bundesdeutschen Sixties sind mit viel Sorgfalt in Sachen Sets, Ausstattung und Kostümen in Szene gesetzt. Und dann die Makatsch! Nicht nur auf der Berlinale dürfte es für diese Leistung in Zukunft rote Rosen regnen.
Bundesweiter Starttermin von "Hilde" ist der 12. März.
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