8. August 2014

"Hauptsache, mein Haar liegt gut und mein Hemd sitzt"

Interview geführt von

Erst erleben, dann aufschreiben, dann vertonen: Klar, dass das seine Zeit dauert. Inzwischen hat Olson sein Album "Ballonherz" aber fertig gestellt und Muße zum Reden - über Alltag und Fernweh, sein Leben als Film und über die verschwimmenden Grenzen zwischen Rap und Pop.

Es liegt schon einige Zeit zurück, da saß Olson zusammen mit Cro, Rockstah, KaynBock und einigen anderen Kollegen auf der Couch bei Mixery Raw Deluxe. Moderator Falk Schacht, bemüht um eine griffige Bezeichnung für diese so ganz und gar nicht straßenmäßigen Rapper, deklarierte die Versammlung kurzerhand zur "Neuen Reimgeneration". Ein Etikett, das für einigen Wirbel sorgte - insbesondere bei denen, die diesen Stempel aufgedrückt bekamen.

Nach und nach kommen sie nun alle aus dem Quark. Das ging bei dem einen schneller, dauerte beim nächsten etwas länger. Olson brauchte gute zwei Jahre, um ein Album zustande zu bringen, das seinen eigenen Erwartungen genügte. Nun ist "Ballonherz" aber doch fertig gestellt und soll am 29. August erscheinen. Sein Urheber könnte demnach jetzt eine Atempause einlegen - bimmelte nicht sein Telefon:

Hallo. Schön, dass du Zeit für uns hast.

Ich freu' mich auch sehr. Vielen Dank.

Wie möchtest du angesprochen werden? Olson - oder lieber James Dean?

(Lacht) Oliver täte es auch völlig.

Fangen wir mit James Dean an, der Pate für einen deiner Songs steht: Ist der so eine Art Idol für dich?

Nee. Gar nicht. Tatsächlich nicht. Der Track war keine Hommage oder Huldigung an James Dean. Die Idee dahinter war eher ... also, es gibt eine Parallele, die uns beide verbindet: Er ist aus so einem kleinen Dörfchen nach Hollywood gezogen, um etwas mit der Schauspielerei zu erreichen. Ich bin von meinem Dörfchen nach Berlin gezogen, um da mit der Musik etwas zu erreichen. Da hört es dann aber auch schon auf. Ich fand eher dieses Bild ganz lustig. Dass ich seit zwei Jahren in Berlin irgendwie nicht so ganz in die Puschen komme, nicht wirklich etwas schaffe oder erreiche, aber Hauptsache schaue, dass mein Haar gut liegt und mein Hemd sitzt, dann auf die Straße gehe und so tue, als wäre ich James Dean. Das ist der Hintergrund des Songs, und der ist eigentlich sogar sehr traurig. Ich wollte mich aber tatsächlich nicht mit James Dean vergleichen.

Zwei Jahre nicht in die Puschen kommen, du sagst es. Ich hatte dich ja, ganz ehrlich, schon wieder ein bisschen vom Schirm verloren gehabt.

Ja. Das glaub' ich!

Was ist passiert, dass "Ballonherz" gar so lange gedauert hat?

Musikalisch ging es nicht wirklich voran, weil ich mich neu sortieren musste. Mir wurden neue Leute vorgestellt, die mit mir Musik machen können. Produzenten, aber auch Songwriter. Irgendwann hab' ich mich nicht mehr so wohl gefühlt, vor allem, was die Zusammenarbeit mit Songwritern angeht. Weil ich ja doch sehr persönliche Texte schreibe und mir nicht von Externen dabei helfen lassen wollte. Dann hab' ich das Ganze wieder über den Haufen geworfen, mich drangesetzt und mir erst einmal überlegt: Wie schreibt man eigentlich einen Song? Ich hab' angefangen, mir ganz viele deutsche Pop-Alben anzuhören und untersucht, wie die an die Sache herangehen. Ich hab' das dann für mich erstmal gemacht und hab' dann erst die Leute gefunden, die auch Lust darauf hatten. Eigentlich hat erst so Ende 2012 der Prozess angefangen, dass tatsächlich gearbeitet wurde. Das ganze Dreivierteljahr davor ist noch nicht wirklich was passiert. Ansonsten hab' ich natürlich ganz viel erlebt, auch erstmal erleben müssen, um Inspiration für Texte einzuholen. Das hat auch 'ne Zeit gedauert.

