laut.de-Kritik
Die Platte will un-un-un-un-unbedingt erfolgreich sein.
Review von Jeremias HeppelerNorma Jean Martines Debüt beginnt mit einem dunkel düsteren Dröhnen, das dir sofort die Nackenhaare aufstellt. Wo sind wir denn hier gelandet? Keine Sekunde später bricht der Song aber bereits in einer recht regulären Gitarrenabfolge, über die die Protagonisitin alsbald noch viel regulärere Gesangslinien knetet. "Sons And Daugters" wird dann recht schnell zum unsouveränen Indiepop-Song, der wie ein pubertärer Jugendlicher nicht genau weiß, was er jetzt darstellen soll. Ab in die Raucherecke, zu den Freaks und Außenseitern, die alte Beatles-Mixtapes auf Discmans hören? Oder doch zu den superhippen und allseits beliebten Gewinnertypen, die gerade den nächsten Dorfdisko-Besuch planen? So changiert die gute Norma Jean zerrissen zwischen kratzig komplexer Komposition und langweiligem Radiogedudel, zwischen immer schwerer wiegenden Soundloops und 08/15-Balladenausklang mit brüchiger Stimme.
Die erdrückende Suche nach einer eigenen Identität kennt jeder Musiker und jeder Künstler nur zu gut. Manchmal dauert es Jahre und Jahrzehnte, bis eine Band ihr Opus Magnum einspielt oder erstmals eine charakteristische Soundsprache gefunden hat. Die Orientierung an Vorbildern kann innerhalb dieses Prozesses nicht selten erdrückend oder hemmend sein. Das muss auch Norma Jean Martin am eigenen Leib erfahren. Bislangf hat sie sich ihre Credits vor allem als Songwriterin im italienischen Castingshow-Sektor und für Ronan Keating sowie durch einige Gigs im Vorprogramm von Tom Odell verdient. Denn die innere Zerrissenheit des Openers zieht sich durch ihre gesamte Platte. Jeder einzelne Song präsentiert eine verpixelte Farbpalette an Songwriting-Einflüssen, die sich zwar manchmal nur dezent in den Hintergrund fläzen, nicht selten aber so offensichtlich herum proleten, dass man nur genervt mit den Ohren Rollen kann. "I Want You To Want Me" und "No More Alone" etwa offenbaren sich als eine derart konsequente Adele-Kopie, dass man beim Hören nachschauen muss, ob sich nicht irgendwo ein Popup-Fenster geöffnet hat.
Bitte nicht falsch verstehen: "Only In My Mind" erscheint als stylische, großartig produzierte und auch abwechslungsreiche Platte mit einer überaus talentierten Hauptdarstellerin. Bereits das Cover versprüht einen gewissen 70er Studenten-Flair, Norma Jean inszeniert sich in Schwarz-Weiß, so als wäre sie gerade aus einer Roland Barthes-Vorlesung marschiert. Auch der Pressetext stellt sich die Aufgabe, möglichst oft den Namen Janis Joplin zu droppen. Dazu Genres im Überfluss: Soul. Und Singer-Songwriter und Folk. Einzig das Endergebnis weiß diese großspurigen Versprechungen nur bedingt einzulösen: "Only In My Mind" ist eine nette Popplatte, die un-un-un-un-unbedingt erfolgreich sein will und aus diesem Grund unzählige Erfolgsgeschichten auswendig lernt. Also jault es wie bei den Black Keys ("No Gold"), deshalb jazzt es melancholisch wie bei Amy Winehouse ("I'm Still Here"), deshalb tränt es wie bei Daughter ("Butterfly´s Dream").
Vor allem die tränentrüben Piano-Balladen, die leider einen Großteil des Werks ausmachen, drücken die Stimmung in mehrerlei Hinsicht. Das ist vor allem deshalb schade, weil sich im ewig leidenden Leiden auch die besseren Songs der Scheibe, nämlich ebenjene, die weniger kalkuliert daher kommen und echt verkrustetes Herzblut aufzeigen, konsequent abschwächen. Nichtsdestotz macht "Animals" stellenweise wirklich Bock, weil es ein wenig Größenwahn in sich trägt und Norma Jean eindrucksvoll ihre Stimmgewalt unter Beweis stellen kann. Auch "Still In Love With You" besitzt einen angenehmen Retrocharme und unprätentiöses Rumgeklampfe. Aus der grauen Masse heraus sticht zudem "Angels On My Shoulder", das verschiedenfarbige Legosteine, wie einen merkwürdigen Klatsch-Beat, eine dumpfe Hairrock-Gitarre und diesen gewissen Nelly Furtado-Charme zu einem verqueren Popbauwerk zusammen klopft.
Summa summarum deutet die gute Norma Jean Martine nur stellenweise ihr großes Potential in Sachen Songwriting an, während ihre stimmliche Performance beinahe durchgehend zu überzeugen weiß, ohne dabei jemals eine eigene Klangcharakter auszuformulieren. In einer Castingshow würden die Juroren wohl angesichts dieser treffsicheren Performance vor schierer Freude überschnappen, aber das hier ist das ganz normale, räudige Leben. Und da ist es manchmal interessanter, als einfache Eidechse daher zu kommen, als sich als wechselhaftes Chamäleon anzubiedern.
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