28. Januar 2015

"Kunst an sich ist Rebellion!"

Interview geführt von

Killer Mike und El-P haben sich vielleicht nicht gesucht, zum Glück aber gefunden. Als Duo Run The Jewels verbinden sie brachialsten Sound mit brisanten Inhalten. Wir sprachen (soweit streikende Technik uns ließ) über ihre Veröffentlichungsphilosophie, über Rebellion und Polizeigewalt - und darüber, wie man selbst mit einer richtig bescheuerten Idee noch etwas Gutes bewirken kann.

Selten genug herrscht unter Hip Hop-Fans weithin Einigkeit. Auf ein Album - oder eigentlich: auf zwei - konnten sich 2014 trotzdem fast alle verständigen: Zwei mittlerweile fast 40-jährige Untergrund-Pioniere lieferten das Konsens-Werk des Jahres ab. Das Erfolgsrezept von El-P und Killer Mike: Knochenbrechersound der stockfinstersten Sorte, gepaart mit politisch motivierten Lyrics. "Derbe auf die Kacke hauen und dabei noch etwas erzählen: Darin steckt der wahre Sprengstoff", feierten wir den zweiten Streich von Run The Jewels.

Doch bevor es zum Gespräch mit den beiden Protagonisten kommt, passiert erst einmal - nichts. Das Internet-Telefon in dem Berliner Hotel, wo sich Killer Mike und El-P den Tag über aufhalten, entpuppt sich als nicht sonderlich kooperativ. Noch bevor die förmlichen Begrüßungsfloskeln gesprochen sind, verabschiedet sich die Verbindung schon irgendwo ins Nirwana. Leider nicht zum letzten Mal an diesem Tag. Eine Aufzeichnung eines wahrlich nervenaufreibenden Gesprächs.

Euer Name Run The Jewels stammt von einer alten LL Cool J-Line. Wie kams dazu und was für eine Bedeutung steckt für euch dahinter?

El-P: Die Idee stammt von mir. Um ehrlich zu sein, kam ich nur darauf, weil es ziemlich badass klingt. Ich weiß, ein spannendes Konzept dahinter würde cooler klingen, aber ich fand den Ausdruck "Run The Jewels" einfach schon immer dope. Bei dem LL Cool J-Song ("Cheesy Rat Blues") ging es darum, gefährlich zu wirken. Einfach: Fuck it, I'm taking your shit. Außerdem hat der Name etwas, das den Leuten genügend Platz zur Interpretation lässt. Das mag ich sehr. Für mich steht es nämlich auch für mehr, als nur deinen Scheiß zu nehmen. Ich will dein ganzes Leben, dein Schicksal [lacht].

"Run The Jewels 2" ist wieder als Free-Download erschienen. Wieso? Mittlerweile sprecht ihr doch eine recht breite Fan-Gemeinde an, also müsstet ihr das doch nicht machen ...

El-P: Es ging nicht darum, ob wir das müssen oder nicht müssen. Wir sehen die Sache folgendermaßen: Es gibt Leute, die kaufen Musik, und es gibt Leute, die kaufen keine Musik. Es will zwar keiner laut sagen, aber wenn wir ehrlich sind, gibt es doch eh fast jedes Album für umsonst im Internet. Wir geben den Leuten einfach die Wahl, um so auch so etwas wie eine Beziehung mit ihnen aufzubauen. Denn wenn ihnen die Musik trotzdem gefällt, können sie auch gerne zu unseren Shows kommen oder ein T-Shirt kaufen. Wir wollen den Konsumenten schlichtweg einfach nicht so behandeln, als wäre er unser Feind.

Wie kann man sich euren Album-Entstehungsprozess vorstellen? Waren wieder verschiedenste Drogen im Spiel, oder habt ihr es dieses Mal ruhiger angehen lassen?

El-P: Weißt du, wir machen einfach. Wir rauchen Weed, nehmen ab und zu Pilze und wir trinken ein wenig. Scheiße, das klingt jetzt, als wären wir verdammt abhängig [lacht]. Aber du hast schon Recht, das beeinflusst unsere Arbeitsweise dementsprechend.

Ihr kennt euch über einen gemeinsamen Freund von Adult Swim. Stand für euch von Anfang an fest, solch einen brachialen Sound zu machen? Ein Kollege vergleicht ihn gerne mit Ice Cubes "Amerikkkas Most Wanted".

