laut.de-Kritik
Detailverliebte Elektronik auf düsteren Abwegen
Review von Sebastian Hornik"...the pilot says there's something on the radar, that wasn't there the day before..." und dann bahhwuuuuhhumm..., Streicherpassagen mit fetten abdriftenden Harmonien; das Ganze geht knapp zwei Minuten, ist der Opener von "Liquid", dem neuen Recoil Album - und den Wilder hört man gleich zu Beginn raus. Erstens verwendet er zum x-ten Mal die gleichen Streichersounds und zweitens ist die kleine Passage so detailverliebt hingefrickelt, wie es der Depeche Mode Soundchef a.D. gerne hinbiegt.
Liquid schreitet dort weiter, wo Wilder mit seinem Vorgänger "Unsound Methods" aufgehört hat. Der Projektcharakter ist geblieben, verschiedene Akteure wurden ins Studio geholt und so hört man einige alte Bekannte wie die Sprechkünstlerin Nicole Blackman. Ex-Nitzer Ebb Schreihals Douglas McCarthy ist diesmal nicht mit von der Partie - schade eigentlich. Liquid kommt insgesamt homogener als sein Vorgänger daher - genau das ist jedoch auch das "Problem" bei diesem Album: Hört man die Scheibe in einem Guss, wird man der Spoken Word Stücke einfach überdrüssig. Und das ist wirklich schade, denn die einzelnen Songs sind alleine stehend größtenteils einfach hervorragend komponierte Musik, die jedoch so komplex und stilistisch schwankend konstruiert ist, dass die Gehörgänge vor diesem Glanzlicht zeitgenössischer elektronischer Musik einfach kapitulieren - ein audio-overkill an guten Stücken.
"Want" das zweite Stück hat einen enormen Groove, könnte in komprimierter Version bestimmt auch als Single funktionieren, braucht aber eigentlich die 6 Minuten, um voll zu wirken. Die Songs, bei denen Blackman für die Vocal-Parts verantwortlich zeichnet, sind mit die stärksten auf dem Album. "Breath Control" zählt hierzu. Ein dunkler freakiger Track, der von "Strange Hours" noch getoppt wird... Mit vulgärem Charme und dirty loops versehen, kommt die Singleauskopplung mit Sängerin Diamanda Galas daher und schmeckt wie ein gut gemixter Cocktail. "Jezebel" hebt sich am deutlichsten aus der soundtechnischen Ebene von Liquid hervor und erinnert stark an Labelkollege Moby (der stand bereits als Gastrapper bei "Bloodline" hinter dem Mikro).
"Gute Musik ist besser" lautet der Mute Werbeslogan. Und dass Werbung nicht immer nur aus gequirlten Dumpfhohlphrasen besteht, die von der Realität soweit entfernt sind, wie ich davon, mir ein Backstreet Boys-Album zu kaufen, wird an dieser Scheibe deutlich - will heissen: Was Alan Wilder uns in diesem noch frühen Jahr vorlegt, ist schwer empfehlenswert.
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