laut.de-Kritik
G-Funk straight outta Kranichstein.
Review von Alexander AustelOlexesh scheint einen hohen Mitteilungsdrang zu haben: Ein halbes Jahr, nachdem er sich zum "Masta" krönte, wirft er jetzt schon seinen "Straßencocktail" hinterher. Der hat es in sich: ein Drei-CD-Mixtape, das eine 18-Track-starke Solo-Scheibe beinhaltet, sowie "Funkadelic", eine Hommage an G-funkige West-Coast-Klänge. Auf der dritten Platte bietet er seinen Homies aus der Nachbarschaft eine Bühne und damit die Gelegenheit, sich neben ihm zu beweisen. Die Label-Bosse Celo & Abdi meinen, Olexesh zeige seinen großen Facettenreichtum und behaupten, er klinge auf "Funkadelic", "wie wenn Rick James in Kranichstein aufgewachsen wäre." Hört, hört.
Folgen auf große Worte große Taten? Nun, Olex rührt seinen "Straßencocktail" mit den für ihn bekannten Zutaten an: Zeilen über die Straße, bunte Scheine, "Hits machen", Drogen, "Tokarev", teure Autos. Seine Themenfelder beackert er hier Doubletime, dort entspannt, stets aber abwechslungsreich und auf gewohnt hohem Flow-Niveau: all das, was man von dem Deutsch-Ukrainer gewöhnt ist. Die Beats pumpen, ticken, geben mal straight auf die Zwölf, peitschen dann wieder oder schleichen bedrohlich: "produziert für den Benz", eben.
Olexesh will mit seinem Werk an sein kostenloses "Authentic Athletic" von 2012 anknüpfen, sagt er. Das Ding tönt tatsächlich nach einem Mixtape, ist nicht bis zum Schluss durchproduziert, die Beats klingen teils angestaubt, und mit "Funkadelic" und seiner Homie-Platte "Sis Kat" probiert er sich aus: völlig legitim. Das kann er machen, darf er auch. Aber warum will er dafür dann "Money Money Money"? Warum verwöhnt er seine Gefolgschaft nicht mit Gratis-Material? "Tausche Texte gegen Cents, und ich schüttel' das Hochhaus bis mir Geld runterfällt." Tja, auch Kleinvieh macht wohl Mist.
Genug gemosert, "Spiel Es Laut": CD Nummer zwei, "Funkadelic", überrascht tatsächlich mit funkigen, Bass-blubbernden Cruiser-Beats, die der amerikanischen Westküste anno 1994 nacheifern. "In den Felgen spiegelt sich der Sonnenuntergang." Klingt kitschig, ist es auch, aber es funktioniert. OL singt Refrains Nate Dogg-mäßig, ohne an diesen heranzukommen. Geht ja auch gar nicht, ist aber ohnehin nicht seine Intention. Er entwirft sein ganz eigenes "Regulate... G Funk Era" straight outta Kranichstein. Die letzten Songs verlieren ein wenig, der "Cripwalk" humpelt gar mehr, als dass er smooth der kalifornischen Sonne entgegen schlendert. Doch für ein Mixtape-Format gerät das Experiment äußerst kurzweilig und spannend.
Bleibt noch der letzte Teil: "Sis Kat", der Versuch, seinen Kumpels mal eine andere Beschäftigung zu geben, "als Tütchen zu verpacken", um bei Celos & Abdis Wortlaut zu bleiben. Sound-technisch orientiert sich die Scheibe wieder am harten Frankfurter Bordstein. Olexesh zerdrischt einige tickende Beats und gibt dann das Mic weiter: Ein massiver Qualitätsabfall macht sich umgehend bemerkbar. Das verwundert erst einmal nicht, schraubt Olex die Messlatte unerreichbar weit hoch. Diese anzusägen oder gar umzuflexen, das schaffen seine Jungs einfach nicht. Noch zu unausgereift wirken deren Flows und Reimtechniken. Erst, wenn OL seine B-Reime auspackt, sitzen sie ebenbürtig im Maybach.
In 36 Titeln und einer Laufzeit von knapp zwei Stunden kutschiert Olexesh seine Hörer wahlweise im Benz oder Maybach durch die Frankfurter beziehungsweise kalifornischen Straßen und unterhält dabei streckenweise ausgezeichnet. Wäre der "Straßencocktail" ein Freigetränk, ginge ich auch nicht so hart mit den weniger starken, austauschbaren Tracks ins Gericht. Für Geld will diese ersten Gehversuche seiner Nachbarschafts-Buben auf "Sis Kat" aber keiner hören. Dann doch lieber wieder "Funkadelic" reinschieben, aufdrehen, und "in meinem Ohr läuft nur dieser Funk / und dieser Ton genau mein Geschmack!"
2 Kommentare mit einer Antwort
Uff. Der Straßencoktail bringt die 385i-Releasepolitik auf den Punkt. Bei Celo&Abdi wünscht man sich schon, dass nicht jedes Jahr ein Album kommt damit man die beiden mal vermissen kann (und es Zeit gibt für neue Fußballer die aufgezählt werden können ).
Ich bin eigentlich ein großer Fan von seinen Sachen und hab auch die letzten Wochen wieder einige Runden Authentic Athletic gehört, aber den Straßencocktail hab ich mir noch nicht geholt. Ich bin aktuell eh etwas übersättigt, was die Jungs angeht.
PS: Das beste Deutsche G-Funk Album bleibt sowieso Playa Smooves Das Spiel in meinem Blut.
Sehe das genauso mit der Veroeffentlichungswut. Ich hoere mir das zwar noch die Tage beim Training an und werde sicher den ein oder anderen track gut finden, mache aber das ganze Zeug (AchtVier, Kaisa etc.) gerade eigentlich nur durch, damit ich endlich wieder dem Plan nach weiter pumpen kann.
Beschwert sich der Redakteur ernsthaft, dass ein 36 Track-Mixtape nicht kostenlos ist?