laut.de-Kritik
Halb Mark Twain, halb Jesse James - Wahnsinn, Raserei, Gewalt.
Review von Manuel BergerWer einen Blick auf das "Generation Doom"-Artwork wirft, dem kommt vermutlich bald "Mad Max: Fury Road" in den Sinn. Wüste, Chrom, Postapokalypse — die Parallelen zu George Miller sind nicht von der Hand zu weisen. Mad Max ist Wahnsinn, Mad Max ist Raserei, Mad Max ist Gewalt. Genauso ist Mad Max extrem fokussiert, hat eine klare Vision und ist dabei - auf seine Weise - Poesie. Eigentlich genau wie das neue Otep-Album.
Getrieben von unbändiger Wut steuert Otep Shamaya ihren Truck von Anfang an in einem Höllentempo durch die Abgründe des menschlichen Daseins. Textlich messerscharf, klug, modern und schonungslos. Musikalisch überwältigend nimmt sie die Gesellschaft in all ihren negativen Facetten von Religion, über Arroganz, Hass bis Krieg auseinander. Mal verschlüsselt, zum Nachdenken zwingend, mal mitten in die Fresse — "Cuz I'm half Mark Twain & I'm half Jesse James" ("Down") bringt es ganz gut auf den Punkt.
Simple Punchlines wie in "Equal Rights, Equal Lefts" ("He called me a dyke / I called him an ambulance") gliedern sich nahtlos ein in einen schier unerschöpflichen Vorrat überlegter Lyrik, die man ruhig mal ausführlich zitieren kann: "If the people are sheep don't blame the shepherd / If knowledge is cheap I should be an investor / You're the common in the knowledge that I already know / Just a comma in the sentence that I already wrote / It's like history's written in invisible ink so they can own the throne & everything'll repeat / In the kingdom of lies / The best that money can buy" ("Down").
Wie gut Oteps Gespür für die eigene Vision ist, beweist wohl am besten das plötzlich auftauchende Lorde-Cover "Royals", das sowohl textlich als auch musikalisch hervorragend ins Konzept passt. Zumal der Track an sich kaum wiederzukennen ist. Den Refrain kleidet die Band in Marilyn Manson-artiges Industrial-Sound. Durch die Strophen ziehen sich bedrohliche Staccato-Gitarren, während der zweifellos vorhandene Mainstream-Pop-Appeal ständig ins seelisch zerrüttete Wrack zu kippen droht.
Irre Balanceakte dieser Güte präsentiert die Sängerin das gesamte Album über. Während zum Beispiel "Cold Blood" an der Oberfläche als geradezu radiotaugliche Alternative Rock-Ballade erscheint, rumort es darunter in Form von gequälten Schreien ganz gewaltig. Dazwischen schleichen sich immer wieder Klavierpassagen und Trap-Beat-Einsprengsel, die anschließend "Down" ganz ähnlich aufgreift.
Ihre Extreme erreicht die stimmliche Performance gleichwohl im Opener "Zero" und im Titelfrack "Generation Doom". Ersterer entpuppt sich als Gewaltorgie schlechthin. Auf den ersten Blick mag die "I don't give a fuck"-Hook arg abgedroschen wirken - die Umsetzung spielt in einer Liga mit Slipknot zu besten Zeiten. Wobei Otep Shamaya in Sachen Variabilität Corey Taylor hinter sich lässt und schon in Sphären Devin Townsends wandelt. Von hysterischen J-Metal-Ausflügen bis hin zum finalen 12-sekündigen Torture-Scream, der ohne Probleme auf einem Strapping Young Lad-Album landen könnte.
Und dann natürlich "Generation Doom". Schon in der ersten Hälfte dreht Otep komplett am Rad und erkundet ihre Bandbreite an Aggressionen. Verzweifelte Schluchzer reihen sich an tiefes Breakdown-Knurren, überlagert von Revoluzzer-Verkündigung. Das Schlimmste (positiv gemeint!) kommt aber im angeklebten Outro-Part. Nachdem die Band den Hörer kurz im Glauben lässt, es wäre vorbei, schlägt das wahre Monster erst noch zu.
