Der alterwürdige Grand Prix d'Eurovision de la Chanson, mittlerweile in Eurovision Song Contest (ESC) modernisiert, findet im Mai zum 50. Mal statt. Am Samstag entscheidet sich, wen Deutschland als Vertreter nach Kiew schickt.
Berlin (mma) - Auch der 50. Aufguss des Grand Prix-Wettbewerbs steht hierzulande im Zeichen der Castingshows. Im vergangenen März traten mit der Popstars-Band Overground und Raab-Schützling Max Mutzke noch die jeweiligen Sieger der televisuellen Popfabriken zum nationalen Vergleich an. Die zehn Konkurrenten, die übermorgen um die Fahrt nach Kiew kämpfen, wirken dagegen teilweise wie eine Loser-Runde: Sowohl die bei DSDS tränenreich ausgeschiedene Gracia, als auch das Duo Süßmilch/Matias (DSDS bzw. Deutsche Stimme 2003) scheiterten in anderen Wettbewerben vorzeitig. Wer daraus einen Qualitätsverfall für den diesjährigen Vorentscheid zum ESC folgert, scheint so falsch nicht zu liegen.
Gracia (22) gilt als Top-Anwärterin auf den Sieg in Berlin. Den Erfolg benötigt sie auch zwingend, denn es gilt, das neue Label Bros Music zu überzeugen. Gracias Nummer "Run & Hide" bietet bekannte Schlagerkost. Das zweite bekannte Gesicht in der Riege der Kontrahenten um den Popthron trägt Mia Aegerter. Die zierliche Schweizerin moderierte bis Jahresende Bravo TV und spielte bei GZSZ. Bemerkenswert: Sie hat ihren rockigen Song "Alive" selbst geschrieben und Gesang studiert. Ihre Nummer rockt für ESC-Verhältnisse energisch nach vorne. Ob ihr auf der Bühne dann auch das Wort "Shit" über die Lippen kommen wird? Man darf gespannt sein.
Die knuffigen Orange Blue aus Hamburg können gleichfalls auf den Triumph hoffen. Den meisten Zuschauern dürfte der Dauerbrenner und Serien-Jingle "She's Got That Light" aus dem Jahr 2000 noch leidlich im Gedächtnis sein, ihr Debütalbum erlangte 2001 Platinstatus. Der aktuelle Titel "A Million Teardrops" besitzt allerdings nicht die gleiche Zugwirkung wie der Durchbruchs-Hit.
Altrocker Udo Lindenbergs Zögling Ellen ten Damme verdingt sich wie viele Mitteilnehmer ebenfalls als Schauspielerin (Bang Boom Bang, Tatort). Das vom Mentor geschriebene Anti-Kriegslied "Plattgeliebt" bietet Riff-geladenen Stadionrock. Für Abwechslung im popdominierten Teilnehmerfeld sorgt der angefunkte Wettbewerbstitel "Wunderschönes Grau" von Stefan Gwildis (47). Mit seinem Altherren-Charme spricht der frühere Straßenmusiker jedoch eher das alte Grand Prix-Publikum an.
Den ersten Platz in der Kategorie "Bescheuerte Bandnamen" sichert sich schon vor dem eigentlichen Start die Allee der Kosmonauten. Die geläuterten und saitenlastigen Christen standen früher bei Herbert Grönemeyer unter Vertrag und finden ihr Heil heute in einem Gemeinschaftsprojekt mit Glaubensgeschwistern wie Xavier Naidoo und Yvonne Catterfeld. So klingt "Dein Lied" wie eine gitarrenunterfütterte Ausgabe von Xavier, bei der die Hände freudig zum Himmel gestreckt werden dürfen.
Eher unter "ferner liefen" reihen sich Schnulzensängerin Villaine (27) mit dem Stück "Adrenaline", die Baden-Württemberger Königwerq und die Murphy Brothers (immerhin 2004 schon mit Bryan Adams auf Tour) ein. Genauso wenig Erfolgsaussichten besitzen die Ex-Castingshow-Teilnehmer Nicole Süßmilch (24) und Marco Matias (29). Dass Schlageropi Ralph Siegel hier wieder als Songwriter die Finger im Spiel hatte, dürfte auch an diesem Samstag, ab 20.15 Uhr in der ARD, nicht unbedingt helfen. Gegen Langeweile spielen übrigens Ruslana (Grand Prix Gewinnerin 2004), Emma Bunton (Ex-Spice Girl) und Patricia Kaas an.
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