laut.de-Kritik
Politik ist tanzbar, Liebe sowieso.
Review von Florian Weigl1974, München: Deutschland steht gegen Holland im Finale der WM. Der Ausgang ist heute klar, aber die Bedeutung größer. Neben den beiden Mannschaften spielen auch zwei Systeme gegeneinander: deutsche Disziplin und Manndeckung gegen den niederländischen totalen Fußball, der mit seinen permanenten Positionswechseln und der Lust an Geschwindigkeit die Grundlage für den Tika-Taka legte, mit dem Spanien sich zu zwei EM- und einen WM-Titel spielen sollte.
2018, New York: Parquet Courts nehmen die Idee in "Total Football" wieder auf und machen sie zum Manifest: Tod den Individualisten ("and fuck Tom Brady!"), Liebe dem Kollektiv! Geschwindigkeit bleibt Trumpf, wenn sich Andrew Savage hier und in "Violence" politisch explizit wie sonst selten in Rage singt, etwa in Bezug auf Colin Kaepernick, ehemals Quarterback der San Francisco 49ers: "It is dishonest, nay, a sin to stand for any anthem that attempts to drown out the roar of oppresion." In "Before The Water Gets Too High" tauchen die ersten Dub-Einflüsse auf, und der Bass von Sean Yeaton (nicht so heimlicher MVP dieser Platte) funkt sich in den Mittelpunkt.
Produziert von Danger Mouse, bleiben die Art-Punk-Wurzeln weiterhin prominent, Talking Heads und Wire lassen grüßen. Parquet Courts erweitern sie aber um Funk. "And I bet that you thought you had us figured out from the start", snarkt Savage noch auf dem Opener, während sie später sowohl Parliament/Funkadelic und Townes Van Zandt ("Back To Earth" inklusive Akkordeonsolo) als auch Minutemen ("Wide Awake", "Normalization") zitieren.
Parquet Courts vollführen einen Drahtseilakt: Sie fordern, aber überfordern nicht. Predigen, ohne zu preachen. "Smiling all the while the paint chips off my mala prayer beads." Politik ist hier tanzbar, Liebe sowieso. "And there is romance in slow dances", croont Savage auf "Tenderness", das den Schmerz in Disco auflöst.
Andrew Savage, dessen Stimme und Lyrics in allem Zorn, Nostalgie und Zitaten nie ihren verletzlichen Optimismus verliert, hält diese Stilwut zusammen. "A list of regrets is no placte to be / I'm coming in late but I'll never modulate us / to the minor key", versteht er im wunderbaren Beatles-Wannabe "Mardi Gras Beads", und irgendwo geht gerade die Sonne auf.
1 Kommentar mit 3 Antworten
hab mir mal zwei tracks angehört. erinnert mich ein wenog an die sleaford mods. also ganz fürchterlicher scheiss.
sleaford mods? naaah
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.
Mit dem Minimal-Sound und angry Sprechgesprech von den Sleaford Mods kann man Parquet Courts nicht vergleichen. Das ist schon groovy Garagenrock/Post-Punk, wo der krumme Gesang zum Konzept gehört.