Du siehst also nicht nur Nachteile darin, dass du nicht unmittelbar durchgestartet bist, als der Hype noch frisch war?

Nee, gar nicht. Da hatte ich mich einfach noch nicht selbst gefunden. Ich sag' immer: Wenn 2012 'n Album von mir erschienen wäre, wär' das richtig furchtbar geworden. Das wär' mir sicherlich heute furchtbar unangenehm.

Würdest du es überhaupt 'Hype' nennen, was du damals hattest?

Nee. Das war kein Hype. Da saß ich in einer auserkorenen Runde bei Falk Schacht auf dem Sofa, und dann haben ein paar Redakteure und ein paar Raphörer gesagt, dass das die neuen Durchstarter sind. Aber da ist ja nicht wirklich was passiert. Das war jetzt für mich auf jeden Fall nicht die Definition von Hype.

Leidest du noch unter dem Stempel "Neue Reimgeneration", den Falk euch damals verpasst hat?

Nee. Ich hab' da auch nie drunter gelitten, tatsächlich. Ich weiß auch nicht, warum sich ein paar der Jungs da so drüber beschweren, weil: Ich hab' da keine Nachteile durch gehabt, eigentlich. Natürlich war das eine sehr oberflächliche Betrachtung, dass man gesagt hat: Die, die da sitzen, was verbindet die? Die tragen alle enge Hosen. Die machen alle Musik, die nicht um Straße oder Ähnliches geht. Das sind alles exakt die gleichen Typen. Da hat man es sich sehr leicht gemacht und sich nicht wirklich mit der Materie des einzelnen beschäftigt. Aber das hat mir nicht so weh getan. Das war jetzt nicht so schlimm für mich.

Rockstah hat mir kürzlich erst - sinngemäß - gesagt, wenn er gewusst hätte, was für Wellen das schlägt, wäre er vielleicht gar nicht hingegangen.

Ähem ... ja. Ich glaub', das hab' ich auch mal so gesagt. Aber am Ende wurde da, glaub' ich, viel mehr von uns Betroffenen dramatisiert als von anderen Leuten. Es hieß: "Das ist die neue Reimgeneration." Dann haben ein paar Leute gesagt: "Okay, das sind alles die gleichen Trottel." Aber die Jungs, die da saßen, haben am lautesten geschrien: "Waaas??! Wir sind NICHT die neue Reimgeneration!!!" (Lacht) Ich glaub', das war überhaupt nicht so schlimm. Ich finde das auch gar nicht so negativ behaftet.

Siehst du abseits der engen Hosen Parallelen zwischen dir und den anderen, die damals da saßen?

Ja, klar. Wir haben es alle irgendwie aus unserem Kinderzimmer mit einer kleinen Öffentlichkeitswahrnehmung geschafft. Wir haben alle Spaß daran, Musik zu machen. Häufig geht es auch um ähnliche Themen. Diese Generation Y, Perspektivlosigkeit und so weiter. Das sind schon Dinge, die uns damals verbunden haben. Aber mittlerweile haben wir uns ja alle in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Jeder hat sich selbst gefunden. Es ist auf jeden Fall besser, wie es heute ist.

Oder, wie in deiner Zeile: "Wir können verdammt gut dramatisch sein."

Die ist ja tatsächlich von Ahzumjot.

Schande. Echt? Das ist ja peinlich.

(Lacht)

Findest du dich in dieser Line trotzdem wieder? Kannst du dramatisch sein?

Ja. Ja, voll. Total.

Drama-Queen?

Ja, auch. Absolut. Einerseits ist das natürlich ein Stilmittel für die Musik. Andererseits mag ich so Melancholie auch im Leben. Das ist schon immer gern gesehen, so eine dramatische Wendung.

"Ich juble - oder rufe mir zu, was für ein Idiot ich bin"

Das Faible für Melancholie hört man deinem Album ja überhaupt nicht an.

Gar nicht, ne?

Kein bisschen. Erstmal möchte ich dich zu diesem schönen Bild beglückwünschen: Das Ballonherz gefällt mir total gut. Weißt du noch, wie dir das eingefallen ist?

