Porträt

laut.de-Biographie

RAF Camora

"Ich war schon immer ein Typ, der eine gespaltene Persönlichkeit hat." Da liegt es natürlich nahe, sich zu verwandeln: RAF Camora verwandelt sich in RAF 3.0, und anschließend wieder zurück.

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Wo die eigentlichen Ursprünge des Rappers und Produzenten liegen, lässt sich gar nicht so leicht auf einen Punkt bringen. Daran haben sich schon Savas und Sido beim Rapquiz die Zähne ausgebissen.

Geboren ist RAF alias Raphael Ragucci am 4. Juni 1984 in Vevey, also im französischsprachigen Teil der Schweiz. Aufgewachsen ist er jedoch im multikulturellen Wiener Bezirk Fünfhaus. Er wohnt später in Berlin, Familie hat er auch noch in Neapel.

Die mehrsprachigen Einflüsse seines Umfelds in Wien treiben RAF im Alter von 14 Jahren zu ersten Raps in französischer Sprache. Hier bastelt er auch bereits an seinen ersten Beats.

Wie es sich für einen echten Rapper gehört, muss RAF sich den Duft von Asphalt um die Nase wehen lassen. Also läuft der Teenager noch im selben Jahr von zuhause weg und verbringt ein Jahr auf den Straßen Wiens.

Nach einigen Projekten in der österreichischen Hip Hop-Szene, wie Rapatoi mit einem polnischstämmigen Freund oder der französischsprachigen Crew Assaut Mystik, lernt RAF den Freestyler Joshimizu kennen. Die beiden gründen mit der Yugo-Crew Balkan Express zusammen Family Bizz.

Die 16-köpfige Gruppe bekommt bald ein Angebot von Headquarter Records, einem Label, bei dem auch Chakuza und DJ Stickle unter Vertrag stehen. Obwohl die Crew mit Auftritten auf dem Splash! und als Support einiger namhafter Acts einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht, trennt sie sich nach nur eineinhalb Jahren wieder.

Von 16 Heads bleiben nur noch Joshimizu, DJ Mezuian, Pimp Beats und RAF Camora übrig. Die nimmt EMI Austria unter Vertrag. Sie avancieren mit zwei Releases, Chart-Erfolgen, dem Life Ball-Song und der Teilnahme beim Ö3 Soundcheck zu einer der bekanntesten Rapcrews Österreichs.

RAF Camora - XV RR Edition
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2006 trennt sich erneut die Spreu vom Weizen. Übrig bleibt der harte Kern der Anfangstage: RAF und Joshimizu, die fortan gemeinsame Sache mit Chakuza machen. Mit Features auf Chakuzas und Bizzy Montanas "Blackout" behauptet sich RAF das erste Mal auch in der deutschen Szene. Hier rappt er nach wie vor noch auf Französisch. Das ändert sich erst, als er mit Kumpel Emirez von Balkan Express die "Skandal EP" veröffentlicht.

Im März 2007 zieht RAF nach Berlin und begleitet Chakuza auf dessen Debütalbum "City Cobra". Der gemeinsame Titelsong landet in den deutschen Top Ten. Als Appetizer zu seinem Album wirft RAF 2008 das Streettape "Therapie Vor Dem Album" unters Volk. Sein Solodebüt "Nächster Stopp Zukunft" erscheint 2009.

Der endgültige Durchbruch in Österreich gelingt dem Rapper allerdings erst zusammen mit Kollegah Nazar mit dem gemeinsamen Projekt "Artkore". Nach Kollaborationen mit Chakuza und Sido und der Platte "Therapie Nach Dem Album", auf denen sich Manuellsen, MoTrip und Silla die Ehre geben, verkündet RAF Camora 2011 seine Transformation in sein neues künstlerisches Ich, RAF 3.0. Das erste Werk unter neuem Namen erscheint im Februar 2012.

Das Spiel mit dem Alter-Ego ist spätestens seit Marteria und dessen grünem Gefährten Marsimoto nichts Neues mehr in der Szene. Nur hat RAF im Gegensatz dazu nicht vor, RAF Camora neben RAF 3.0 als Nebenbuhler zu akzeptieren. Den Produzenten RAF Camora gibt es zwar noch, der produziert ja auch RAF 3.0, aber ansonsten: "Camora - der liegt rum, Alta, der ist unter der Erde und deprisiviert."

