laut.de-Kritik
NWOBHM-Inferno mit beeindruckender Hitdichte.
Review von Manuel BergerIst das noch Live-Album oder schon Werkschau? Nur zwei Alben und eine EP haben Night Demon bisher veröffentlicht, trotzdem kommt "Live Darkness" als 23 Songs starkes Doppelalbum daher. Ausgenommen drei Songs spielen die NWOBHM-Enthusiasten bei der aufgenommenen Show im Beachland Ballroom, Cleveland ihren gesamten, selbstgeschriebenen Katalog. Der perfekte Überblick für alle, die Night Demon noch nicht kennen.
Trotz des ob der gebotenen Quantität im Grunde nicht vorhandenen Qualitätsfilters ist die Hitdichte auf "Live Darkness" beachtlich. Mit "Welcome To The Night", "Full Speed Ahead" und dem thrashigen "Ritual" preschen die Kalifornier energiegeladen ins Set, mit "Curse Of The Damned" folgt dann die erste Überhymne. Iron Maiden und Diamond Head triefen aus allen Poren, live drängt sich aber vor allem die Nähe zu Kiss auf.
Bei der Anordnung der Songs beweisen Night Demon ebenso gutes Gespür wie bei den im Überfluss vorhandenen Hooks und Melodien. Dank der geschickten dramaturgischen Verschnaufpause zwischen "Life On The Run" und "The Howling Man" wären beide Hälften von "Live Darkness" sogar als zwei eigenständige Alben konsumierbar.
In mehreren Abschnitten steigert das Powertrio die Intensität von Song zu Song, bevor dann zum Beispiel "Save Me Now" das Tempo wieder raus nimmt und dafür den Fokus wieder mehr auf Musikalität und Atmosphäre richtet. Der Höhepunkt in dieser Hinsicht: die Halbballade "Darkness Remains". Night Demon schwelgen in den weiten Melodiebögen, jammen den Solopart ausführlich und sammeln sich im schwermütigen Synthie-Outro für das Finale. Ausgerechnet der Bandsong "Night Demon" gerät zum Abschluss leider etwas schmalbrüstig.
Als zweischneidig entpuppt sich der Ton von "Live Darkness". Einerseits kommt das Publikum dank gut platzierter Raummikrofone hervorragend zur Geltung und die Instrumente hämmern muskulös durch die Boxen. Als Trio einen so druckvollen Sound hinzukriegen, besonders in den vielen Gitarrenleadpassagen, verdient Respekt. Andererseits leidet der Gesang. Jarvis Leatherbys Vocals klingen hallig und verlieren oft das Kräftemessen gegen die übermächtige Instrumentenwand. Vielleicht ist das die Rache für die Studioalben, wo vereinzelt ein gegenteiliger Eindruck entsteht. Glücklicherweise gewöhnt man sich recht schnell daran.
Immerhin besteht so kein Zweifel, dass hier wirklich eine Live-Platte vorliegt. Ein paar minimale Ungenauigkeiten im Spiel verzeiht man bei der hier transportierten guten Laune gern. Night Demon liefern mit "Live Darkness" viel Mehrwert zu den bestehenden Alben, vor allem in Sachen Feeling, so dass die Kaufempfehlung auch an Fans rausgeht. Neugierige dagegen sollten sowieso zugreifen – da ohnehin fast alle Songs der Band enthalten sind, können die sich mit "Live Darkness" im Regal die Studioalben vorerst getrost sparen.
3 Kommentare
man weiß, dass man urlaubsreif ist, wenn man statt "night demon" freudsch "nicht der mundi" liest und dann auch noch sekundenlang denkt: "ach schau, der mahatma live. wurde ja zeit."
tolle band. kenne bislang nur den studiokram. aber der ist schon was für genrefans.
Beim Berger frage ich mich immer ob er der Typ von der Versicherung ist oder doch die Versicherung, das ab und an eine echte Rockperle gefunden wird, im Hiphop gefolterten Lauthimmel. Meine letzteres trifft es ganz gut.
Vielen Dank für den Tipp, Herr Berger!
Mei der Berger! Kann austeilen aber nicht einstecken