Erstmal vielen Dank. Ich hab' vor ein paar Jahren mal einen Song gemacht, der hieß so. Da hab' ich dieses Bild so ein bisschen angeschnitten. Wie ich darauf gekommen bin, weiß ich, ehrlich gesagt, nicht mehr. Der Song ist nie rausgekommen, weil ich nicht so zufrieden damit war. Aber der Titel ist die ganze Zeit mit mir mitgeschwebt. Wie dann das Album heißt, da stellte sich mir gar keine Frage. Es war für mich immer klar, dass das so heißen wird. Ich weiß aber auch nicht, warum. Ehrlich gesagt. Es kam einfach.

"Ballonherz" beginnt mit "Mein Kleines Hollywood". Da nimmt schon der Titel das Gefühl vorweg, das ich das ganze Album hindurch hatte: Ich hab' mich gefühlt, als führe mir jemand einen Film vor. War das so beabsichtigt?

Sehr schön! Nee, das war nicht mein Ziel. Aber das freut mich auf jeden Fall sehr, das zu hören. Ich find' es immer schön, wenn ich Musik höre, wenn mir dann so Bilder in den Kopf schießen, wenn das für mich wie ein Film ist. Natürlich versuche ich auch, Dinge so zu formulieren, dass man direkt etwas Visuelles vor sich hat. Ja, gut: Es gab natürlich auch einen Anfang und ein Ende, wie man es bei einem Film hat. So ein paar Kriterien wurden dann doch bewusst gewählt. Es freut mich auf jeden Fall, dass das scheinbar aufgegangen ist.

Ist dein Film ein Roadmovie, ein Beziehungsdrama - oder eine Art Entwicklungsroman?

Ich glaube, das ist ein Roadmovie-eskes Beziehungsdrama. (Lacht)

Siehst du dich dann selbst als Drehbuchautor, als Regisseur oder eher als Darsteller?

Ich hab' letztens mal irgendjemandem erzählt, dass ich mein Leben wie einen Film sehe. Dass ich im Kinosaal sitze, mich mit Popcorn vollstopfe und mir zujuble - oder mir zurufe, was ich für ein Idiot bin, in manchen Situationen. Dann schreib' ich auf, was ich da sehe, was mir da so geboten wird, fass' das in Melodien und zeig' es der Außenwelt. Und dann jubelt die mir halt zu. Oder sagt mir: Du bist ein vollkommener Idiot. Um auf deine Frage zu antworten: Wahrscheinlich bin ich beides: Hauptdarsteller und Drehbuchautor. Und wohl auch ein Regisseur, am Ende.

Klingt eher, als wärst du dein Publikum.

Ja, mein Publikum bin ich natürlich auch. (Lacht) Aber ich kuck' nur die erste Sneak-Preview, bevor ich es auf die Außenwelt loslasse.

Dann musst du bloß noch dein eigener Kritiker sein.

Das kommt natürlich auch noch hinzu. Also ... ich muss sehr viele Rollen besetzen, scheint mir.

Eine echte One-Man-Show. Die Geschichte kommt mir sehr autobiografisch vor. Wie viel von deinem eigenen Erleben steckt drin?

Alles, tatsächlich. Es gibt natürlich immer Bilder, die man ein bisschen überspitzer zeichnet, um sie auch besser klingen zu lassen. Aber es ist mir schon alles widerfahren.

Heißt das, du trennst überhaupt nicht zwischen Bühnen- und Privatperson?

Doch. Doch, voll. Es gibt natürlich auch Dinge, die ich nicht erzählen würde, in Songs. Familiäre Sachen, aber auch Dinge, die ich einfach nicht für interessant halte. Zum Beispiel würde ich jetzt nicht einen Song darüber machen, wie ich heute hier sitze und Interviews gebe. Das ist zwar für mich eine total tolle Erfahrung, dass sich jemand mit mir auseinander setzt, und ich bin total glücklich darüber. Aber ich glaube, niemand außer mir hätte was davon, wenn ich das mit irgendwem teile. (Lacht) Solche Themen lass' ich dann einfach raus.

Obwohl die Platte wie ein Film wirkt, kommt mir die Themenwahl wenig konstruiert vor. Es klingt vielmehr nach sehr realen, täglichen Problemen. Nutzt du Musik als Flucht vor der Realität? Als Mittel, um die Realität zu verarbeiten?

