laut.de-Kritik

Größenwahn, Attitüde, Exzess: Wo warst du, als sie high waren?

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Zigaretten, Gin and Tonic, große Songs, große Attitüde, Riesengigs und ansehnliche Mengen weißes Pulver zum Nasepudern: Besonders schwer hatte es Regisseur Mat Whitecross mit der Oasis-Doku "Supersonic" nicht, die größte britische Band der 1990er Jahre an ihrem absoluten Höhepunkt darzustellen. Die Zeit von ihrem ersten Plattenvertrag bis zu den ausverkauften Knebworth-Konzerten 1996 ist ein aufgelegter Elfmeter, vor allem bei dem Bildmaterial. Und dass Noel und Liam Gallagher, zerstritten oder nicht, für teilweise zum Brüllen komische Rants immer zu haben sind, ist schließlich auch eine der wenigen Konstanten des Rockgeschäfts. Selbst wenn ihre Tiraden mittlerweile altbekannt und längst professionalisiert sind.

Doch auch die Dokumentation konnte Noel und Liam nicht wieder gemeinsam in einen Raum bringen. Spielt aber keine Rolle, da der richtige Schnitt glauben macht, die beiden Streithansel seien eh zusammen gesessen. Liam rührte ordentlich die Werbetrommel für den Film, gab auf Presse-Events den Parade-Gallagher, Noel blieb außen vor.

Im Film kommen auch andere Bandmitglieder und Leute aus dem Umfeld zu Wort, etwa Peggy Gallagher, die Mutter der Brüder, Ex-Gitarrist Paul "Bonehead" Arthurs, die Plattenfirma, das Management. Es ist die Parade-Geschichte eines Rock'n'Roll-Aufstiegs, die es heute so nicht mehr gibt.

Es macht einfach großen Spaß, diesen famosen Rabauken dabei zuzusehen, wie sie mal eben die ganze Welt mit ihrem Debüt-Album erobern. Wie sie sich daneben benehmen, ordentlich Genussmittel konsumieren, sich selbst in den Himmel loben. Wie sie sich im Studio mit dem Debütalbum "Definitely Maybe" abplagen, das Noel nie gut genug erscheint – und wie beim dritten Versuch der Knopf doch noch aufgeht. Dann aber so richtig.

Ein wenig in die Tiefe geht der Film vor allem, was die Familiensituation im Hause Gallagher angeht. Der gewalttätige Vater, der seine Wut vor allem an Noel auslässt. Und Noel, der sich von der körperlichen Gewalt nicht unterkriegen lassen will. Wir hören ein Telefonat mit Liam, in dem der seinem Vater droht, ihm die Beine zu brechen, sollte der sich nach einem Konzert blicken lassen.

Bei seinem Interview-Marathon in Berlin im Oktober 2016 wurde Liam nicht müde zu betonen, dass es eine Band wie Oasis nie mehr geben wird. Alleine schon wegen der Generation Smartphone. So heruntergespult seine Sätze vielleicht waren: Da ist schon etwas dran. Oasis gaben dem Rock'n'Roll etwas, nachdem wir uns heute irgendwie sehnen: Größenwahn, Attitüde, Exzess, einen Narrativ.

Wie es weiterging, wissen wir: Debüt, zweites Album "(What's The Story) Morning Glory?" – dann die Koksplatte "Be Here Now", überlange Songs und gesteigertes Sendungsbewusstsein, und natürlich dennoch und gerade deswegen toll. "Supersonic" macht am Höhepunkt Halt, zeigt die wesentlichen Jahre. Man hätte sich danach ruhig auflösen können, meint Bonehead – der kurz darauf die Band verlässt.

Es ist eine Geschichte, die jeder Oasis-Fan und jeder, der in den 1990er Jahren anwesend war, zu großen Teilen schon gehört hat. Aber es ist auch eine Geschichte, die es wert ist, immer wieder gehört zu werden – um sich zu erinnern, dass Musik und Konzerte mal einen ganz anderen Stellenwert hatten als heute. Und um die Frage zu stellen: Wo warst du, als sie high waren?

Trackliste

  1. 1. Supersonic

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