laut.de-Biographie
Royce Da 5' 9''
Von schnellem Ruhm, bitterer Enttäuschung, außergewöhnlichem Talent, ungeschickten Entscheidungen, Zerwürfnissen und enormem Pech kann der Detroiter Rapper Royce Da 5' 9" zahlreiche Liedchen singen. Seine Karriere prägen neben den Höhepunkten auch die zahlreichen Durststrecken und Tiefpunkte. Die Geschichte dieses Mannes handelt aber auch vom Aus- und Durchhalten, von Freundschaft und Versöhnung und davon, es aus tiefen Tälern wieder nach oben und ans Licht zu schaffen.
Ryan Daniel Montgomery kommt am 5. Juli 1977 in Detroit zur Welt. Seiner Heimatstadt bleibt er stets verbunden, Lokalpatriotismus und Repräsentation seiner Hood gehören für ihn genauso dazu wie Skills: "Ich bin stolz darauf, Techniker zu sein", erzählt er. "Einige Jungs machen Party-Rap, sie machen das großartig. Einige Leute machen echten kommerziellen Rap, sie machen das großartig. Ich bin ein Techniker. Ich bin der Typ, der gerne Knöpfe drückt, und ich bin stolz darauf, Dinge zu tun, die technisch einwandfrei sind."
Seine eigene Karriere im Hip Hop nimmt 1995 mit ersten Rap-Versuchen ihren Anfang. Zwei Jahre später lernt er bei einem Konzert einen gewissen Marshall Mathers kennen: eine Bekanntschaft, die sich im Verlaufe seiner Karriere als Segen wie auch als Fluch herausstellen soll.
Royce Da 5' 9", der seinen Künstlernamen aus dem R von Rolls-Royce, das er schon als Schüler als Kette um den Hals trägt, und seiner Körpergröße 1,75m, also fünf Fuß, neun Zoll, zusammensetzt, knüpft außer zu Eminem weitere Kontakte. Unter anderem bandelt er nachhaltig mit DJ Premier an. Seine Talente als Lyricist, versierter Spitter und talentierter Songschreiber bleiben nicht lange verborgen.
2000 unterschreibt Royce einen Deal mit Tommy Boy Records: ein fataler Fehler, wie sich bald zeigt. Das angekündigte Album "Rock City" wird wieder und wieder verschoben und ist noch nicht erschienen, als die Zusammenarbeit von Künstler und Label schon wieder in die Brüche geht.
Royce Da 5' 9" wechselt zu Game Records, einer Plattenfirma, die bis dato eher mit Covern mit freizügig bekleideten Mädchen von sich reden macht als mit Musik. Das soll sich aber, auch unter Mithilfe von Royce, ändern. Tatsächlich ändern sich aber nur die Besitzverhältnisse: Columbia Records schlucken Game, und Royce' mühsam erwirtschafteter Hype verpufft in weiteren Vertagungen. Erst 2002 wird "Rock City" tatsächlich veröffentlicht und kurz darauf schon wieder vom Markt genommen. Bei Koch Records erscheint noch im gleichen Jahr eine neu abgemischte "Version 2.0".
Diejenigen, die etwas von ihm mitbekommen haben, feiern Royce Da 5' 9" allerdings aus guten Gründen: Als absolutes Highlight erweist sich die Über-Produktion mit DJ Premier, "Boom", die 2000 alles, das zu dieser Zeit an Hip Hop interessiert ist, niederfegt. Als Bad Meets Evil nimmt er Tracks zusammen mit Eminem auf, einer davon, ebenfalls "Bad Meets Evil" betitelt, schafft es auf Ems "The Slim Shady LP".
Naheliegend, dass Royce versucht, beim Label seines Kompagnons unterzukommen. Allerdings teilt Eminem ihm mit, das Boot bei Shady Records sei voll, er wolle derzeit keine weiteren Künstler mehr unter Vertrag nehmen. Zwei Wochen später signt er 50 Cent, was Royce Da 5' 9" offenbar extrem sauer aufstößt: Ein Beef zwischen ihm, Eminem und dessen Crew D-12 nimmt seinen Anfang, der zunächst mit Worten, später auch handgreiflich ausgetragen wird.
Die Auseinandersetzung kulminiert, als Royce und D-12-Mitglied Proof persönlich aufeinandertreffen und die gegenseitig verletzte Ehre mit einem Kampf Mann gegen Mann reparieren wollen. Letztlich endet die Aktion darin, dass beide nach einem Intermezzo in Polizeigewahrsam mit Klagen wegen illegalen Waffenbesitzes dastehen. Immerhin hatten sie in der Nacht hinter Gittern offenbar Gelegenheit zum Reden. Die Differenzen gelten hernach als beigelegt. 2008 besiegelt ein Auftritt Royce' auf dem D-12-Mixtape "Return Of The Dozen" den Friedensschluss auch offiziell.