Ja, eher als Mittel. Ich halte mir in Liedern sehr oft vor, was ich so falsch mache. Ich klage selbst an, was ich mache. Das hat sich bewährt. Wenn ich mir das selber dann anhöre, denke ich bein nächsten Mal vielleicht besser drüber nach. Es ist also eigentlich keine Flucht, eher eine Reflexion des Alltags. Ich mach' aber auch einfach gerne Musik, und Musik mach' ich gerne mit Texten. Und ich muss ja über irgendetwas reden. Es ist also nicht so, dass ich die Musik nur zur Selbsttherapie nutzen würde, sondern ich mach' auch Musik, weil ich Bock drauf hab', Musik zu machen. Und dann hat man natürlich auch nur eine begrenzte Themenauswahl zur Verfügung.

An vielen Stellen erkenne ich die - wenn man das so nennen kann - Strategie, vor Problemen erst einmal die Augen zu verschließen.

Ja. Sicher.

Will meinen: So gehst du vor?

Im Alltag schon, ja. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich davor in die Musik fliehe. Ich fliehe dann eher ins Feiern oder so.

Probleme wegschieben funktioniert für dich demnach ganz gut?

Funktioniert meistens ganz hervorragend. Aber halt auch nur für eine gewisse Zeit.

Aha. Du bist also so ein Typ, der unangenehme Dinge so lange aufschiebt, bis man sie gar nicht mehr ignorieren kann.

Ja, oder auch den Abwasch. Bis es anfängt zu stinken.

Jemand, der auf den besten Moment wartet - der nie wirklich kommt?

(Überlegt) Ja. Jemand der wartet, der aber daran glaubt, dass er kommt.

Das ist ja auch eine niedliche Art von Selbstbetrug.

(Lacht) Weißte nicht! Vielleicht auch einfach noch das Bewahren von Träumen.

So kann man es auch nennen. Ich spüre relativ viel Fernweh auf deiner Platte. Zwei Tracks heißen im Untertitel sogar explizit so. Leidest du unter Fernweh?

Fernweh ... Als ich in der kleinen Vorstadt saß und was erleben wollte, einfach nur raus wollte, in die Welt, in die Metropolen, da hatte ich extremes Fernweh. Heute sind es eigentlich nur vereinzelte Tage, wo ich sage: Mir fällt die Decke auf den Kopf. Oder: Hier ist alles so laut und so viel, ich würd' gern mal raus. Irgendwo ans Meer fahren oder einfach mal verreisen. Aber das ist jetzt nichts, das mich jeden Tag begleitet, dass ich sage: Ich will jetzt raus in die Welt. Momentan ist es ganz schön. Das sind eigentlich nur so einzelne Situationen.

Machst du das dann auch: einfach mal wegfahren?

Selten. Meistens scheitert es an der fehlenden Zeit.

Ich hatte bei beiden "Fernweh"-Tracks den Eindruck, dass sie das Gefühl des Unterwegs-Seins zwar gut einfangen, dass sich da jemand die großen Reisen, nach Paris oder ans Meer, bloß zusammenträumt und tatsächlich nie wirklich losfährt.

Genau. Ja, das stimmt sogar. Ja, das ist bis jetzt noch nicht passiert. Doch, einmal bin ich losgefahren. Paris, New York, Miami Beach, das sind ja alles Städte, wo man sich vorher sagt: Da könnte es hingehen. In der Album-Geschichte war es jetzt halt die andere Stadt, die ich noch nicht mal erwähnt habe. Aber wenn du jetzt den zweiten "Fernweh"-Teil ansprichst: Das wurde tatsächlich noch nicht umgesetzt.

Man macht das ja auch nicht: den Mietwagen einfach nicht zurückgeben. Auch wenn doch wirklich jeder schon darüber nachgedacht hat ...

Das wär' ja verrückt. Was das kosten würde!!

"Ich werde meinem Sohn unfassbar peinlich sein"

Gehts bei dem Fernweh vielleicht sowieso weniger um den Ortswechsel als darum, dem Alltag zu entfliehen?

