laut.de-Kritik

Von Träumen und dem realen Klimawandel.

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Mit großen, von Funk-Violinen untermalten Schritten stapfen die People Under The Stairs letztmalig in die Arena. "Encore". Die mikroperkussiven Beats in "Reach Out" intonieren uraltes Blaxploitation-Feeling, so fiebrig wie in den 70ern, als viele Bands Conga-Trommeln in Soul und Funk einflochten. Die Musikindustrie habe ihre Experimente gehasst, trägt Thes One vor, "hard to get on the Billboard".

Ja, in die Billboard-Crossover-Charts drangen sie nie vor. "Reaching ghettos of your mind", in die Ecken unserer Gedankenwelt vordringen: Klar taten sie - das mit fantasievollen Hörspiel-Dialogen und Texten, die mitunter ungeordnet, assoziativ und phänomenologisch waren. Manches davon kehrt auf "Sincerely, The P" zurück, doch der Ansatz ist diesmal musikalischer, weniger lyrisch.

Das Business: Wenn sie alle Markennamen von Schuhen, die sie getragen und besungen, oder Biersorten, von denen sie genippt und über die sie gerappt haben, mit Werbedeals verknüpft hätten, wären sie jetzt wohl stinkereich. Dass sie das nicht sind, hindert nicht am Träumen: In "Stars In The House" äußern sie den Wunsch, noch Stars zu werden, und zitieren dafür den Kinderspruch bzw. Liedtitel "Wishin' Upon A Star".

Jenseits der Selbstbeschäftigung sind die People dort viel kraftvoller, wo sie präzise über uns alle (oder viele) sprechen: "The Effects Of Climate Change On Densely Populated Areas" ironisiert den so genannten Klimawandel, weil er die Unschärfe des Begriffs lächerlich macht: Frauenstimmen quieken im Refrain schrill immer wieder "Heat Wave", ein Sample von Martha Reeves & The Vandellas, damals ein Lied über Hitzewallungen des Verliebtseins, jetzt zweckentfremdet für extreme Warmwetterperioden in Kalifornien.

Die PUTS verzieren diesen Tune mit Acid-Jazz und sammeln etliche Alltagsbeobachtungen ein: Kinder, die im Pool baden. Fenster, die offen stehen wegen der Hitze, so dass man nie Ruhe hat, mehr Alkohol trinkt und die Rate der häuslichen Gewalt ansteigt. ""People get high and they kill, it's as some big as they say, it's hard that no one can chill": Das alles klingt zwar verquast und übertrieben, doch schon wieder so poetisch, dass es zum Nachdenken über den Klimawandel anregt: Was passiert im Jetzt?

Worauf sie hinaus wollen: Meist fallen im Kontext des Climate Change Begriffsfetzen wie 'Die Zukunft unserer Kinder'oder 'Klimaflüchtlinge', was alles weit weg zu sein scheint. Dass immer mehr Menschen in Metropolen leben und alleine das, schon merkwürdig ist, darüber staunen die beiden Rapper aus L.A. ansteckend schrill und überzeugend plastisch.

Jedem Tune verpassen die PUTS ein sehr individuelles Outfit: Psychedelische Acid House-Beats zu stoischem Kurtis Blow-alike Oldschool Rap gerinnen zur Songstruktur von "Hard", mit ein paar brutalen Scratchings am Ende des Tracks. Mellow läuft der Westcoast-Flow-Soul in "Let The Record Show", straffen instrumentalen Souljazz mit einem langen Bassgitarrensolo rollen sie in "The Red Onion Wrap" ein. "Redeemer" ist funkifizierter Rap. Kongenial verfremden sie Beach Boys-Samples (aus "I Get Around") im entspannten, halb instrumentalen, angejazzten "We Get Around".

Das verträumte und sensitive "Letter To My Son" zeigt besonders deutlich, wie die People Under The Stairs ihre Tracks gut zu arrangieren pflegen, ausgefeilte Zwischentöne einarbeiten, nostalgisch ein Soul-Piano benutzen, und ihre Lyrics in Textpausen lange nachwirken lassen. Sie machen sogar eine Masche daraus, instrumental auszuleiten und freie Flächen stehen zu lassen, verzichten dafür auf jegliche Interludes und texten keine Silbe zu viel (anders als frühere Alben wie "Fun DMC" es taten).

Bei den PUTS ging es nie nur um den schnellsten und frechsten Reim, sondern um die harmonische Verpackung. Und da sie nie derogativ oder vulgär texten, muss man extrem auf die Texte achten, um ihnen beispielsweise in "Family Ties", einem der musikalisch prägnantesten Tunes, folgen zu können. Die Deutung obliegt dann weitgehend beim Hörer

Double K und Thes One wirken nicht so, als ob sie noch an großen Botschaften interessiert sind. Sie tischen lieber ein sehr gutes Instrumentalbrett nach dem anderen auf, zu dem ihnen manchmal kein Text einzufallen scheint. In "Dream Sequence '88" streuen sie dazu eine Prise Roy Ayers/RAMP in Drums, Melodie und Vokal-Samples und betonen, der Track stehe für das Ganze: chillen und sich an gute Zeiten erinnern. Dafür liefern sie einen hervorragenden Soundtrack.

Trackliste

  1. 1. Encore
  2. 2. Reach Out
  3. 3. Let the Record Show
  4. 4. Hard
  5. 5. The Effects of Climate Change on Densely Populated Areas
  6. 6. The Red Onion Wrap
  7. 7. Redeemer
  8. 8. Streetsweeper
  9. 9. We Get Around
  10. 10. Stars in the House
  11. 11. Here, for a Good Time
  12. 12. Letter to My Son
  13. 13. Family Ties
  14. 14. Dream Sequence '88
  15. 15. The Sound of a Memory

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