Zwei Abende am Stück machen die koreanischen Megastars die Mercedes-Benz Arena voll. Es ist laut, hektisch, grell und ziemlich spektakulär.
Berlin (ynk) - Mit ihrem zweiten Album "Born Pink" geht Blackpink nun das zweite Mal auf ausschweifende Welttournee. Neben BTS gehören sie zur absoluten Speerspitze des Genres, ziehen international beeindruckende Crowds und scheinen auch nach sechs Jahren Karriere nicht langsamer zu werden. Dennoch gibt es zwei Gründe zur Sorge: Immer wieder hörte man im K-Pop-Meinungskosmos Berichte, dass diese große Welt-Tourneee eher unterwältigend geraten sei.
Zahnspangen, Hasenöhrchen, Spielzeughammer
Besagter Kosmos verbreitet über Blackpink aber gerne mal Käse, weswegen es gilt, sich ein eigenes Bild zu machen. Vor Ort kommt dann schnell die andere Sorge zum Tragen: In einer der fünf Schlangen vor der Mercedes-Benz Arena stehend merke ich, dass ich mich alt fühlen werde. Mit 25 Jahren passiert mir das selten, aber durchnässt vom strömenden Regen nehme ich einen Altersdurchschnitt wahr, der gut und gerne ein Jahrzehnt darunter liegen könnte. Unter den Regenschirmen blitzen Zahnspangen und rosa Hasenöhrchen-Rucksäcke auf, nicht wenige Leute sind Schwarz-Pink gekleidet - clever! Am allermeisten sieht man aber einen pinken Spielzeughammer - ein Lightstick. Wir werden auf ihn zurückkommen.
Ich wähle eine Schlange, in der ich nicht zwischen Kindern stehe und halte mich an ein Ehepaar Ende 30. Die beiden sind Lehrer, erzählen von der Coldplay-Show im Sommer. Der Mann erklärt mir irgendwann schüchtern, er habe Blackpink wegen der "spektakulären Musikvideos" entdeckt. Ich pflichte bei, falls ihr beiden das lest: Ihr seid toll!
In der Halle angekommen, finde ich mich dann aber mit meinem Außenseiter-Status ab: Links und rechts neben mir sitzen Mädchen mit Muttizettel, hinter mir ein paar Teenager, es entsteht ein Gespräch darüber, wer wessen Bias (Anm.: das bedeutet Liebling in der Gruppe) ist. Meiner ist Lisa, der Dude hinter mir "küsst mein Herz, mashallah", weil seiner das auch sei. Ich fühle mich willkommen. Vor der Show laufen Blackpink-Musikvideos, die Halle kreischt schon bei diesem Public-Viewing ordentlich. Fällt eine englischsprachige Line, brüllt die Crowd sie mit. man bekommt Respekt: Was wird passieren wird, wenn erst die echten Frauen die Bühne betreten?
Irgendwann drehen sie dann den richtigen Ton an, in der Halle wird es dunkel und die pinken Hämmer offenbaren ihre Funktion: Die für ab 30 Euro zu erwerbenden Merchandise-Artikel werden beim Konzert durch die Luft geschwenkt und erlauben koordiniertes Leuchten. Mag sein, dass das für den ein oder anderen albern klingt, aber es sieht in der Praxis tatsächlich spektakulär aus. Es entsteht ein sich bewegender, leuchtender pinker Ozean zu Füßen der Gruppe, den sie nach Lust und Laune auch gerne mal zur Laola-Welle umfunktionieren lässt.
Rigoros jung und weiblich
Das Bühnenbild gerät imposant, Laserlight flutet den pinken Ozean, ein Bass setzt ein. Spektakulär und ästhetisch sind nun mal die Trademarks der südkoreanischen Girlgroup. Ein paar stilvolle Videos flimmern, die aussehen wie Chanel-Werbespots aus der Zukunft. Dann der Auftakt: "How You Like That?" von "The Album". Wir sind an dem Punkt, an dem ich eingestehen muss: Ich liebe diesen Song, ich liebe fast jeden ihrer Songs, und in dem Moment, in dem ihr gigantisch anklingender Stampede-Pop über die Arena-Anlage mit Lichtshow und Choreo auf die Bühne steigt, dämmert mir, dass ich einen fantastischen Abend haben werde.
Zu Beginn meint man, dass gerade Jennie und Rosé ein wenig erschöpft durch die Choreos tapsen, zumindest gibt es Momente, in denen die souverän durchgetanzten Choreos die Bühne nicht so ausfüllen, wie man es erwarten würde. Aber der Gruppe wird geholfen: Für die geballte Präsenz schüchterner Mittelstuflerinnen aus dem Einzugsgebiet Berlin ist das die John F. Kennedy-Ansprache. Selten hat man eine Crowd gehört, die so rigoros jung und weiblich klingt, normalerweise braucht es ja nur ein paar Männerstimmen, um das Klangbild einer Gruppe deutlich nach unten zu verschieben.
