Der britische Journalist Barney Hoskyns hat ein Buch über Tom Waits geschrieben, das Privates weitgehend ausklammert.

Konstanz (giu) - Mit Tom Waits verhält es sich wie mit Bob Dylan: Beide sind Meister der Täuschung und haben im Laufe ihrer Karrieren so viel Rauch um sich herum erzeugt, dass es kaum noch möglich ist, Wahrheit von Fiktion zu unterscheiden. Um ihr Privatleben haben sie eine undurchdringliche Mauer errichtet und ihre Nächsten zum Schweigen verpflichtet. So gibt es zuverlässige Informationen weder aus erster noch auch zweiter Hand.

Demnach ist die Aufgabe, die sich der britische Journalist Barney Hoskyns gestellt hat, nicht einfach. Trotz seiner Referenzen – US-Korrespondent des Magazins Mojo und Autor von Biographien über Doors und Eagles - konnte er Waits nicht für sein Buch gewinnen.

Eine Mauer des Schweigens

Engere Mitarbeiter und Freunde, die sich zunächst hilfsbereit erklärt hatten, zogen ihre Zustimmung nach Rücksprache mit Waits zurück. Unter ihnen einer, der bestimmt nicht so schnell einzuschüchtern ist: Rolling Stones-Gitarrist Keith Richards.

So blieb Hoskyns nichts anderes übrig, als sich auf die Flut von Interviews zu stürzen, die Waits im Laufe der Jahre gegeben hat, und Leute zu befragen, die sich trotz allem bereit erklärt hatten. Wie so oft waren es meist ehemalige Weggefährten, die schon lange mehr keinen Kontakt mit dem Sänger hatten und den einen oder anderen Stein aus dem Schuh schütteln wollten. Etwa der Produzent von sieben seiner ersten Alben, Bones How, und Waits langjähriger, jäh fallengelassener Mitmusiker Ralph Carney.

Akribische Beobachtungen

"Ein Leben Am Straßenrand" ist nicht nur ein Buch über Waits, sondern auch ein Zeugnis von Hoskyns' tiefer Liebe zum Sänger und seinem Schaffen. Ein beachtlicher Teil des 700 Seiten dicken Bandes machen Besprechungen der Platten aus. Akribisch hält Hoskyns fest, welcher Musiker welches Instrument beigetragen hat, in welchem Studio was entstand, wie er die einzelnen Tracks findet. Hier wandelt er auf dickem Eis.

Da, wo es auch für den Laien interessant würde, nämlich beim alltäglichen Leben, ist ihm das Eis offenbar zu dünn. Wie er schon im Vorwort festhält, sei er auch nicht ein Albert Goldman, der in seinen Biographien den Protagonisten absatzfördernd bloßstellte, allen voran John Lennon. Doch sind es gerade Skandale und Peinlichkeiten, die ein solches Buch interessant machen.

Alkohol? Drogen?

Über die sagenumwitterte Beziehung mit Rickie Lee Jones ist kaum mehr zu erfahren, als ohnehin schon bekannt war. Alkohol und Drogen kommen immer wieder zur Sprache, aber eher mit Scham. Ganz wenig erfahren wir über Waits' Ehefrau Kathleen Brennan, die seit 1983 den musikalischen Werdegang ihres Mannes entscheidend mitbestimmt. Hoskyns vermittelt den Eindruck, als wolle er es sich mit Waits und seiner nächsten Umgebung nicht verscherzen.

Dem Sänger dürfte das vollkommen egal sein. Wie letztendlich auch Dylan, mit dem ihn - wenig erstaunlich - eine Freundschaft verbindet und der von Presse und aufdringlichen Fans ebenso wenig hält.

Trotz der übermäßig subjektiven – und nur verhalten kritischen – Blickweise ist "Ein Leben Am Straßenrand" ein interessantes Buch. Auch wenn es in erster Linie an Waits-Aficionados gerichtet ist, die sich an jedem noch so kleinen Detail erfreuen. Für Einsteiger lohnt es sich erst mal, den Anhang zu betrachten. Die Mailsammlung, die Top 40 (aus Sicht des Autors) und die detaillierte Diskographie sagen kurz und bündig fast genauso viel über Waits aus wie die 600 Seiten davor.

"Tom Waits: Ein Leben am Straßenrand" ist im Heyne Verlag erschienen und kostet 24,90 EUR.

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