Was der neue RAF nun im Gegensatz zum alten für Musik macht? Reggae- und Dancehall-Einflüsse sind nicht zu überhören. Der Berliner Produzent KD-Supier (unter anderem verantwortlich für Produktionen von Harris, Megaloh und K.I.Z.), der drei Wochen mit RAF in Malaga am neuen Album bastelt, meint im Interview mit 16bars: "Naja, das ist schon ein bisschen schwierig, weil es halt ein großer Mischmasch von verschiedenen Musikrichtungen ist. Das gabs noch nicht - auf Deutsch zumindest. Wir nennen es einfach 3.0-Style."

Ob nun RAF Camora oder RAF 3.0: "Musik hat mich immer aus meinen Psychosen und Neurosen rausgeholt", sagt das neue Ego, und das ist doch die Hauptsache.

Wahnsinnig tief kann RAF den Camora nicht verscharrt haben: Noch im Jahr 2012 erhebt sich der eigentlich eingemottete Alias aus der Asche. Ragucci verspricht ein Streetalbum unter dem Namen RAF Camora und löst dieses Versprechen mit "Therapie Nach Dem Tod" im August auch ein. "Hoch 2", erschienen im Juli 2013, bleibt das letzte Lebenszeichen von RAF 3.0.

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RAF Camora dagegen stellt sich als äußerst umtriebig heraus. Mit Indipendenza ruft er seine eigene Labelplattform ins Leben, außerdem kooperiert er mit Joshi Mizu und Chakuza für "Zodiak".

Das nächste Kapitel seiner Erfolgsgeschichte schrieb RAF Camora allerdings zwei Jahre später. Seinem Soloalbum "Ghost" legt er im Herbst den ersten Teil dessen nach, das sich als Anfang einer Trilogie herausstellen soll: Mit "Palmen Aus Plastik" gießen RAF und Bonez MC Afrotrap für den deutschsprachigen Markt auf und gehen durch die Decke: Es hagelt Platin- und Diamantauszeichnungen, dass das Album und seine Singles die Charts dominieren, versteht sich fast von allein.

Das machen die beiden in den Folgejahren nochmal und nochmal, ist doch wohl klar. Oder?

Nein, so klar ist das nicht. Zwischendurch scheint RAF Camora die Schnauze doch ziemlich voll zu haben. Mit seinem Album "Zenit" kündigt er den Rückzug aus dem aktiven Rap-Geschäft an. Er wolle sich fortan nur mehr um Labelbelange, Nachwuchsförderung und Management-Belange kümmern, außerdem um seine Modelinie und seine Autobiografie, die 2021 unter dem Titel "Der Pakt" erscheint.

Eine Abschieds-Tour zu "Zenit" soll es noch geben, danach sei Schluss, erklärt RAF Camora, allein: Schluss war schon vorher. Wie quasi allen anderen Künstler*innen durchkreuzt die Covid-Pandemie auch die Pläne des Herrn Ragucci mit dicken Strichen. Die Termine müssen so oft verschoben werden, bis der eigentliche Anlass der Tour in Vergessenheit geraten scheint.

Vom Eintritt in die Rap-Rente redet jedenfalls bald niemand mehr. RAF veröffentlicht (wie schon bei "Anthrazit") eine Bonusedition seines Albums "Zenit", ein Comeback-Album mit dem wegweisenden Titel "Zukunft", dem seine Fortsetzung unmittelbar auf dem Fuß folgt, und, wie bereits erwähnt, brüht er das inzwischen schon etwas schale "Palmen Aus Plastik"-Konzept zum dritten Mal auf.

Statt sich zu verabschieden, kündigt RAF Camora 2023 das nächste Solo-Album an. Inzwischen scheint er unter die Zahlenmystiker gegangen zu sein: "Vor 15 Jahren kam 'Therapie vor dem Album'", erklärt er. "Vor 15 Jahren ging es vom 15. Bezirk nach Berlin. In einer Stunde geht es los mit dem Startschuss zum 15. RAF Camora-Album: 'XV'. Ich habe mich in meinem Leben nie kompletter gefühlt als jetzt. Musikalisch, körperlich und mental." Glückwunsch - auch zu seiner prophetischen Gabe. Schon vor der Veröffentlichung von "XV" weiß RAF Camora nämlich: "'XV' spielt für mich in einer Liga mit meinen besten Alben - 'Anthrazit' & 'Zukunft'."

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