Dennoch hat der Zwist mit einem übermächtigen, weil weit populäreren Gegner Royce' Karriere einen heftigen Knick versetzt. Obwohl er über die Jahre mit diversen namhaften Kollegen kooperiert, startet er nie so richtig durch. 2001 finden sich diverse Tracks von im im Soundtrack des Spiels "Grand Theft Auto III". Sein 2003 im Mixtape-Stil erscheinende Album "Build & Destroy" fährt eine illustre Gästeliste auf, die breite Masse ignoriert es dennoch weitgehend. Eigentlich verwunderlich, da sich sonst Produktionen der Neptunes, Just Blaze' oder The Alchemists zu Selbstläufern entwickeln.
Im Zuge dieses Release' beweist Royce wieder einmal kein gutes Händchen beim Umgang mit erfolgreicheren Kollegen. Zuvor hatte er sich schon mit Dr. Dre überworfen, weil er seinen Einsatz als Ghostwriter auf dessen Album "2001" öffentlich gemacht hatte, was diesem natürlich nicht besonders gut gefiel. Wegen unterlassener Zahlung für einen Beat von Kanye West kommt nun zur nächsten Auseinandersetzung. Angesichts des überirdischen Erfolgs, dem West gerade entgegenblickt, steht Royce hier von vorneherein quasi auf verlorenem Posten.
Woran auch immer es liegen mag: Sein Album "Death Is Certain" findet sich trotz einstimmig akzeptabler Kritiken auf keiner Verkaufsliste wieder, Royce Da 5'9"s Pechsträhne hält an. Obwohl das Album von nachdenklichen Songs bis hin zu echten Kopfnickern und einer erneut bahnbrechenden Kollaboration mit DJ Premier alles zu bieten hat, bleiben öffentliches Interesse wie Verkaufszahlen mau.
Gleiches widerfährt dem Rapper bei der Veröffentlichung seines vierten Albums "Independent's Day" im Sommer 2005. Mit Unterstützung von Cee-Lo Green (Gnarls Barkley) und Produzent Nottz stimmt die Qualität, doch die merkwürdige Ignoranz der Hip Hop-Käuferschicht hält an. Immerhin ergeht es Royce nicht so schlecht wie zwei seiner Kollegen aus der Nachbarschaft: 2006 entschwinden Proof und Jay Dee auf jeweils unterschiedliche, gleichermaßen tragische Weise von dieser Welt, und Royce besinnt sich, gerade mit Blick auf seinen zurückliegenden Beef mit Proof, auf die wichtigen Dinge des Lebens.
An seinem Status und Erfolg soll sich 2006 Einiges ändern. Man hört Gerüchte von einem Rapper/Producer-Album, komplett gemixt von DJ Premier, Royce schreibt Texte für Diddys "Press Play" und wird als neues Bad Boy-Signing gehandelt. Auch Nas und Def Jam sollen Interesse angemeldet haben, den Rapper unter Vertrag zu nehmen. Der Blitzstart geht jedoch nach hinten los, als Royce 2006 mit Trunkenheit am Steuer gegen seine Bewährungsauflagen verstößt und hinter Gitter wandert.
Im Januar 2007 kommt er frei und begibt sich unmittelbar ins Studio. Zusammen mit DJ Premier und Statik Selektah brütet er das Mixtape "The Bar Exam" aus, dem 2008 gleich "The Bar Exam 2" folgen soll, diesmal unter Beteiligung von DJ Green Lantern, 9th Wonder und weiteren Genregrößen. 2017 umfasst die "Bar Exam"-Reihe bereits vier Teile.
Kollaborationen liegen Royce Da 5' 9" offensichtlich, weswegen sich ein gemeinsamer Track namens "Slaughterhouse" zu einer ebenso benannten Supergroup auswächst: Das Quartett besteht neben Royce aus Joell Ortiz, Joe Budden und Kxng Crooked. Auch Bad Meets Evil, sein Doppel mit Eminem, bekommt neues Leben eingehaucht, und trägt 2011 in Form von "Hell: The Sequel" greifbare Früchte. Zusammen mit DJ Premier formiert sich Royce Da 5' 9" zum Duo PRhyme, das 2014 und 2018 jeweils ein Album veröffentlicht.
Ebenfalls 2018 legt Royce, wieder einmal nach etlichen verschobenen Releaseterminen, "The Book Of Ryan" vor. Mit dem Album feiert er nicht nur seine Rückkehr als Solo-Künstler, sondern auch seine erfolgreich überwundene jahrelange Alkoholabhängigkeit. Mit "The Allegory" setzt er Anfang 2020 seine umfangreiche Diskografie fort.
Die Aufmerksamkeit, die er eigentlich verdient hätte, lässt lange, sehr lange auf sich warten. Was mancher seiner Kollegen angedichtet bekommt, trifft auf diesen hier voll zu: Royce Da 5' 9" ist wahrscheinlich der unterschätzteste Lyricist seiner Generation.
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