Rap-Songs mit aus Hits geborgten Nostalgie-Samples boomen. Doch was leistet die Erfolgsformel wirklich? Wir sortieren die Resultate nach Nutzlosigkeit.
Berlin (ynk) - Die Kunst des Samplings macht gerade harte Zeiten durch. Phasen der Faulheit hat es immer wieder gegeben, wir erinnern uns an Diddy über The Police oder die Black Eyed Peas mit ihrem "The Time"-Cover. Aber seit dem Lockdown sind wir doch in einer ganz besonders nichtssagenden Ära gelandet: Es boomt der Rap-TikTok-Hit mit dem Famehook-Sample, Musik in ihrer algorithmischsten und unkreativsten Form. Anders lässt sich kaum erklären, dass auf den sterblichen Überresten von "I'm Blue (Da Ba Dee)" in den letzten Jahren zwei (!!!) Hits gewachsen sind. Wir sortieren nach dieser Formel entstandene Tracks einmal und bewegen uns dabei ...
... von den besten Sample-Hits zu den schlechtesten
Warnung vorab: Irgendwann geht es uns wohl allen so, aber ich bin sowas von in meiner kulturpessimistischen Boomer-Ära angekommen. Es ist so schlimm, dass ich sogar ein waschechtes Boomer-Meme gemacht habe:
Was nicht heißen soll, dass ein Song nach der Formel "Rap + Hook aus einem allseits bekannten Hit" per se scheiße ist. Man kann ja immer noch Songs rekontextualisieren, spannend in neue Zusammenhänge setzen oder einfach musikalisch gut damit arbeiten. Wie wir in der Slideshow aber sehen, sind die gelungenen Experimente dieser Art so rar gesät wie die Negativbeispiele vielfältig. Da stellt sich nun zurecht die Frage: Wieso ist ein Trend so groß geworden, der so viel schlechte Musik produziert?
Das hat zwei Gründe, der erste ist ganz pragmatischer Natur: 2018 und 2019 gab es eine große Welle in der Drill-Welt, die experimentell herausgefunden hat, dass Gimmick-hafte, ironische Pop-Samples im Kontrast mit supergewaltsamem Rap überraschend verlässlich ein Ticket in den Mainstream lösen. Das ist zwar eine Nische für sich, aber hat erwiesen: TikTok fährt auf alles ab, das seine Nutzer*innenschaft die eigene Kindheit erinnert. Diese Songs sind virtuos darin, eine Reaktion aus einem großen Publikum herauszukitzeln. Die Formel mutierte über Artists wie Lil Uzi Vert, Coi Leray oder Jack Harlow erst in den Rap-Mainstream, dann in den internationalen Pop.
Nostalgie regiert die Welt
Der zweite Grund ist darin quasi schon enthalten: Nostalgie regiert eben die Welt. Gerade in unsicheren Zeiten wie den unsrigen stützen sich die Leute auf Wohlbekanntes. Stand Ende Februar, sind zum Beispiel 15 von 50 der meistgehörten Songs des Tages in den US-amerikanischen Spotify-Charts mindestens ein paar Jahre alt. Auch Labels wissen: Aktuelle Musik wird ein immer riskanteres Geschäft, in wohletablierten Katalogen steckt das Geld. Unter anderem darauf geben diese Sample-Hits eine funktionale Antwort. Ein bisschen scheint der Weg zum Erfolg dabei vorgezeichnet.
Nur die Qualität scheint leider wohl kein Gegenstand der Diskussion zu sein. Die meisten Songs unserer Auswahl haben keine besonders lange Halbwertszeit genossen, und es ist wirklich schwer vorstellbar, dass etwas wie "First Class" von Jack Harlow irgendjemandes Lieblingssong werden würde. Bei den meisten dieser Songs gilt: Warum diese Version hören, wenn das Original genauso griffbereit verfügbar ist?
Die Idee dieser Liste: Wir beurteilen die Musik nach ihrer Qualität und nach Nutzlosigkeit. Haben diese Songs einen Grund zu existieren? Wie viel fügen sie dem Original hinzu? Das macht ja eigentlich die ureigene Kunstform des Samplings aus: Transformation. Selbst ein sehr direktes, offensichtliches Sample kann in neuem Kontext ziemlich viel auf den Kopf stellen. Wir erwarten also nicht, dass jemand einem Eurodance-Hit den J Dilla-Chop verpasst. Aber ein bisschen kreative Leistung wäre doch wohl nicht ganz verkehrt, oder?
47 Kommentare mit 18 Antworten, davon 42 auf Unterseiten
super idee, toll geschrieben, bitte mehr davon
+1
Da fehlt aber mal definitiv das Maria Maria-Verbrechen von DJ Qualled.
Super geschrieben, war durchgehend irgendwo zwischen ungläubigem Lachen und blankem Entsetzen unterwegs.
However, auch wenn es schon was älter ist, DAS hier ist auf ewig die absolute Spitze des Trasheisbergs in Sachen schrottiges Sampling (Sofern man es überhaupt als Sampling bezeichnen will/kann/darf):
https://www.youtube.com/watch?v=euHc8lSvwRc
straight from the internet's darkest corners
Ganz früher dachte ich ja, dass man den Kah-Zeh-Rebell ausspricht, und er war mir egal. Dann hab ich irgendwann herausgefunden, wie man seinen Namen wirklich ausspricht, und er ist sofort in den Wack MC-Kotzkübel umgetopft worden.
Mucke freilich immer ungehört 1/5.
12 Millionen Klicks.
Hab abgebrochen, weil ich nicht hören will was der noch alles zeigt.
Das ist auf so vielen Ebenen legendär schlecht.
https://www.youtube.com/watch?v=TTN9MR97JyQ
Ich habe hier noch ein sehr kurioses Video gefunden. Richtige Rabbithole.
Yannik würde sagen: Zumindest kann er gut rappen.
@Clydeb23 Er belässt es erstaunlicherweise bei Körperteilen oberhalb der Gürtellinie, dafür reimt er im zweiten Part "echt heiß" auf "sexgeil"
@CoolerTyp
Das Rabbithole in Sachen bodenlose KC Rebell Songs (Rebbelhole?) ist schier endlos
Aller wtf? Was hab ich gerade gehört?
"Rapper rappen alle unbrauchbaren Irrsinn, ich ficke ihre Mütter, weil ich Hautfarbe vier bin"
...what?
@Gentleman Junkie
Danke für die Info, ich hatte da so ein ungutes Gefühl. Kann mich aber trotzdem nicht überwinden, das nochmal "anzuhören"...
jesus christus, das hatte ich erfolgreich verdrängt.
Ich habe gelernt das er Augen und Zähne zeigt und gerne im After Party macht seiner Brr Uzi Schniedelwutzi
@KoligerderBaus
Bemerkenswert auch, dass Frauen offenbar nicht in den VIP Bereich dürfen und er diese Pimmelpartys offenbar für einen rappenswerten Flex hält
Pimmelfechten ist der neue Battlerap
Hab die Liste fast durchgeskippt und bedanke mich für diese Nahtoderfahrung. Arschloch.
Die Podiumsplätze haben mein Hirn schon geschmort, frittiert und gedünstet... gleichzeitig. Daher war der Rest auch nicht mehr sonderlich schockierend.
Hätte relativ weit oben grim104 erwartet
https://m.youtube.com/watch?v=kcKkRqWhmow