laut.de-Kritik

Die trostlose Idylle in der goldenen Mitte.

Review von

Als ich neulich am Telefon mit einem Kumpel über "Clap Your Fingers" von zwei Fünftel Blumentopf quatschte, meinte dieser, das sei bestimmt belanglose Musik. Und mit 'belanglos' meinte er wohl irrelevant. Roger und Schu würden ihn bestimmt als Hip Hop-Nazi bezeichnen - zurecht. Denn sieht man mal davon ab, dass die beiden Doubletime maximal mit halber Geschwindigkeit rappen und der "Flow so flexibel ist wie ein deutscher Beamter", unterhalten die beiden noch immer mit spaßigen Wortspielen, politischen Statements und souligen Bummtschak-Beats.

Und gerade weil die beiden weder die Straße noch deren Struggle kennen, erzählen die zwei hochbegabten "Hochstapler" eben von der trostlosen Idylle der goldenen Mitte. Stichwort Authentizität: ein Volltreffer! Das Leben zweier Jungs, die in Reihenhäusern aufwuchsen: "Mittelharte Lebenskrisen, mittelweite Reiseziele, mittelgute Fachkenntnisse, mittelstarke Eigenliebe, mittelgroßes Einkommen, Drogenprobleme: mittelschwere". Das Ganze tragen die beiden Töpfe mit einer schmunzelnden Gelassenheit vor; sie wissen nie so genau was als nächstes kommen wird. "Wir haben keinen Plan B wie Maeckes."

Wer auf die 40 zugeht, hat wohl auch mal das Bedürfnis, einen Schwank aus unbesorgten Jugend-Tagen vorzutragen. Maniac von den Demograffics schneidert ihnen dafür ein locker-flockig leichtes Beatgewand auf den Leib. Ausgedrückte Pickel, Eiskugeln statt Muschis lecken, Flaschendrehen und den Liebeskummer der Teenager-Liebe mit fünf Mark Cola-Fläschchen bekämpfen – "Gettin Busy", eben. Daneben belächelt man mit einem Augenzwinkern "Yogamatten-, Holzspielzeug-, Strebergarten-Nazis" beziehungsweise "Elite-Partner-, Wohlfühl-, Biotonnen-Nazis."

Die Entstehungsgeschichte zu dem Song "Nazis" beschreibt Roger in unserem Interview so: "Der Grundansatz war 'Rassismus ist schwul' und ich hatte diese Vision vor mir. Du kennst doch diesen Fifa-Clip, in dem alle so mit dem Gesicht zu sehen sind und sagen: "No racism". Und ich saß da, hatte vielleicht einen zu viel geraucht, und dachte dann so: Wenn jetzt Lukas Podolski kommen würde und sagt "Rassismus ist schwul", dann wäre das der Spot des Jahres. Einfach weil diese Aussage so dumm wäre." Aber dann wohl doch so dumm, dass sie Angst hatten, es könnte live nicht mehr funktionieren.

In feinster Blumentopf-Manier politische Themen zu behandeln, funktioniert nach wie vor prächtig. Sie fordern "nur ein bisschen Frieden", "Elektro-Schocker mit Ökostrom" und "Wasserenthärter in jedem Wasserwerfer." Beim Wahlkampf denken sie an Greenpeace: "Der Panda lebt noch, alles ist easy." Genau das ist ihre Herangehensweise: Gewitzt, ausgefuchst und trotzdem unterhaltsam kritisieren sie subtil die Gesellschaft, Krankenkassen, Politik und die "Polizei, die nicht daran denkt nach rechts zu gucken." Und dabei ziehen sie auch noch dem einen oder anderen Rap-Kollegen eins über, der nur von "Drugs, Pussy, Money" schwadroniert. Bockstark, von wegen 'belanglose' Musik!

Nicht alle Songs auf dem Album krachen, regen zum Denken an oder bereiten ein Schmunzeln. Auch der eine oder andere Füller hat sich auf die Scheibe geschlichen, keine Frage. Und warum lassen sie sich auf ihrem Cover als zugeknöpfte Altersheim-Besucher ablichten, könnte man sich fragen. Alles halb so wild, denn das ist spätestens dann verziehen, wenn der Rausschmeißer-Hit "Hirnverbrannt" läuft. Der 2013 entstandene Song bekam von I.L.L. Will noch eine kleine Grundsanierung. Er klatscht jetzt mehr, gerät eine Nummer zügiger und kopfnickender. Ein grandioser Ohrwurm als Album-Abschluss: "Weiter geht's, immer der Nase nach, hier entlang. Schau dir meine Clique an: Fresh aber hirnverbrannt."

Trackliste

  1. 1. Takttakttakt
  2. 2. Gettin Busy
  3. 3. Kommt Nicht Mehr Zurück
  4. 4. Nazis
  5. 5. Deine Jungs / Meine Jungs (Feat. Adriano)
  6. 6. In Bar
  7. 7. Insel
  8. 8. Dpm
  9. 9. Hochstapler
  10. 10. Funky & Frech
  11. 11. Schieb Die Luft
  12. 12. Frieden
  13. 13. Die Art
  14. 14. Auf Und Ab
  15. 15. Hirnverbrannt

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