Mike: Ja, definitiv. Der erste Beat, den El mir vorgespielt hat und den wir schlussendlich auch zusammen aufgenommen haben, war "Big Beast". Von diesem Moment an wusste ich, dass ich einen Dude gefunden habe, mit dem ich Musik und sogar ganze Alben zusammen machen möchte. Nach ein paar Monaten war El dann tatsächlich auch schon am Start und bescherte mir eine Erfahrung fürs Leben. In ihm hatte ich einen Partner gefunden, der mir Beats gibt, die ich so davor noch nie zur Verfügung hatte. Dass über die Zusammenarbeit hinaus eine innige Freundschaft entstanden ist, ist um so schöner.

El, du sagtest kürzlich, dass Rap aus Rebellion entstehen sollte. Spielt dieser Grundgedanke auch eine Rolle für euren Knochenbrecher- Sound?

El-P: Ja, natürlich. Das ist nämlich genau der Blickwinkel, mit dem ich Musik betrachte. Rap hat für mich eben ganz viel mit Rebellion zu tun. Die ganze Musik entstand ja mehr oder weniger auch daraus. Kunst an sich ist Rebellion! Als Teenager hat mich Rap eben sehr geprägt. Er hat mir einen Weg aufgezeigt, mit Wut, Intelligenz, Gefühlen und auch Humor umzugehen. Deshalb definiere ich Rebellion, anders als viele Leute, nicht nur in eine Richtung. Rebellion kann viele verschiedene Formen annehmen.

Ihr postet oft Jahresbestenlisten, in denen ihr mindestens unter den Top drei seid. In unserer Liste wart ihr ebenfalls auf Platz drei, euer Album erhielt fünf von fünf möglichen Punkten. Der einzige Streitpunkt der sonst oftmals kritischen User war, welches denn der bessere Teil sei. Für lange Zeit nahm man euch beide nur als Underground-Rapper wahr. Habt ihr zu Beginn eurer Arbeit auch nur ansatzweise damit gerechnet, so viel Anklang zu finden?

El-P: Mit so etwas kann man eigentlich nicht rechnen. Wir fühlen uns geehrt und sind auch sehr aufgewühlt, weil so viele Leute unsere Musik hören und zu schätzen wissen. Und das schönste daran ist, dass wir voll hinter unserer Musik stehen und stolz darauf sein können.

*krrrks*

Die Verbindung wird ohne jegliche Vorwarnung mitten in El-Ps Redefluss erneut gekappt. Das Hotel lässt mitteilen, das Telefonat könne zunächst nicht fortgesetzt werden. Für den Abend vereinbaren wir zunächst einen neuen Termin. ... Als sich das Problem zum abgemachten Zeitpunkt eher verschlechtert als verbessert zu haben scheint (die Hotelrezeption ist nicht mehr zu erreichen), führen wir das Gespräch notgedrungen über das Handy des Promoters weiter. Die Qualität der Aufnahme leidet dementsprechend.

Ihr verkörpert eine aussterbende Kultur, die früher sehr erfolgreich war: die der Rap-Duos. Hat Hip Hop heutzutage nur noch mit Selbstdarstellung zu tun?

El-P: Ja, absolut. Ich denke, dass Rap-Duos in den letzten Jahren etwas auf der Strecke geblieben sind. Die Industrie scheint mehr daran interessiert zu sein, mit Individualisten ihr Geld zu verdienen. Wir sind also eine Rarität. We bringin' that oldschool shit back [lacht].

"Mit etwas wirklich Dummem Gutes tun - was gibts besseres?"

Anderes Thema: Anfangs als Scherz gedacht, scheint euer "Moew The Jewels"-Projekt, auf dem ihr die Beats gegen Katzenlaute austauschen wollt, über eine Kickstarter-Kampagne nun wirklich realisiert werden zu können. Wie weit seid ihr schon mit dem Miezen-Casting vorangekommen?

El-P: Wir arbeiten daran. Wir machen es uns natürlich nicht einfach, und obendrein ist es nicht gerade das einfachste, mit Katzen zu arbeiten. Zudem genügen unseren Ansprüchen natürlich nur unglaublich artistische Katzen, die super miteinander klar kommen [lacht].

Wichtig zu erwähnen ist dabei sicherlich auch noch, dass hinter dem Projekt ein ernster Hintergrund steckt. Ihr unterstützt mit den Erlösen Familien, die Opfer von Polizeigewalt wurden.

