laut.de-Kritik

Poesie, Herzschmerz und Club Mate mit dem Großstadtmädchen.

Review von

Die die 20-jährige Paula Hartmann ist eine der neuen deutschen Musikhoffnungen. Ihr Debütalbum "Nie Verliebt" liefert in Zeiten von industriellem Radio-Pop und TikTok-Rap einen freshen Sound zum Berliner und Hamburger Großstadtleben. Dieser Sound ist unerwartet gut wie der erste Club Mate aus'm Späti, etwas Coming of Age angehaucht, aber dabei immer ultralässig und edgy.

Der erste Track "Nie Verliebt" ist die perfekte Hymne einer durchzechten Nacht irgendwo in Berlin. Oder in Paula Hartmanns Fall "zwischen Westend und Hermannplatz". Dort ist sie um halb drei nachts "auf der Suche nach der S-Bahn" und nimmt uns mit. Bus und Bahn hat sie wenig später gefunden: "Um fünf dann im Bus Richtung abgefuckt sein / Dusche, putz' Zähne und Aspirin rein / Haare nach hinten, die Stimme ist tief / Ich war noch nie verliebt, mhh, mhh". Musikalisch ein Genuss, lyrisch ein Meisterwerk.

In "Fahr Uns Nach Hause P1" lässt sich Paula Hartmann dann lieber fahren. Der Song ist eine Doppelsingle und das Gegenstück zu "Fahr Uns Nach Hause P2". Während Part 1 mehr Uptempo bietet, geht es bei dem zweiten Part langsamer zu. Cool klingt beides, doch spannender ist letztere Version. Die ist etwas Autotune-angehaucht und hat einen extrem lässigen Anfang.

"Veuve" ist vom Gefühl her nicht ganz so stark wie die Vorgänger, hat aber feierbare Lyrics wie "Fühl' mich wie Leitungswasser in 'nem teuren Glas", "Neunzehn, aber Workload zweimal nine-to-five" oder Highlight: "Die Füllung von mei'm Kissen: Dich vermissen". Der darauffolgende Track "Seidenkleid" hat einen Beat, der an Drakes "One Dance" erinnert. Poetisch wird es auch hier mit der Line: "Heute fühlt sich erwachsen sein erwachsen an".

Etwas kitschig wird es trotz Hip Hop-Vibe in "Unsere letzte Nacht". Der Text hat etwas von einer Netflix-Romcom. Noch kitschiger ist da nur das Feature mit Casper. Wobei es hier "Kein Happy End" gibt. Der langsam steigende Beat des Herzschmerzsongs lädt zum Mitwippen ein, hat absolutes Hitpotenzial und verbindet bestens beide Stimmen. Da alle guten Dinge drei sind, gibt es mit "Kugeln Im Lauf" einen weiteren Trennungssong. Die Kugeln hier tun vielleicht durch das relativ Mainstream klingende Stück etwas mehr weh, sind aber erträglicher als Herzschmerz.

Das Beste kommt zum Schluss könnte in dem Fall nicht besser passen: "Truman Show Boot" ist nicht nur eine Anspielung auf Jim Carreys "The Truman Show" (1998), sondern auch das Highlight der Platte. Neben dem Einstiegssong "Nie Verliebt" ist es ein weiteres Meisterwerk der Poesie. Oder wo gibt es Lyrics wie in der ersten Strophe: "Füße auf dem Sitz, S-Bahn Fensterplatz / Bin Club-Mate-wach, verstrahlt wie 'n Sendemast / Will nur gucken, ob ich ins Gedränge pass'" oder im Pre-Refrain: "Softpack links, grüner Schein in den Nikes / Carmex, Smints, Handy leer, Lippen wеich / Charged up, Jacke Daun, Traubenzuckеr zero-sized / Lebe in die Nacht hinein". Dazu wieder ein nicer edgy vibe. Besser hätten die "Gute-Nacht-Geschichten" nicht enden können.

All in all ist "Nie Verliebt" mehr als ein gelungenes Debüt. Der Sound der Großstadt trifft auf die Themen der Jugend: Beziehungen, Erwachsenwerden und die damit verbundenen Probleme. Mit höchster Intensität teilt Paula Hartmann ihre Gefühle und schildert Alltagsbeobachtungen, die mehr aussagen. Vor allem die ersten Songs und der letzte überzeugen. Ein wahrlich modernes Märchen aus der Großstadt.

Trackliste

  1. 1. Nie Verliebt
  2. 2. Fahr Uns Nach Hause P1
  3. 3. Fahr Uns Nach Hause P2
  4. 4. Veuve
  5. 5. Seidenkleid
  6. 6. Unsere Letzte Nacht
  7. 7. Kein Happy End
  8. 8. Kugeln Im Lauf
  9. 9. Truman Show Boot

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LAUT.DE-PORTRÄT Paula Hartmann

Ab wann hat es ein*e Musiker*in geschafft: Mit dem ersten Album, Probs von Hafti oder einem Feature mit Casper? Bei Paula Hartmann ist dies alles schon …

11 Kommentare mit 12 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    "Musikalisch ein Genuss, lyrisch ein Meisterwerk."

    Aber natürlich. ;-)

    • Vor 2 Jahren

      Wenn's nicht so wäre, würde es doch wohl kaum in der Rezension stehen, mein lieber Schwingi.

    • Vor 2 Jahren

      Solche Sätze kann man bei einer 20-jährigen Debütantin eigentlich nur ironisch lesen. Dagegen spricht die Bewertung. Kann es sein, dass die Rezensentin zur selben Generation gehört?

      Für mich (andere Generation :) gehört zu einer "Musikhoffnung" jemand, der*die
      a) die Songtexte nicht bei Fließband-Schreibern bestellt und
      b) als Melodie der Songs mehr anbietet als die aktuellen Autotune-Charts-Rapper

      Das wirkt insgesamt wie der erneute Versuch, ein zielgruppengerechtes Produkt am Markt zu platzieren – was meistens das Gegenteil von Musik ist …

    • Vor 2 Jahren

      Die Rezension ist offensichtlich von jemand Unerfahrenem geschrieben. Klar liest sich das abgeschmackt und dümmlich. Aber so lesen sich am Anfang eben alle Texte. Halb so wild. Weitermachen, besser werden!

      Album ganz klar ne großzügige 1/5.

    • Vor 2 Jahren

      Da wird der Autorin massiv unrecht getan. Klar ist die Sängerin nicht Goethe. Aber poetisch ansprechend sind die Texte auf jeden Fall. Erstmal anhören, dann beurteilen

    • Vor 2 Jahren

      Im alten Genre des deutschen ziellos-gefühlsduseligen Textens übers Nichts ist das vielleicht ganz gut, ja. Jedenfalls voll echt und so. Sagt auch schon der klangvolle Name "Paula Hartmann". Mit der kann man rumhängen und Biolimonade trinken.

    • Vor 2 Jahren

      Hi ihr Alle, ich bin Lena Bayer, 21 und liebe Musik. Ständig bin ich auf der Suche nach brandneuen Hits und alten Schätzen. Seht und vor allem hört euch an, welche Songs mich in der vergangenen Woche bewegt haben.

    • Vor 2 Jahren

      Alte, weiße Männer spielen mal wieder die Kunstpolizei.

  • Vor 2 Jahren

    "eine der neuen deutschen Musikhoffnungen" … Welche anderen sind gemeint?

  • Vor 2 Jahren

    Truman Show Boot ist schon geil. Leider kann sie aber nur diesen einen Song schreiben.