Der Schlussteil zerreißt fast die Boxen, Drummer Mark Bistany trommelt sich in Ekstase und Shamaya treibt ihre Stimmbänder zum Äußersten. Ohne körperliche Schmerzen ist das kaum vorstellbar. Auch beim x-ten Durchlauf jagt mir dieses Finish noch einen Schauer über den Rücken.
Als wäre nichts gewesen, schlägt das abschließende "On The Shore" im Nachhinein ruhige Töne an und gibt sich geradezu friedlich: "I'm gonna sleep well sleep tonight / On the Shore / Beneath a emtee sky". Natürlich steckt auch hier mehr dahinter, das soll aber vorerst der eigenen Interpretation überlassen bleiben. Als eine Art Hidden Track beendet "You Call" die Reise mit einer knapp vierminütigen Ansprache im Angesicht einer zerbrochenen Beziehung. Augenscheinlich ebenso turbulent wie das zurückliegende Album.
In all ihrer Vielseitigkeit schafft es die "Generation Doom" trotzdem einen klaren Sound herauszukristallisieren. Der reine Hip Hop-Song "Equal Rights, Equal Lefts" reiht sich ebenso sinnvoll in die Argumentationskette ein wie Anleihen an modernen Pop ("Royals") und massenkompatiblen Alternative-Rock mit Ohrwurmgarantie und P!nk-Einschlag ("Lie"). Dazwischen lotet die Band dazwischen Brutalitätsextreme aus. Ein derart stimmiges Album wie dieses hört man selten.
11 Kommentare mit 8 Antworten
Dieses Album spielt nicht in einer Liga mit Slipknot, es klingt wie ein einfallsloser Abklatsch. Die gesamte Musik wirkt auf mich vollkommen altbacken. Und der Klang des Schlagzeugs ist grauenhaft.
slipknot ham aber auch nur zwei gute platten gemacht. der rest wird vollkommen überschätzt.
5 Sterne? Das war wohl tagesformabhängig? 3 für die balladesken, 4 Sterne für den Rest hättens aber auch getan.
Das ist tatsächlich über Wochen gereift
Die waren schon vor 10 Jahren Nu Metal B-Ware und sind es immer noch. Völlig überbewertet.
Hahaha... Die 5 Sterne sind ein Witz, oder? Die müssen ein Witz sein. Ich mein, der superdämliche Name der Platte, die billige Mad Max-Artwork-Kopie... und dann die Mucke!
Dachte beim ersten Track noch so "Ok, Shamaya hat ihren Lakaien aufgetragen, ihr persönliches "Iowa" auf Band zu prügeln." Doch dann kamen die völlig deplatzierten und willkürlich eingeworfenen Soundeffekte, die scheinbar die apokalyptische Stimmung des Albums unterstreichen sollen, aber weder den Songs selbst noch der gewünschten Atmosphäre zuträglich sind. Wirklich als ob Shamaya und der Producer nach dem Mix auf die Idee kamen: "Klingt noch zu wenig apokalyptisch, lass alle dünneren Stellen noch schnell mit Retortensounds wie dem Nachladen einer Shotgun oder dem schlagen von Metall auf Metall zukleistern!"... Und dann diese superlächerlichen Skits/interludes am Ende/zu Beginn mancher Songs... Fremdschamfaktor over 9000!
Einige Songs fände ich ohne dieses Klimbim echt erträglich, insgesamt habe ich aber das Gefühl, Otep haben sich an ihrem Konzept komplett verhoben. Zu aufgesetzt, zu sehr gewollt ohne es authentisch rüberbringen zu können. Für mich Anwärter auf den Award "Bestes unfreiwilliges ComedyMetal-Album 2016" und einer der wenigen Fälle, in denen Standard-Edele "3 Absätze / 3 Punkte"-Rezi völlig ausreichend gewesen wäre.
Habe gut gelacht, als ich den Stream angemacht habe
...und überhaupt: Das authentische Vertonen der Postapokalypse, ob in begleitender Mad Max-Optik oder besser nicht, bleibt nach ein- und letztmaligem "Genuss" dieser Platte allein Angelegenheit von Bands wie GY!BE oder Bohren. Was für eine Zeitverschwendung!
Otep haben eideutig hörbar ihre Hausaufgaben nicht gemacht, imho. Wenn das der Soundtrack der Postapokalypse ist, stelle ich (für lauti) sicher, dass mich die Apokalypse definitiv dahin rafft!