El-P: Korrekt. Das Projekt hat anfangs als großer Scherz begonnen, wir hätten nie im Leben damit gerechnet, dass die Fans ernsthaft 40.000 Dollar dafür eintreiben. Ich hatte dann Kontakt mit dem Typen, der die Kickstarter-Kampagne ins Leben gerufen hat, und habe mit ihm vereinbart, dass das Geld sinnvoll verwendet werden soll. Von ihm kam dann der Vorschlag, das Geld an Opfer von Polizeigewalt zu spenden. Ein Thema, hinter dem Mike und ich stehen und das uns beide auch etwas angeht. Wir wollen ja auch nicht, dass die Leute ihr Geld unnütz verschwenden. Schlussendlich kamen sogar 65.000 Dollar zusammen. Wir tun mit etwas wirklich Dummem etwas wirklich Gutes! Was gibts besseres?

"Wenn Soldaten die Bürger überwachen, läuft sicher etwas falsch"

Das Thema Polizeigewalt ist in den USA aktuell sehr groß. Mike, du hattest sogar schon zwei Auftritte bei CNN, in denen du deutlich Stellung zum Thema bezogen hast. Nach dem Freispruch für den Todesschützen von Mike Brown hast du zudem eine emotionale Rede auf einem Konzert gehalten. Was bewegt dich, so offen mit dem Thema umzugehen?

Mike: Ich bin schon seit Ewigkeiten in Organisationen tätig, die sich mit dem Thema, besonders natürlich in Bezug auf Jugendliche, auseinandersetzen. In der Zeit, als wir damit anfingen, war es üblich, dass Polizisten den Kids auf die Fresse schlugen, weil sie sie einfach nur als Gang-Mitglieder verdächtigten. Da ich früher auch eines dieser Kids war, weiß ich, wie es läuft. Jetzt versuchen wir einfach, die Jugendlichen an einen Tisch zu setzen und miteinander zu reden, anstatt sich auf den Straßen die Köpfe einzuschlagen. Ich wüsste nicht, wie ich davor meine Augen verschließen könnte. Ich erwarte zwar nicht von jedem, dass er sich dafür einsetzt. Für mich ist es aber so etwas wie eine Bestimmung. Gut möglich, dass ich das bis an meinen letzten Tag weiter mache.

Ein Grundproblem, zu dem du als Sohn eines Polizisten sicherlich eine besonderen Bezug hast, hast du auch schon ausgemacht, als du sagtest: "Ich will, dass die Kids keine Angst vor der Polizei haben müssen." Woher kommt dieses Problem?

Mike: Nun, das Problem kommt von ganz oben. Denen geht es nämlich nicht um die Überwachung, sondern um Kontrolle. Das Problem in Amerika ist das ungerecht verteilte Vermögen und der Mangel an Möglichkeiten für Benachteiligte. Die Mächtigen verfolgen schlicht eine andere Philosophie – sie richten nichts aus. Das komplette Polizei-System müsste eigentlich überdacht werden. Und das nicht nur in Amerika, sondern weltweit. Denn wenn es schon so weit kommt, dass Berufssoldaten die Bürger überwachen, läuft sicher etwas falsch. Die Polizei sollte die Gemeinschaft eigentlich schützen.

Ein letztes Mal macht die Technik wieder einen Strich durch die Rechnung. Killer Mikes überaus interessante Ansichten zu den Geschehnissen in den Staaten überschatten digitale Störgeräusche und zeitweise Tonausfälle. Irgendwann geben wir auf: Das Gespräch fand erneut ein vorzeitiges Ende.

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1 Kommentar mit 2 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Fangt doch bitte mal an, eure Interviews von dem ganzen Meta-Gequatsche zu befreien. Glaubt ihr wirklich, eure Leser interessieren sich für Telefonverbindungsprobleme?

    • Vor 9 Jahren

      Es ist ja auch überhaupt nicht wichtig für das Verständnis des Interviews, zu wissen, dass es vorzeitig abgebrochen werden musste.

    • Vor 9 Jahren

      Erstens ist es das hier tatsächlich nicht, und zweitens, selbst wenn es so wäre, warum zum Geier muss ich wissen, dass die fucking Hotelrezeption nicht mehr zu erreichen war?! Es fällt mir hier halt häufig auf, dass die Interviews einen Hang zum Schwafeln haben und gerne auch mal den Interviewer in den Mittelpunkt rücken: "Hey, wir haben uns dann und dann schon mal getroffen" - "Ja, ich erinnere mich, du warst doch der, der [...] Wie geht's dir denn so?" - "Ja super, und dir?" Who cares? Etwas mehr Rotstift und etwas weniger Ego wären manchmal angebracht.