Und ja, es ist toll: Am Anfang wirkte es noch etwas absurd, dass in der ganzen Halle verteilt Leute anfangen, schüchtern Choreos zu tanzen oder mit sehr sanften Stimmchen die englischen Texte mitzusingen. Alles vereint, entsteht trotzdem ein ziemlich marodierender Klang-Koloss aus tausenden Kehlen. Vielleicht machen Blackpink genau so Empowerment - auf jeden Fall färbt das eisige Fashionista-Cool des Quartetts schnell auf die Crowd ab.
Inhaltsleer - mit stolzer Brust
Eine Sache, die ich über das extreme Abgehen von Songs wie "Kill This Love", "Playing With Fire" oder dem überraschend hymnischen "Pink Venom" live wertzuschätzen lerne, ist, wie unprätentiös die Musik von Blackpink geblieben ist. In Zeiten des Poptimismus der vergangenen zehn Jahre haben sich ja im Westen wie im Osten viele Artists ohne Not zu sozialen Bewegungen erklärt. Blackpink ist inhaltsleer mit stolzer Brust. Also pardon, natürlich gilt "Blackpink is the revolution", aber ihr wisst schon: Nichts in diesem Auftritt bedeutet irgendetwas, weder die Lyrics, noch die Bewegungen, noch die Solosongs, noch die meist aus Videosets geborgten, bis ins Absurde opulenten Stage-Designs. Es ist Fashion als Achterbahnfahrt. Es ist reine, stampfende, niederschmetternde Energie, Leni Riefenstahl-Pop, millimeterpräzise und gigantisch.
Auch die anfänglichen Spuren von Erschöpfung sind verflogen. Fünf Minuten darf die Menge um Zugabe kreischen, schließlich kommt Blackpink in entspannten Shirts und Casual-Look zurück auf die Bühne, schmeißen die Choreos und performen frei von der Leber weg. Ganz ehrlich? Das ist wahrscheinlich der beste Look des Abends. Nachdem "Ddu-Du-Ddu-Du" vor der Zugabe nämlich keine Steigerung ins noch Monumentalere mehr zuließ, spielen sie jetzt ein bisschen natürlicher auf. Songs wie das überraschend bewegende "Stay" und der Klassiker "As If It's Your Last" zeugen vom Charisma der Damen: Diese Frauen stehen an der Spitze der Coolness-Nahrungskette.
In Reizüberflutung vereint
Das Ding ist: Blackpink hat in sechs Jahren nicht sehr viel Musik veröffentlicht. Im Gegenzug dazu wurde jedes ihrer Releases präzise geplant. Soll heißen: Sie haben nicht viel, aber was sie haben, sind Hits. Die Setlist gerät deswegen unwahrscheinlich dicht: Quasi jeden Song nimmt die Crowd wie einen alten Klassiker auf. Die "Born Pink"-Tour ist eine Popstar-Extravaganza im klassischen Sinne: Die Superstars aus Übersee kommen, sind nicht relateable, stampfen alles in Grund und Boden, und nur die Freude an den lauten Bässen, den bunten Farben und der kurzen Weile bleibt übrig.
Da schmelzen alle Sorgen um Altersunterschiede oder die Form der Gruppe dahin. Die beiden Mädchen neben mir, die mir beide wahrscheinlich bis knapp unter die Brust reichen, und ich sind in Reizüberflutung vereint. Man müsste sich wirklich anstrengen, um hiervon nicht unterhalten zu werden.
2 Kommentare mit 5 Antworten
Volle Zustimmung!
Yannicks Existenz ist eine hervorragende Vorlage für eine Komödie /ein Drama. Der Protagonist wird mit Hinweisen für seine absolute Fehlplatzierung in Stilen, Geschmäckern, Altersgruppen, Peer Groups usw. nur so zugeschüttet - aber bleibt ihnen gegenüber konstant blind. Ein einsamer, von niemandem verstehbarer Fremdkörper, wo er nur auftaucht - aber glücklich dabei
Theo, sagst du es ihm?
Das weiß er selbst.
Ich dachte vorher schon, ich bekomme keinen Dank fur sie Vorlage. Aber dann wurde sie umso schöner verwandelt
Danke, ihr zwei! Auf laut.de bin ich sowas Ähnliches wie der Yannick der Kommentarspalten. Nur halt viiiiiiiel sympathischer dabei, logo.
doubt