Nee ... gar nicht, eigentlich. Also ... ja, Alltag, dabei spielt der Ort ja auch eine große Rolle. Der Alltag hier ist sehr stressig, sehr voll. Man muss schnell hierhin und schnell dahin. Deswegen geht das so miteinander einher. Aber in der Kleinstadt, dieser Wunsch, rauszugehen ... wobei ... Man muss auch sagen: In der Kleinstadt ist der Alltag ja auch sehr langweilig gewesen. Also geht es da wahrscheinlich auch um beide Dinge. Um deine Frage zu beantworten: Es geht um den Alltag und um den Ort, gleichzeitig.

Wobei es ja nicht wirklich klappt, vor dem Alltag wegzulaufen, auch in deiner Geschichte nicht. Man landet ja nur wieder in einer neuen Art von Alltag, aus dem man dann auch wieder raus will.

Das stimmt, ja. Wenn man dem Alltag entflieht, bleiben die unbezahlten Rechnungen ja immer noch im Briefkasten. Die nimmt ja keiner zurück. Deine Hausarbeit muss immer noch geschrieben werden. Dein Album muss immer noch fertig gemacht werden. Nur, weil du jetzt sagst: Ich muss jetzt hier raus, bleiben die Pflichten ja liegen, bei dir.

Bei diesem Fernweh-Thema schwingt immer auch eine gewisse Ziellosigkeit mit. Die wiederum zieht sich, deinen Songs zufolge, eigentlich durch alle Lebensbereiche. Bist du ziellos?

Hmm. Ja. Ja! was ich bei diesen Songs in der Thematik ja komplett rauslasse, ist die Musik, weil den Bereich Musik noch in die Musik mit reinzunehmen, wäre ja Quatsch. Das ist so, wie über Rap rappen. Über Musik Musik machen, das beißt sich, finde ich. Deswegen berücksichtige ich das thematisch gar nicht. Aber da ist gar keine Ziellosigkeit gegeben. Da hab' ich auf jeden Fall ein klares Ziel und arbeite jetzt auch sehr hart daran, dass das was wird. Schau'n wir mal.

Hoffen wir das beste. In "Morgen Vorbei" treffen zwei ganz gegensätzliche Empfindungen aufeinander, nämlich dieses jugendliche Haudrauf-Gebaren und das Gefühl der immer schneller verrinnenden Zeit, das ja eigentlich ein Privileg der Oma-Generation ist. "Möööh, die Jahre vergehen immer schneller!" Das stellt sich ja eigentlich erst mit zunehmendem Alter ein.

Das ist ja auch schon eingetroffen, das zunehmende Alter.

Soll das bedeuten, du hast diese viel thematisierte Phase des Erwachsen-Werdens gefühlt schon hinter dir gelassen?

Hmm ... nee ... ja ... Ich stecke eigentlich noch drin. Manchmal seh' ich so Leute im Fernsehen, da zeigen die, wie jemand im letzten Jahrzehnt sein Unternehmen aufgebaut hat. Und dann steht da irgendwie: XY, 26 - und ich denk' mir: Fuck! Der Typ ist ein Jahr jünger als ich, und ich häng' hier gerade auf dem Sofa und hab' nur rumgezappt, von irgendeinem anderen Kanal mit Trash-TV, den ich mir gerade gegeben hab' - und was hab' ich sonst heute gemacht? Hmm, naja. Ich bin halt schon noch nicht so wirklich erwachsen. Ich bin schon noch so ein kleiner Hänger, ein Kind auch, teilweise. Aber andererseits merk' ich halt schon, dass es Pflichten gibt, im Leben. Dass ich eigentlich schon ein Erwachsenen-Leben führe, obwohl ich noch ein bisschen grün hinter den Ohren bin. Das macht einem dann ja schon ein bisschen Angst, wenn man hört, die Jugend sei die schönste Zeit im Leben. Wenn die vorbei ist, dann ist das schon ein bisschen traurig.

So richtig den alten Säcken willst du dich aber auch noch nicht zuordnen lassen?

Ich glaub', ich werd' so ein 50-jähriger Tätowierter mit Harley Davidson und Ohrring, der so noch versucht, mit seinem Sohn abzuhängen und auf die Partys mitzugehen.

Du wirst deinem Sohn schweinepeinlich sein.

