Von Pink Floyd bis U2: Eine neue Ausstellung feiert Bühnenarchitekt Mark Fisher. Jean-Michel Jarre begleitete als Stargast die Eröffnung in Berlin.
Berlin (mab) - U2s 360°-Klaue, Elton Johns Million Dollar Piano, Pink Floyds und Roger Waters' The Wall, die Steel Wheels-Tour der Rolling Stones – all diese ikonischen Konzertkulissen haben eines gemeinsam: Mark Fisher.
Der britische Architekt setzte mit seinen Bühnenkonstruktionen Maßstäbe in der Livemusik. Im Berliner Museum für Architekturzeichnung wird Fishers Werk nun zum ersten Mal überhaupt im Rahmen einer Ausstellung gewürdigt. Zur offiziellen Eröffnung am 10. September kam neben Fishers Witwe Cristina Garcia, die selbst an Konzept und Design von "Mark Fisher: Gezeichnete Show" mitwirkte, auch Jean-Michel Jarre.
"Viele Menschen kennen die Designs dieser Shows, doch nur wenige den Architekten dahinter", erklärt Museumsdirektorin Nadejda Bartels. "Wir sind alle vertraut damit, wie bestimmte Rockshows aussehen, weil sie so berühmt sind. Es ist wirklich schade, dass die Architekten, die diese fantastischen Performances geschaffen haben, unbekannt bleiben. Mark war einer der Stars. Deshalb ist es so wichtig, das hier zu zeigen – zu zeigen, dass auch diese Form von Architektur Architekten braucht. Viele Leute wissen gar nicht, dass all diese tollen Fernsehshows, Entertainment-Events und eben Konzerte Planung, Architekten und Stage-Designer benötigen."
Die City-Skyline als Projektionsfläche
Jarre und Fisher verband eine enge Freundschaft, seit sie besonders in den Achtzigern zahlreiche opulente Performances gemeinsam realisiert hatten. So kommt der Franzose auch gar nicht mehr aus dem Erzählen heraus, als man ihm als Ehrengast im Rahmen der Presseführung zur Ausstellung das Wort überlässt. Gut eine halbe Stunde monologisiert Jarre im Museum über seine Erfahrungen mit Fisher und erzählt Anekdoten zu den an den Wänden hängenden Zeichnungen.
So habe man in China rege Technik mit Bernardo Bertolucci getauscht, der dort zeitgleich "Der Letzte Kaiser" drehte. Das 1988 im Londoner East End veranstaltete Event Destination Docklands hätte beinahe nicht stattgefunden, weil der Produzent verpennt hatte, sich rechtzeitig die entsprechende Genehmigung beim Bezirksrat zu sichern. Fisher sei dem Herrn von Anfang an skeptisch gegenüber gestanden, erinnert Jarre. "Mein Manager meinte allerdings, er sei ein cooler Typ." Mehrere Ausstellungsstücke dokumentieren den monumentalen Auftritt, zeigen aus verschiedenen Perspektiven die schwimmende Bühne, zu Scheinwerfern umfunktionierte Helikopter und in ausladendem Triptychon, wie die gesamte City-Skyline als Projektionsfläche diente.
Sogar einige nie realisierte Showkonzepte finden sich in Jarres Abteilung des Museums. Den Entwürfen nach zu urteilen hätten sich die zugehörigen Konzerte – eines geplant für den Buckingham Palace, ein weiteres für eine Location inmitten der Wolkenkratzer Tokios – wahrscheinlich in die oben genannte Ikonenriege eingereiht. Sie zählen zu den spektakulärsten Stücken der Ausstellung.
Durchbruch mit Pink Floyd
Das zweite Stockwerk der Ausstellung steht ganz im Zeichen von Pink Floyd. Für deren Animals-Tour steuerte Fisher 1977 überdimensionale Aufblasfiguren bei, was letztlich seinen Durchbruch im Showgeschäft bedeutete. Um weitere Erfahrung zu sammeln, schlossen er und sein damaliger Ingenieurspartner Jonathan Park sich der Konzertreise als Roadies an. Das zahlte sich aus: Pink Floyd beauftragten ihn im Anschluss mit der Live-Umsetzung von "The Wall". Fisher konzipierte hierfür die sogenannte "Landschnecke", einen mobilen Veranstaltungsort, mit dem man die Show ursprünglich auch in ländliche Gegenden bringen wollte. Detaillierte Pläne veranschaulichen zudem das System, mit dem Fisher es der Band ermöglichte, die namensgebende Mauer während eines Konzerts erst nach und nach aufzubauen und schließlich zum Einsturz zu bringen. Später realisierte Fisher auch Roger Waters legendären The Wall-Auftritt am Potsdamer Platz 1990 in Berlin. Wie der Architekt später klassische Zeichnungen mit moderneren CAD- und CGI-Verfahren kombinierte, zeigen Entwürfe für Pink Floyds Division Bell-Tour 1994.
"Fisher war ein fabelhafter Zeichner, der nicht nur bewährte Techniken und Zeichenmaterialien einsetzte, sondern stets auf der Suche nach Neuem war", schwärmt Bartels. "Neben der Handzeichnung nutzte er auch digitale Medien, manche Werke stellen eine Kombination verschiedener Techniken dar. Es existieren zahlreiche Skizzenbücher, die verdeutlichen, mit welch geübter Hand er die Bühnenbilder auf dem Papier entwickelte und im nächsten Schritt in kolorierten Präsentationszeichnungen ausarbeitete, bis diese dann in gebauter Version Gestalt annahmen." Weit über 100 Skizzenbücher häuften sich über die Jahre bei Fisher an, so seine Witwe Cristina Garcia, ebenfalls Architektin. Sie seien das Fundament und Herzstück seiner Arbeit gewesen. Kurator Neil Bingham fügt hinzu: "Er arbeitete traditionell – aber auf moderne Weise." Weitere Beispiele für die Vielseitigkeit Fishers erlebt man im Museum in Form von Arbeiten für unter anderem Elton John, die Rolling Stones, Disney, die Expo '92, U2 und den Cirque du Soleil. Auch Lady Gaga, Metallica, Tina Turner und Madonna finden sich in seinem Portfolio. Eine Abteilung widmet sich seinen frühen Werken.
"Wäre ich kein Musiker geworden, wäre ich wahrscheinlich Architekt", so Jarre bei der Eröffnungszeremonie. "Es gibt eine starke Verbindung zwischen Musik und Architektur. Beide beschäftigen sich mit Raum und Zeit. Beide haben eine klare Linie zwischen Punkt A und B zum Ziel – das gilt für einen Song ebenso wie für Architektur."
Noch bis 16. Januar zu sehen
Bartels, Bingham und Axel Klausmeier, Direktor der Stiftung Berliner Mauer, vertiefen die Einblicke mit Essays im von der Tchoban Foundation herausgebrachten Ausstellungskatalog. Als zusätzliches Highlight wurden am Eröffnungswochenende als Teil des Berliner Festival Of Lights ausgewählte Werke Fishers in Bewegtbild an die Außenwand des Museums projiziert.
"Mark Fisher: Gezeichnete Show" bleibt noch bis 16. Januar 2022 in Berlin, im Gebäude der Tchoban Foundation – Museum für Architekturzeichnung am Teutoburger Platz. Tickets kosten 5 Euro, ermäßigt nur 3 Euro.
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