laut.de-Kritik
Der Herzensbrecher packt die Gitarren aus.
Review von Michael SchuhTief in ihm stecke ein Rocker, hat Nick Carter vor der Veröffentlichung seines ersten Solo-Albums oft genug getönt. Richtig ist, das jüngste Backstreet Boys-Mitglied hat sich bereits Anfang des Jahres von der Benimm-Tafel abgewendet, um sich mit Alkohol-Eskapaden und einer Nachtclub-Verhaftung erste Rockstar-Manieren anzueignen. Doch nun wird es ernst und nicht nur seine B-Boys-Kollegen stehen in nervöser Alarmbereitschaft.
Die sollten sich Nicks Album ohnehin genau anhören. Denn in gewisser Hinsicht ist "Now Or Never" das Album, das die Backstreet Boys vor zwei Jahren hätten machen sollen, um die dringend notwendige Loslösung von ihrem Weichspül-Sound voran zu treiben. Trotz der glatt polierten Produktion von Backstreet-Intimus Max Martin sind Gitarren auf Carters Solo-Debut glasklar als solche erkennbar. Anstatt wie seine Kumpels in den Urlaub zu fliegen hat Carter an immerhin fünf Songs mitgeschrieben, was ja nicht selbstverständlich ist bei seiner Vita.
Außerdem war Guy Chambers, ehemaliger Songwriter von Robbie Williams, mit im Studio. Die ersten Album-Töne kommen denn auch vom Sechssaiter. Die Single "Help Me" und "My Confession" fahren trotzdem noch in gewohnt eingängigen Pop-Gewässern, mit "I Stand For You" hängt Carter dann das Rauhbein raus. Rhythmisch los brechende Gitarren bereiten auf einen Refrain vor, der in hymnischer Bon Jovi-Mitgröhl-Stärke auffährt. Und jetzt alle: "We could live forever if we try". Jawoll!
"Girls In The USA" ist gar ein noch härterer Rockfeger, der zu "Walk This Way"-Drums und abonniertem Ohrwurm-Refrain nebenbei noch Scratches, Ragga-Toasting und vierfach gedoppelte Sprechchöre einbaut. Uff. Die peinliche lyrische Anbiederung an die ach so dollen amerikanischen Mädels zeigt dann den wahren Südstaatler und Berufs-Herzensbrecher in Carter. Stimmlich macht er seine Sache bei den rockigen Tracks recht ordentlich, während Balladen wie "Do I Have To Cry For You" eher die Vorstellung fördern, ein Milchgesicht durfte in einem teuren Studio mal auf hart machen.
Dass er dabei und an manch anderer Stelle auch noch wie Bryan Adams klingt ("Heart Without A Home"), würde Carter sicher als Kompliment empfinden. Gefällige Poprock-Schunkler wie "Miss America" hätte man ihm zugetraut. Wenn er in "Blow Your Mind" abermals dicke Gitarrenwände über einen astreinen Elektro-Groove legt, fällt es aber schwer, ihm die noch immer arg niedlichen Teenie Love-Lyrics übel zu nehmen. Rock, im Verständnis eines Boygroup-Mitglieds. Nicht mehr, nicht weniger.
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