laut.de-Kritik
Zwischen Grönemeyer, Tom Waits und Charles Bukowski.
Review von Connor EndtNorbert Buchmacher wirkt wie ein Charakter, der einem Bukowski-Roman entsprungen sein könnte: Jahrelang war der Songwriter als Roadie unterwegs und schleppte Bands 20 Jahre lang ihre Gig-Bags durch die Republik. Auf den Fahrten im engen Bandbus, den gähnend leeren Tagen zwischen zwei Touren und der nächsten Plackerei fängt Buchmacher an, eigene Texte zu schreiben: Die Basis für seine Hardcore-Band One In One, die jedoch wieder zerbricht. Mittlerweile ist Buchmacher ruhiger unterwegs, das hört man "Habitat einer Freiheit" deutlich an.
In den meisten Songs greifen Buchmacher und seine Band zu Akustikgitarre und Piano - das könnte so auch in der Kneipe um die Ecke passieren. Große Ausbrüche oder Experimente bleiben rar, musikalisch herrscht Wohlfühl-Atmosphäre vor. Manchmal kommen noch Streicher ("Sorgen Und Den Nikolaus") oder Blechbläser ("Man Sagt Nicht Man Sagt Nicht") hinzu.
Der interessanteste Song der Scheibe bleibt auf jeden Fall "Seid Was Ihr Wollt", der nicht nur in Sachen Instrumentierung aus dem Rahmen fällt. Beklemmende Ambient-Sounds, Knattern und Marimba zitieren Tom Waits, auch Buchmachers Vortrag erinnert stark an den Amerikaner. "Qualmt so lange, bis aus den zerfressenen Lungen die Schwindsucht grinst", höhnt er und wird für einen Song lang vom liebenswerten Raubein zu Mephisto höchstpersönlich.
Es ist es vor allem Buchmacher selbst, der "Habitat der Freiheit" seine Ecken und Kanten gibt. Mit einer Raspelstimme à la Casper oder Henning May ist ihm Sympathie sicher, wenn er von Außenseitertum und den Rückschlägen im Leben berichtet. Manchmal erinnert der Musiker zudem ziemlich an Herbert Grönemeyer (besonders auffällig bei "O.M.F.").
Ein bisschen schade: Immer wieder kippen die Texte in Serviettensprüche ab, wenn alte Weisheiten zitiert werden: "Geh deinen Weg, bleib wie du bist, steh auf und mach weiter". Nun ja, das kennt man zur Genüge. Allerdings gibt es auch große Momente, etwa bei "Laut Geträumt", das vermeintlich harmlos beginnt und sich als Song mit doppeltem Boden entpuppt: "Sonntag immer schön brav in die Kirche rennen, aber dann laut klatschen, wenn die Heime brennen".
Auch "Die Ballade Von Willi Und Walther" sticht hervor, wenn Buchmacher im Stil der Dreigroschen-Oper auf rassistische Tendenzen innerhalb der deutschen Polizei aufmerksam macht, und das Schießeisen zur Person wird: "Und dann hat die Walther den Willi geschnappt".
"Habitat Einer Freiheit" ist am Ende ein durchwachsenes Album mit einigen Höhepunkten geworden. Hoffentlich wird Buchmacher auf der nächsten Platte die eigenwilligeren Passagen weiter ausbauen und dem inneren Mephisto noch mehr Raum geben. Die Bösewichter sind doch eh oft interessanter, oder?
1 Kommentar
Wollte die Rezi gerade teilen. Aber nur drei ⭐️??? C‘mon...