laut.de-Kritik

Schade, dass kein Winter mehr ist.

Review von

Mike Kinsella hat es wieder alleine gemacht. Das Mitglied von Aloha und Joan Of Arc begab sich abermals auf Solopfade und liefert mit "I Do Perceive" bereits seinen dritten Langrillen-Output zum Geschmackstest ab. Hilfe hat er diesmal lediglich von seinem Cousin und Joan-Of-Arc-Mitstreiter Nate Kinselle in Anspruch genommen. Entsprechend spärlich klingt das weiße Album dann auch, allerdings schadet das der Stimmung keinen Deut.

Schwermütig, ja beinahe zerbrechlich zeigt sich Kinsella a.k.a. Owen auf "I Do Perceive", die Akustikgitarre immer im Vordergrund, wenn auch manchmal kaum hörbar, unterstützt von einer zurückhaltenden E-Gitarre, einem leisetretenden Schlagzeug, zart gehauchten Synthie-Sounds oder - wie beim wohl eindringlichsten Stück der Platte, "Note To Self:" - unterwürfig arrangierten Streichern. Die Musik vermittelt eine große Intimität, wirkt fast verletzlich, und auch textlich kehrt Kinsella sein Innerstes nach Außen.

In "Who Found Who's Hair In Who's Bed?" beispielsweise rechnet er zu betörend schöner Musik mit einer Beziehung ab, während er in "Put Your Hand On Me, My Love" die Liebe beschwört. Die Zartheit der Musik bewirkt, dass man sich fast ein wenig wie ein Voyeur vorkommt. Den Multiinstrumentalisten scheint es allerdings nicht zu stören, man hat das Gefühl, er verliere sich voll und ganz in seiner Musik. In dieser Hinsicht erinnert er ein wenig an Conor Oberst, dafür leidet er nicht so offensichtlich wie der Bright-Eyes-Mann.

Stutzig macht allein die Tatsache, dass "I Do Perceive" aus nur acht Titeln besteht, die auf immerhin eine gute Dreiviertelstunde Spielzeit kommen. Genau hier liegt der Trick: Mike Kinsella lässt den Songs Zeit, sich zu entfalten, gibt ihnen fünf, sechs, oder gar sieben Minuten Raum. Was zur Folge hat, dass die poetischen Texte nicht durchweg im Vordergrund stehen und so die Musik zu Beiwerk degradieren. Owen ist genauso viel Gitarre wie Wort, auf "I Do Perceive" dürfen sich beide austoben, wenn man bei so feinfühliger Musik von austoben sprechen kann.

Ob es jetzt die schönen Texte sind oder die zartschmelzende Musik, meist gelingt es, sich auf das große Gefühl im minimalen Soundgebäude einzulassen. Wer das tut, erlebt ein leises, aber intensives Album, mit dem man leiden kann, wenn man leiden möchte, das aber auch die Kraft besitzt, aufzurichten, wenn man aufgerichtet werden möchte. Nur schade, dass die Tee- und Decken-Saison bald vorüber ist.

Trackliste

  1. 1. Who Found Who's Hair In Who's Bed?
  2. 2. Note To Self:
  3. 3. Playing Possum For A Peek
  4. 4. That Tattoo Isn't Funny Anymore
  5. 5. Put Your Hands On Me, My Love
  6. 6. She's A Thief
  7. 7. Bed Abuse
  8. 8. Lights Out

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LAUT.DE-PORTRÄT Owen

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