Kiffer-Psychedelic, Meta-Humor und Nostalgie - Element Of Crime und Fünf Sterne Deluxe im Düsseldorfer zakk.
Düsseldorf (rnk) - Gerade erst vier Jahre jung und schon fest etabliert: Das Lieblingsplatte-Festival stellt einmal im Jahr im Düsseldorfer zakk wichtige Bands der deutschen Musikgeschichte mit ihren zentralen Alben bzw. Klassikern an jeweils einem Abend in den Mittelpunkt.
Dass veritable Größen wie Element Of Crime 2019 dann gleich zweimal auftreten, war nicht unbedingt vorauszusehen. "Wir hätten Element Of Crime und Fünf Sterne Deluxe dreifach oder siebenfach ausverkaufen können", freut sich Musikchef Miguel Passarge. Wichtig sei dem von der Stadt geförderten zakk gleichwohl nicht der große Profit, sondern eine schwarze Null am Ende des Tages.
Dabei würde Miguel, der schon der 'Fem Pop'-Konzertreihe ein Zuhause bot, gerne mehr Künstlerinnen ins Festivalprogramm hieven. Das Vorhaben sei bisher meist aus organisatorischen Gründen gescheitert, mitunter auch aus "Desinteresse". Beispielsweise habe man einen feministischen Rap-Act wie Sookee im Fokus gehabt. Diese habe aber erst kürzlich ihren Rückzug aus dem Business erklärt.
Inga Humpe hält die Fahne hoch
Immerhin stand Inga Humpe mit 2raumwohnung am vergangenen Samstag auf der Bühne und begeisterte das ausverkaufte Haus mit dem Electropop-Klassiker "Kommt Zusammen". Doch auch unkommerzielle Acts wie Palais Schaumburg und Faust sind der Festivalorga wichtig. Dass an diesen Abenden tendenziell weniger Leute kämen, sei zwar schade, aber man gönne sich eben auch ein Stück Idealismus.
Dem jüngeren Publikum serviert man diesmal Die Nerven. "Ich bin mit Grunge aufgewachsen, und die transportieren für mich dieses Gefühl von damals in die Jetztzeit", schwärmt Miguel von den Stuttgartern, die ihr Album "Fun" (2014) im Gepäck haben und den Schlusspunkt eines wieder sehr erfolgreichen Lieblingsplatte Festivals setzen.
Wie Rotwein: Element Of Crime
Bereits zu Wochenbeginn hatte eine muttersprachliche Institution die Latte im zakk hoch gelegt: Element Of Crime, denen jedoch die Nemesis anhaftet, Anfang der Neunziger quasi ausschließlich mit Lieblingsplatten um sich geworfen zu haben. Wie auch immer, EOC schicken "Weißes Papier" ins Rennen. Sven Regener und Kollegen knüpfen nicht nur in Sachen Locationgröße an längst vom Rotwein fortgespülte Zeiten an: "Wir spielen das jetzt so, als wäre wieder 1993, wo wir gerade mal sechs Platten hatten".
Heißt: Viel Englischsprachiges, satte sechs Tracks von "Damals Hinterm Mond" (1991), außerdem frühe Raritäten wie der "Der Mann Vom Gericht". Ein Abend ohne "Delmenhorst" und "Am Ende", dafür mit extra viel Nostalgie und Regener-Parabeln. Angenehm aus der Routine gerissen, schwelgt dieser nicht nur in Erinnerungen an Düsseldorfer Studioaufenthalte, sondern verrät auch, welcher Albumtrack sich schon nach wenigen Wochen als "Stinker" herausstellte. Doch da niemand diese ungeheuer schlüssige Argumentation so schön vorträgt wie der "Herr Lehmann"-Autor, bleiben die Lippen an dieser Stelle versiegelt. So viel sei gesagt: Der Titeltrack selbst geht allen Beteiligten immer noch runter wie Öl.
Hip Hop? Muss sein!
Fest im Programm verankert ist der Hip Hop-Tag. Nach Torch, Stieber Twins und Ruhrpott AG führen heuer die Hamburger Haudegen Fünf Sterne Deluxe das lieb gewonnene Ritual weiter. "Die Hip Hopper sind immer entspannt und auch in der Absprache und Vorbereitung geht alles extrem unkompliziert", lobt Miguel. Er selbst war zu Zeiten der ersten großen deutschen Hip Hop-Welle noch Student in Heidelberg, und komme eigentlich aus der rockigeren Indie-Ecke. Doch örtliche Bands wie Stieber Twins hätten ihn mit Beats und Raps infiziert und seitdem ist Hip Hop die zweite Liebe des Programmchefs. Die Fünf Sterne habe er als spannende Alternative zum Conscious Rap aus der Stadt am Neckar angesehen. "Mehr Hamburg und Hip Hop geht für mich persönlich nicht."
1998 til Infinity
Tobi Tobsen, Das Bo und eine Liveband gehen es auf der Bühne auch erst mal ganz relaxt, etwas verspätet betreten sie in Laborkitteln die Bühne und eröffnen mit dem ersten Track von Sillium. Ein Album, das bereits 1998 mit spinnerter Hip Hop-Dada-Kunst und Genre-Hopping zwischen Electro und House eine ganz eigene Nische besetzte.
Tja, damals: "Ihr seid ganz schön alt geworden", stellt Das Bo im Doktorkittel fest. Sein grauer Bart lässt ebenfalls auf ein gereiftes Alter schließen. In den 21 Jahren hat sich also doch einiges getan. "Wir hatten ja damals keine Smartphones" - und die Crowd, kurz vor dem Eintritt in das Boomer-Alter, goutiert mit zustimmendem Nicken, nur um gleich darauf besagtes hassgeliebtes Gerät doch zu zücken.
Da werden Erinnerungen wach
Viel spannender gestalten sich psychedelische Vorträge wie "Schund" - Bo verlässt zu sphärischen Gitarren die Bühne und steht plötzlich oben auf der Empore. Erinnerungen an den grünen Rausch im Kinderzimmer werden wach. Auch nüchtern und viele Jahre später bleibt das einfach kunstvolle Kiffer-Psychedelic samt wunderbarem Meta-Humor.
Hat jener Rausch etwa Tobi Tobsens Alterungsprozess verlangsamt? Er sieht jedenfalls maximal wie 35 aus. Blaues Gesöff in Reagenz-Gläsern wird zwischendurch auf der Bühne verköstigt, Das Bo liefert in der Folge schräge B-Boy-Einlagen aus. Die Fans begnügen sich derweil mit Bier aus Plastikbechern, das knallt ähnlich wie das in "Dein Herz Schlägt Schneller" besungene Holsten. Genauso doll knallen mindestens DJ Coolmanns treibende Beats, die er nicht immer in der originalen Reihenfolge der Platte raushaut. Der ein oder andere Mosh ist trotzdem nicht weit.
Gleichwohl altern nicht alle Nummern gleichermaßen gut, etwa "Willst Du Mit Mir Geh'n?", das in seiner halb witzigen Dumpfheit immer noch auf einer Stufe mit "Die Da!?!"operiert. "Die Leude" und "Türlich! Türlich!" entlassen eine glückliche Menge in die Nacht: "Die geilste Party des Jahres", hört man. Jetzt aber fix zur S-Bahn. Die Kinder wachen bald auf, und die Arbeit ruft. Wir werden eben alle nicht jünger - aber für einen Abend lang haben wir es dank den Fünf Sternen fast geglaubt!
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