laut.de-Kritik
"Live At His Best" wäre passender gewesen.
Review von Giuliano BenassiWie werden wir uns an Angus Young erinnern? Als einen 'Zauberer in Schuluniform'? An Slash als einen 'Zauberer mit Zylinder'? War Jimi Hendrix ein 'Zauberer im Batik-Hemd'? Der Titel dieses Albums, "Zauberer im Karo-Hemd", gehört jedenfalls zu den weniger gelungenen.
"Live At His Best" wäre die passendere Wahl gewesen. Denn genau das bietet dieser Mitschnitt des irischen Gitarrenmeisters, der bislang in den Archiven schlummerte. Eigentlich kaum zu glauben, angesichts der Qualität des Materials, aber wahrscheinlich dem Umstand zu verdanken, dass Rory Gallagher in den Jahren zuvor bereits zwei Livealben veröffentlicht hat. Zudem war sein Stil mit dem aufkommenden Punk und New Wave erst mal out, wie bei so vielen Rockstars seiner Zeit.
Mit dem damals aktuellen Album "Calling Card" begaben sich Gallagher und Band auf Tour durch Großbritannien, auf der sie in der zweiten Januar-Hälfte 1977 fast jeden Abend spielten, gefolgt von mehreren Auftritten im Februar. Vier davon nahmen sie mit den fahrbaren Studios von Jethro Tull und den Rolling Stones auf. Aus diesem Material stellte sein Neffe Daniel Gallagher die Tracklist zusammen und ließ sie in den Londoner Abbey Road Studios abmischen. Ein Aufwand, der sich gelohnt hat, denn die Tonqualität ist exzellent und setzt Onkel Rory ein neues Denkmal.
"Hemdsärmelig" könnte man den Albumtitel auch interpretieren, und das trifft tatsächlich zu. Gallagher war keine Diva, die sich in selbstverliebte Soli verlor. Auch wenn die meisten Stücke länger als sechs Minuten dauern, erscheint keine Note zu viel. Mit Bassist Gerry McAvoy, Schlagzeuger Rod De'Ath und Keyboarder Lou Martin spielte Gallagher bereits seit vier Jahren zusammen. Zwar gestand er ihnen Freiräume mit gelegentlichen Soli zu, doch bleibt stets klar, auf wen das Spiel ausgerichtet ist.
Dass das Ergebnis vor allem bei den neueren Stücken nach Deep Purple ohne Firlefanz klingt, liegt vermutlich am Umstand, dass "Calling Card" von DP-Bassist Roger Glover produziert wurde. Wenn Keyboarder Martin von Hammond- auf Klaviersound umstellt, kommt jedoch der Blues-Boy wieder zum Vorschein, der Gallagher im Wesentlichen war, auch wenn er seine Folk-Wurzeln nie verkannte. Besonders gelungen ist das Intermezzo mit Akustikgitarre, das mit Lead Bellys "Out On The Western Plain" beginnt und mit Mandoline sowie Publikumsgesang in "Going To My Hometown" endet. Dazwischen finden auch das (leider) autobiographisch anmutende "Too Much Alcohol" und Blind Boy Fullers "Pistol Slapper Blues" Platz.
Der Schwerpunkt liegt auf dem damals aktuellen, durchaus soliden Album, bietet aber auch Interpretationen von Liveklassikern wie "Souped-Up Ford", "Bullfrog Blues", "Used To Be", "Tattoo'd Lady", "A Million Miles Away" oder "Walk On Hot Coals". Obwohl Gallagher und Band fast jeden Abend bis zu zweieinhalb Stunden auf der Bühne standen, ist ihnen die Strapaze nicht anzuhören. Im Gegenteil, sie sprühen nur so vor Energie und Spielfreude.
Da ist die Mühe, vom Sofa aufzustehen, um die drei Vinyl-Scheiben aufzulegen und umzudrehen, vernachlässigbar. Eine gute Gelegenheit zudem, sich noch mal das Cover des irischen Street-Art-Künstlers Vincent Zara anzuschauen, der die Straßen seiner Heimat mit Graffitis von Nationalhelden wie Phil Lynott, Gary Moore und natürlich Gallagher verzierte. Fest steht: Auch wer die offiziellen Livealben aus jener Zeit kennt ("Live in Europe", 1972, "Irish Tour '74" und "Stage Struck", 1980), wird an "Check Shirt Wizard" seinen Spaß haben. Ganz nach dem Motto der damaligen Tourplakate: "When was the last time you heard a guitarist really play guitar?".
2 Kommentare
Rory, Yeah!
In einem Paralleluniversum ist er vielleicht wirklich der Mick Taylor Nachfolger bei den STONES geworden, was ja für ein paar spannende Jahre gut gewesen wäre. Gallagher spielte live immer so, als gäbe es kein Morgen; jeder Song wurde gefühlt das erste und letzte mal gespielt. Nur Springsteen noch vermag dem Konzertbesucher so ein Gefühl der Einmaligkeit-dieses-Abends zu geben, wie Gallagher es bei jedem Auftritt tat. In sofern ist der Zauberer-Titel schon ganz passend. Musikalisch ist das Ganze natürlich schlicht göttlich, bei aller gebotenen Objektivität.