laut.de-Kritik

Aller guten Dinge sind drei.

Review von

Was sich über die letzten Jahre hinweg zunehmend anbahnte und mit jedem neuen Projekt unausweichlicher schien, haben Peach Pit im dritten Anlauf endlich in die Tat umgesetzt. Nach ihren ersten beiden hochklassigen, aber nicht herausragenden LPs "Being So Normal" und "You And Your Friends" ist "From 2 To 3" nun genau dieses eine Album mit einem rundum gelungenen Gesamtbild, nach dem jeder Act im Laufe der Karriere so sehr strebt.

Der Titel der Platte ist keineswegs auf den Übergang vom letzten Album hin zu diesem Projekt bezogen, sondern vielmehr auf die intimen Gefühle und das Leben im Zeitraum dieser nächtlichen Stunden. Dabei kreiert das Quartett aus Vancouver mit unnachahmlichem Gespür für Storytelling und Expression von Emotionen, im Rahmen des Albums von Anfang bis Ende eine fesselnde Atmosphäre, die die verschiedensten Geschichten, Gedanken und Gefühlszustände nachdenklicher Nächte lebensnah und nachvollziehbar in Szene setzt.

"From 2 To 3" ist eine emotionale Reise, die in "Up Granville" ihren Anfang findet. Mit der gewohnt meisterlichen Gitarrenarbeit von Lead-Gitarrist Chris Vanderkooy und dem wärmenden Gesang von Sänger Neil Smith, offenbart der Opener gleich zu Beginn das Gefühl von Nähe und Vertraulichkeit, das die gesamte Platte umspannt. In der Folge steigern sich zusätzlich auch die Energie und die Intensität immer weiter. "Vickie", der poppigste Upbeat-Track der LP, gleitet als rhythmisch treibende, platonische Liebeserklärung an Neils beste Freundin mit einer ordentlichen Portion Sarkasmus und Wortwitz nur so vor sich hin: "If you lived right down the street / You'd bе hanging 'round me like a creep / That's why I like you though."

Neil glänzt an dieser Stelle, wie auch auf dem gesamten Projekt, abermals als unglaublich intuitiver Melodie- und Songschreiber. Wer in der Vergangenheit bereits einige seiner YouTube-Tutorials zu diversen Peach Pit-Songs gesehen hat, weiß dass musiktheoretisches Wissen und Regeln in seinem Kosmos kaum eine Rolle spielen. Dennoch und vielleicht sogar gerade deshalb trifft jede Melodie bis ins Mark und verleiht der Songkollektion den perfekten emotionalen Rahmen.

In "Pepsi On The House" und dem Highlight des Albums, "Lips Like Yours", geht es genauso aufregend weiter. Gleichzeitig kommt es auch bereits jetzt zum energiegeladenen Höhepunkt. Vor allem die Drums von Schlagzeuger Mikey Pascuzzi knallen ohne Kompromisse durch die beiden Arrangements und verleihen dem Mix eine ruppige Note. Während "Lips Like Yours" mit Chris‘ Gitarrenriffs und einer abwechslungsreichen, aber dennoch perfekt ineinandergreifenden Songstruktur ab der ersten Sekunde ein wahrer Ohrenschmaus ist, erscheint "Pepsi On The House" als "a lil' sunday driving song", wie ihn die Band auf Instagram selbst beschreibt, genau zum richtigen Zeitpunkt in der Tracklist und sorgt für eine explosive Katharsis.

An diesem Punkt hat sich auch bereits heraus kristallisiert, dass die Band ihre musikalische Grundausrichtung im Vergleich zu den bisherigen Werken hin zu einem deutlich akustischeren Setting mit einer klaren und knackigen Produktion gewandelt hat. Das altbekannte DIY-Indie-Pop-Feeling bleibt zwar vereinzelt erhalten, der Fokus liegt dieses Mal aber vielmehr auf den Einflüssen aus Genres wie Folk, Country, Americana sowie dem 60er und 70er-Jahre Rock. Zurückzuführen ist diese neuentflammte Akustikliebe auf Peach Pits Lockdown-Besessenheit von Acts wie Neil Young, den Traveling Wilburys, Tom Petty, die Eagles, Glen Campbell und die Beatles, aber auch den einzelnen Solo-Projekten von George Harrison, John Lennon und insbesondere Paul und Linda McCartneys "Ram".

Die Folk- und Country-Aspekte sind gerade in "Look Out!" deutlich zu spüren, das reduziert auf eine Akustikgitarre, eine Mundharmonika, einen Shaker und vereinzelte Gitarren-Slides zum richtigen Zeitpunkt die ruhigere und zurückhaltendere Phase des Albums einläutet. Dass die Jungs aus Vancouver dieses zurücknehmende und introspektive Gewand jedoch genauso kompetent und gefühlvoll umsetzen wie die Upbeat-Gegenparts, zeigt sich sofort. Während "Everything About You" mit beengendem Ambiente und ungewöhnlichem Aufbau für durchgehende Gänsehaut sorgt, eröffnet "Give Up Baby Go" mit der schonungslos ehrlichen Line "Last night I got drunk" und verkörpert die Kenn dein Limit-Prämisse des Songs in der Folge mit hypnotisierenden, betrunken klingenden Gitarren-Arpeggios authentisch und punktgenau.

Nachdem man im Angesicht einer tumultartigen, gefühlschaotischen Nacht somit wohl am Tiefpunkt angekommen wäre, hebt die Gruppe die Stimmung zumindest musikalisch noch einmal etwas an und kreiert einen versöhnlichen Abschluss. Von einem Happy End auf lyrischer Seite kann man zwar dennoch kaum sprechen, da die Songs der Jungs fast nie ohne den deprimierenden Unterton auskommen. Jedoch reihen sich "2015" und der abschließende Titeltrack "From 2 To 3" musikalisch genau zwischen der explosiven Anfangsphase und dem in sich gekehrten Mittelteil der Platte ein.

In seiner Gesamtheit ist "From 2 To 3" eine durchweg stimmige, lyrische sowie musikalische Gefühlsachterbahn, die mit individueller Klasse überzeugt, aber vor allem durch viel Hingabe und das kohärente Zusammenspiel ihrer authentischen Songs über sich hinauswächst. Diese Qualität macht die Geschichten so nachvollziehbar und obwohl sich mit dem zurückhaltenden "Last Days Of Lonesome" und dem geradlinigen "Drips On A Wire" zwar auch zwei Songs einschleichen, die knapp die Qualität der anderen Stücke verfehlen, zeigt sich die Stärke des Gesamtbildes gerade durch diese beiden, da sie keinesfalls störend wirken und ohne sie sogar etwas fehlen würde.

Somit sorgen Neil und Co. für ein meisterhaftes Hörerlebnis mit einem undurchlässigen Nostalgiefilter, das in Form seines wärmenden Charakters und seiner abwechslungsreichen Atmosphäre nicht nur für Mitgefühl sorgt, sondern gleichzeitig auch unzählige melancholische, freudige, traurige, versöhnliche, enttäuschende und euphorische Erinnerungen des eigenen Lebens hervorruft.

Trackliste

  1. 1. Up Granville
  2. 2. Vickie
  3. 3. Lips Like Yours
  4. 4. Pepsi On The House
  5. 5. Look Out!
  6. 6. Everything About You
  7. 7. Give Up Baby Go
  8. 8. Last Days Of Lonesome
  9. 9. Drips On A Wire
  10. 10. 2015
  11. 11. From 2 To 3

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