laut.de-Kritik
Sieben Mal "Love" in 14 Titeln, ein echter Liebesbrief.
Review von Dani FrommSchmachtbarde R. Kelly schreibt einen Liebesbrief. Klar, dass da das höchste der Gefühle schon in der Trackliste aus jeder Zeile trieft. Sieben Mal "Love" in 14 Titeln - hier wird nicht gekleckert, hier wird geklotzt. In Herzform.
Selbst für R. Kellys schärfste Kritiker dürfte wohl außer Frage stehen, dass man es in ihm mit einem ganz außergewöhnlich gesegneten Sänger zu tun hat. An seiner Darbietung bleibt qualitativ entsprechend wenig auszusetzen. Mr. Kelly interpretiert seine Nummern ohne Tadel, schwoft stets sicher, souverän gar, über vertrautes R'n'B-Parkett. Das allerdings haben beflissene Produzenten allzu glatt gebohnert. Keine Staubfluse, kein Schweißtröpfchen trübt den Hochglanz.
Viel zu viel Beiwerk schmälert den guten Eindruck, den prachtvoll potente Bässe hinterlassen wollen. Darüber geworfene Klavierakkorde, Streicherschmonz oder die ewig klingelnden Chimes ersticken aufkeimendes Vergnügen im Keim. Wo das nicht genügt, schickt man den Orchester-Bulldozer: "Music Must Be A Lady" zeigt die verheerenden Schneisen, die dieser schlägt.
Wenig bis gar nicht abgelenkt von musikalischen Einfällen oder überraschenden Wendungen fällt das Augenmerk unweigerlich auf die inhaltliche Ödnis. Von "sweet dreams, butterflies, holding hands, side by side" kündet der jodelnd eröffnete "Love Letter" an die Damenwelt. "Cocktails, happy hours, wedding bells baby showers" - spätestens jetzt gelüstet mich mach einem zünftigen Insane Clown Posse-Track, "In Yo Face".
"Baby, you are the song of my life. And the sweetest melody." Track Nummer drei - und das Gefühl, dass der R. Kelly zur Verfügung stehende Wortschatz doch erheblich begrenzt ausfällt, lässt sich schon jetzt kaum noch abschütteln. "I love making love to your eyes": Macheten schwingende Clowns werden nicht mehr ausreichen, um die Bilder aus meinem Kopf zu vertreiben.
Von einem versierten Sänger erwarte ich - zumal wenn er auf dem Cover dermaßen frech auf Ray Charles macht - dass er Emotionen transportiert. Auf "Love Letter" tönt allerdings vollkommen gleich, ob R. Kelly von verzehrender aktueller, gerade im Schwinden begriffener oder längst erloschener Liebe singt.
Wo versucht wird, den Geist der Motown-Ära zu beschwören, bleibt "Love Letter" im Nachahmen stecken. Neues hat R. Kelly dem Bewährten offenbar nicht hinzuzufügen. So gerät auch seine am Ende versteckte Hommage an Michael Jackson zu einer zwar gekonnten, aber dennoch schnöden Imitation.
Spätestens, wenn die "wedding bells" und "baby showers" aus dem Titeltrack zum zweiten Mal im "Christmas Remix" aufgefahren werden, ist mir restlos klar, dass ich mir liebliche kleine Melodien wie diese tausendmal lieber in "Everybody Had A Hard Year" von März zu Gemüte führen mag. Der geradezu ekelhaft bemühte "Freestyle"-Part am Ende setzt ein dickes Ausrufezeichen unter diesen Entschluss.
Man könnte diesen "Love Letter" grußlos und ohne Bedauern dem Altpapier überantworten, gäbe es nicht die eine, die rühmliche Ausnahme. Ein einziger Track führt lebhaft vor Augen, was R. Kelly hätte liefern können, hätte er sich häufiger von herrschenden Urban-Schmalz-Konventionen befreit: Die unwirkliche, dreckige, ungemein bildhafte Story von "Taxi Cab" bietet seiner Stimme endlich die Kulisse, die sie eigentlich auf Albumlänge verdiente.
27 Kommentare
Amen. Wenn schon nicht die musikalische, so hat er spätestens mit diesem Dokument also die gesellschaftliche Rehabilitation abgeschlossen. Obwohl, obs die musikalische wird, zeigt sich ja erst noch anhand der Verkaufszahlen, respektive der vielerorts revidierten Berichterstattung/Meinung zum Album, wenn die Scheibe erst mal läuft wie geschnitten Brot...
hä?
Ironie, Sarkasmus gar.
gurke und progg: jup, Alicia, Erykah und mit Abstrichen John Legend sind bekannte RnB/Soul-Größen die sehr klar gehen, abseits davon gibt es aber noch Tonnen mehr guten Stuff - nur halt nicht für die Charts, plastik-look-Videos und Co..
48 stunden
word irgendwas verwerfliches muss man ja als künstler an sich haben, ddamit man ernst genommen wird
sehr komisch dass das album sowohl von fans als auch kritikern (Grammy-Nominierung) hoch gelobt wird und bei laut wieder total zerfetzt wird...