laut.de-Kritik
Der Angriff der Horrorameisen.
Review von Jasmin LützIch denke ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass die Serie "Twin Peaks" von David Lynch eine der besten TV-Mehrteiler (abgesehen von "Ausgerechnet Alaska" und "Remington Steele") aller Zeiten war und ist. Und welcher Fan hat nicht den zauberhaften Soundtrack mit der unglaublichen Stimme von Julee Cruise im Regal stehen?! Einige Jahre später bekommt man die zierliche Frau gemeinsam mit Pluramon erneut auf Platte gepresst, und sie zieht einen immer wieder in ihren aparten, verführerischen Bann.
Hinter Pluramon verbirgt sich das Multitalent Marcus Schmickler (A-Musik). Der sich nicht nur in Köln als studierter Komponist und Musiker einen Namen gemacht hat. Kein Wunder, dass "Dreams Top Rock" endlich auf dem rheinischen Label Karaoke Kalk veröffentlicht wurde. Damit zeigen die Chefs, dass nicht nur Techno und Elektro die Szene beherrschen. Die Liebe zum Rock und zu krachigen Gitarrenmelodien vergeht wohl trotz Multimedia-Technik und allerlei Soundknöpfen niemals. Das hört man schon zu Beginn der Platte mit "Time For A Lie", am Ende des Stücks lässt der Krach langsam nach und verhallt mit leisen Pianotönen. Die schönste Zeit für eine Lüge!
Von Schwindel kann hier aber keine Rede sein. Pluramon präsentiert mit "Dreams Top Rock" eine melancholische, dramatische Zauberwelt, die für eine neue Staffel Twin Peaks durchaus als musikalische Untermalung dienen dürfte. Seine Liebe zu 90er Jahre Rockbands bahnen sich dabei durch jeden Song. Eine hörbare, teils schräge und sehr eigene Geräuschewand bilden insgesamt die zehn Stücke auf diesem Longplayer.
"Noise Academy" ist eine wechselhafte Begegnung zwischen Elfenchor und dem Angriff der Horrorameisen. Weiter geht es teilweise vielleicht ein bisschen zu experimentell ab ("PS"); doch sofort wird man beruhigt und getröstet durch "Flageolea" und träumt vom nächsten Frühlingsanfang. Pluramon verblüfft immer wieder mit Haare schwingenden Beats, der zauberhaften Stimme von Miss Cruise und ordentlichen Stadionrock-Gitarren ("Hello Shadow"), die dann sofort in ein harmonisches Akustik-Popstück mutieren dürfen ("Difference Machine").
Julee Cruise ist mit dieser Zusammenarbeit rundum zufrieden. Sie nennt zwar Marcus Schmickler einen Sklaventreiber, weil er sehr anstrengend und genau arbeitet, findet dies aber wiederum sehr bemerkenswert und hält ihn für einen begnadeten Musiker. Zuvor stürzte sie sich schon in andere Projekte (z.B. mit Khan), um vom Bardamen-Image David Lynchs Abstand zu bekommen. Bei so einer auffälligen Stimme dürfte das allerdings schwierig sein. Und gegen einen Hauch von Nostalgie hat wohl niemand was einzuwenden.
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