laut.de-Kritik
Johnnys Tochter arbeitet Daddys Lieblingstücke ab.
Review von Giuliano BenassiSeit Jahren kreist Rosanne Cash um ihren übermächtigen Vater Johnny. 2001 nahmen sie das schöne Duett "September When It Comes" auf. Mit dem 2006 erschienenen "Black Cadillac" setzte sie sich in persönlich gehaltenen Texten mit dem Leben und dem Tod ihres Daddys auseinander. Auch das vorliegende Album hat natürlich wieder mit der Country-Ikone zu tun.
Zum 18. Geburtstag machte Johnny seiner Tochter ein außergewöhnliches Geschenk: Eine Liste mit den - aus seiner Sicht - 100 wichtigsten Country-Stücken. Damals, 1973, interessierte sich Rosanne eher für Rock und Pop als für das Stammgenre ihres Vaters. Was ihn offenbar wurmte, denn er wünschte sich, dass Rosanne die Stücke eines Tages beherrschen würde.
Der Wunsch ging nun in Erfüllung. Rosanne pickte sich für ihr zwölftes Album zwölf dieser Stücke heraus und bearbeitete sie mit Ehemann und Produzent John Leventhal. Dabei sind Lieder aus dem Repertoire ihres Vaters (etwa "Sea Of Heartbreak", "I'm Moving On" oder "Long Black Veil"), aber auch einige, die andere bekannt machten, darunter "Take These Chains From My Heart" (Hank Williams, Ray Charles) oder "She's Got You" (Patsy Cline).
Mit Jimmy Rodgers Klassiker "Miss The Mississippi And You" beginnt das Abenteuer entspannt und leicht angejazzt. Doch schon "Motherless Children" offenbart die große Schwäche des Albums: Zuviel Geschmeidigkeit, zu wenig Kanten. Im Gegensatz zum Vater stammt Rosanne aus der klassischen, eher sülzigen Country-Ecke, was den Hörgenuss für europäische Ohren einschränkt. Ganz deutlich bei der Friedensbewegungshymne "500 Miles" und Merle Haggards "Silver Wings".
Dabei sind vier hochkarätige Gäste am Werk, die in dieser Kombination wohl zum ersten Mal zusammen kommen: Bruce Springsteen, Elvis Costello, Wilcos Jeff Tweedy und Rufus Wainwright. Für "Sea Of Heartbreak" an der Seite des Bosses gab es eine Grammy-Nominierung, doch die einzige überzeugende Zusammenarbeit ist die mit Costello, der hörbar Spaß an dem Ausflug in den Mainstream-Country hat.
"The List" liegt eine nette Geschichte zugrunde, die Umsetzung hätte aber deutlich persönlicher ausfallen können. Die besten Momente bieten neben dem Opener das abschließende "Bury Me Under The Weeping Willow" der Carter Family und Bob Dylans "Girl from The North Country". Das Johnny Cash und der Folkrock-Barde im Duett aber deutlich besser interpretiert haben.
Bleiben noch 88 Stücke, um sich zu steigern. Oder entscheidet sich Rosanne Cash schließlich doch noch, ein Album mit den bekanntesten Stücken ihres Vaters aufzunehmen? Wirklich nötig wäre das nicht, doch Natalie Cole hat bewiesen, dass auch eine anerkannte Sängerin mit einem solchen Konzept Erfolg haben kann.
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