Unfassbar peinlich, höchstwahrscheinlich. Ja, ja.

"Feuerwerk" beschert deinem Album ein amtliches Finale. Zurückblicken auf das, was war, die Prioritäten zurechtrücken, und dann: Auf ein Neues! "Alles gut ab hier", sagst du da. Entspricht das deiner momentanen Situation?

Ja, absolut.

Und jetzt? Wohin geht die Reise?

Gute Frage. Weiß ich nicht. Wahrscheinlich erst wieder selber erleben, und dann aufschreiben.

Du hast auf der Platte auch eine Menge gesungen. Berührungsängste zu Pop oder zumindest poppigen Melodien erkenn' ich nirgends.

Nee, gar nicht. "Feuerwerk" war tatsächlich der erste Song, auch wenn er jetzt auf dem Album der letzte ist, wo ich zwischendurch, in den Strophen, ein bisschen melodiöser geworden bin und gemerkt hab': Das macht mir echt viel Spaß und gefällt mir gut. Das mach' ich bei den anderen Songs jetzt auch. Dann hatte ich noch zwei, drei Rap-Tracks, bei denen ich gesagt habe, das wäre echt irgendwie feige, wenn ich die mit draufnehmen würde, um dem Rap-Raphörer noch zu gefallen. Dann leg' ich lieber die Eier auf den Tisch und sag': Jetzt machen wir es komplett so. Mir wär' es egal gewesen, wenn dann noch Leute abgesprungen wären. Aber ich hab' es jetzt einfach so gemacht, wie es mir gefällt, wie ich Spaß hatte und Lust drauf. Deswegen ist es sehr poppig geworden.

Du hast dich öfter schon geärgert, dass du immerzu mit anderen verglichen wirst, insbesondere mit Casper. In der Diskussion um ihn kochte immer wieder die Frage hoch: Ist das noch Hip Hop? Würdest du deine Platte noch unter Rap einsortieren?

Hmm, jaaa. Würde ich schon! Es ist auf jeden Fall Hip Hop, weil wir benutzen trotz poppiger Synthies und so das ganze Album über so knallharte 808-Drums. Die sind einfach Hip Hop. Es ist zwar echt viel gesungen, aber allein, was die Reimschemen angeht, was Flows angeht und was auch so bestimmte Ausdrücke angeht, ist es doch sehr Rap. Ich könnte auch jeden Song ent-melodiosieren, sozusagen. Jeder Song ist so geschrieben, dass ich den, wenn ich die Melodie rausnehmen würde, auch einfach monoton rappen könnte, und dann wäre es ein klassischer Rapsong. Ich hab' einfach Rap-Texte genommen und eine Melodie reingepackt. Gesungener Rap, sozusagen.

In einem Interview hast du einmal gesagt, du arbeitest darauf hin, nicht mit anderen vergleichen zu werden. Bist du diesem Ziel inzwischen näher gekommen?

(Resigniert) Nee.

Mit wem vergleichen sie dich heute?

Naja, wie man hört, so eine Mischung aus Cro und Casper. Sagt man. Was mir aber auch wieder zu einfach ist. Ich bin nicht sauer darüber. Das ist ja best of both worlds. Beide machen verdammt gute Arbeit. Aber das zeigt mir einfach, dass jemand, der so etwas sagt, sich nicht damit beschäftigt. Nicht mit den Texten, nicht mit der Vortragsweise. Entweder hat der keine Ahnung, oder er hat nicht tief genug reingehört.

Gibt es Kollegen (oder andere Künstler), mit denen du dich gern vergleichen lassen würdest?

Naja, ich lass' mich ja insofern gerne mit den Jungs vergleichen, weil ich viel von ihnen halte. So ist es nicht. Diese ganze Generation, Casper, Prinz Pi, auch Marteria ... die find' ich richtig gut. Mit denen werd' ich nicht ungern in einen Topf geworfen. Es geht mir immer nur um das Handwerk. Ein erfolgreicher Maler hat nichts dagegen, mit Picasso in einen Topf geworfen zu werden. Aber er möchte auf jeden Fall nicht, dass man ihm sagt, er male Bilder wie Picasso. Das ist der große Unterschied. Ich glaube, kein Künstler will gesagt bekommen, er mache irgendetwas so wie irgendein anderer.

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