laut.de-Kritik

Der Ton- und Textdichter als Quatschmacher und Küchenpsychologe.

Review von

Eine kurze Personenbeschreibung vorab: Jemand, der um den Finger wickeln kann, ohne sich anbiedern zu müssen, das ist Olli Schulz. Eigentlich wollte er nicht erwachsen werden. Dieses Album macht ihm jedoch einen Strich durch die Rechnung.

Das zwergenhafte Kabinchen, in dem "SOS" aufgenommen wurde, teilte er sich mit Schlagzeuger Ben Lauber. Produzent Moses Schneider war der Gewährsmann, der über dieses Baby wachte. Das Blödel-Vokabular ist geblieben, wie "Crew" belegt: "Deine Atzen bewegen sich wie Katzen b/ Deine Homies schminken sich wie Omis / Deine Crew hört dir nicht mehr zu". Doch das Rumhampeln, das er ja so gut als Berlinale-Berichterstatter Charles Schulzkowski beherrscht, besteht hier allenfalls aus den Sottisen-Intermezzi "Vorspiel", "Alles Richtig" und "Briefmarke". Auf diese meist halbminütigen Überbrückungsmaßnahmen warten geschundene, euphorische und existengrübelnde Gedanken des Herrn Schulz auf.

Einen grundsympathischeren Einstieg als "Wenn Es Gut Ist" hätte man nicht wählen können. Die Proberaum-Atmo und das grobschlächtige Eröffnungsriff ermutigen jeden Max Mustermann, sich weiterhin im Keller einzunisten und Do-It-Yourself-Platten aus der Taufe zu heben. Wen ein Mustermann jedoch nicht hat, ist Moses Schneider. Der stellt im Refrain einen Klangschichtsalat zusammen, in dem ein Spinett auftaucht. Beziehungsweise: Er ist so ein guter Bastler, dass man sich das einbilden darf.

Im sinistren Storytelling von "Ich Dachte, Du Bist Es" klaffen die größten Wunden. Noch fester an den Marterpfahl gebunden als der Erzähler selbst ist nur sein Gegenüber: "Du hast mich angelacht und ich mochte das so sehr / Ich fühlte mich verloren, doch ich dachte, du bist es noch viel mehr". Je näher dieses kohlrabenschwarze Eingeständnis rückt, umso geknickter wirkt die waidwunde Seele, die da singt.

Freilich kann Schulz auch anders. Beispielsweise dann, wenn er ein Treffen zwischen den Beatles und Element Of Crime arrangiert. Nur folgerichtig, dass die fußballaffine "Spielerfrau", die vom Stadion der Freundschaft bis zum Santiago Bernabéu in all den Logen dieser Welt sitzt, ein pop-passables, britisch-deutsches Gruppenbild abgibt.

Apropos Fußball. Mit rhythmischer Stop-And-Go-Taktik und der Fangemeinde als Chor im Rücken (auf "SOS" spielen und singen die Weggefährten Gisbert zu Knyphausen, Walter Schreifels, Marten Ebsen und und und) lässt Schulz in "Schrecklich Schöne Welt" den Existenzialismus hochleben – kein Wunder, dass hier das Scheitern unweigerlich mitschwingt.

Großartiger Mist ist der Autotune-Kokolores und Quasi-Reggae von "Ich Kenn' Da Ein", ungebremste Schwermut verbreitet "Old Dirty Man". Doch das Herz des Albums schlägt in "Koks & Nutten". Es zeigt, dass der Mann dahinter ein 'Sowohl-als-auch' ist, ein Ton- und Textdichter.

Quatschmacher, Küchenpsychologe, Doppelbodenleger, Seelenklempner, alles das ist Olli Schulz in persona. Wer genau hinhört, hört vielleicht den Mann der Stunde.

Trackliste

  1. 1. Wenn Es Gut Ist
  2. 2. Irgendwas Fehlt
  3. 3. Ich Kenn' Da Ein
  4. 4. Ich Dachte,Du Bist Es
  5. 5. Old Dirty Man
  6. 6. Crew
  7. 7. Schrecklich Schöne Welt
  8. 8. Vorspiel
  9. 9. Spielerfrau
  10. 10. H.D.F.K.K.
  11. 11. Alles Richtig
  12. 12. Koks & Nutten
  13. 13. Briefmarke
  14. 14. Der Kleine Bär
  15. 15. Phosphormann
  16. 16. Verliebt In 2 Mädchen
  17. 17. Danke An Alle

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8 Kommentare

  • Vor 12 Jahren

    Die ersten beiden Alben (mit dem Hund Marie) waren super. Genau die richtige Mischung aus Witz und purer Melancholie. "Bumerang" ist mir zu pathetisch. Wobei, kann auch sein, dass ich es deshalb nicht mag, weil es mich damals über meine herumhurende Exfreundin hinweggetröstet hat und daher auf ewig verbrannt ist. Für den Trost: Danke Olli.

  • Vor 12 Jahren

    Über das neue Album kann ich nichts sagen. Ich bin mittlerweile ein glücklicher Mensch und brauche keinen Tröster mehr. Für den vergangenen Trost: Danke Olli.

  • Vor 12 Jahren

    Wird heute gekauft.
    @HarriVedertschi (« Die ersten beiden Alben (mit dem Hund Marie) waren super. Genau die richtige Mischung aus Witz und purer Melancholie. "Bumerang" ist mir zu pathetisch. Wobei, kann auch sein, dass ich es deshalb nicht mag, weil es mich damals über meine herumhurende Exfreundin hinweggetröstet hat und daher auf ewig verbrannt ist. Für den Trost: Danke Olli. »):
    Ich mag die "Bumerang" eigentlich fast am liebsten, weil sie auch musikalisch am meisten Abwechslung bietet.